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Dürre in Deutschland
Strategien für eine stabile Wasserversorgung

Die Dürre in Europa zeigt, dass Wasser knapp werden kann. Auch in Deutschland werden die Verteilungskämpfe ums Trinkwasser heftiger. Städte und Gemeinden regulieren die Verwendung, sammeln Regenwasser, lassen geklärtes Abwasser versickern. Reicht das als Reaktion?

Von Tom Schimmeck |
Der Seehamer See im oberbayerischen Mangfalltal.
Mangfalltal: Die meisten Metropolen versorgen sich beim Trinkwasser großzügig aus dem Umland. München etwa bedient sich seit 1883 in dem Tal. (Imago / Imagebroker / Günter Lange)
Die Panke, keine 30 Kilometer lang, war nie der Mississippi. Aber doch ein verlässlicher Wasserlauf. Die Panke fließt, wenn sie fließt, weiter durch Pankow und Mitte, über den Nordhafen in die Spree – gleich am Hauptbahnhof. Mann: „Ja, wie fühlt sich das an? Es fühlt sich nach der absoluten Unfähigkeit der Menschen an, die Bedingungen zur Erhaltung ihrer Art aufrechtzuerhalten. Mit unendlichem Wachstum, mit Gier wird dafür gesorgt, dass die Umwelt kaputtgemacht wird und damit werden die Existenzgrundlagen für die Menschheit zerstört.“
Zwei Jugendliche, fast noch Kinder, kommen über die Brücke. „Ich find’s komisch, dass hier nichts ist.“ „Ich find’s einfach nur traurig, dass wir auch noch daran schuld sind, durch die Erderwärmung, und dass wir nichts dagegen tun.“ „Wir machen irgendwelche komischen Regeln wie Pappstrohhalme. Die aber nichts bringen, weil der Rest immer noch aus Plastik ist.“
Ein kleines Stück flussaufwärts, hinter der Landesgrenze zu Brandenburg, liegt die Gemeinde Panketal. 21.000 Einwohner, Berliner Speckgürtel, recht wohlhabend: 90 Prozent Eigenheime, immer mehr Pools. Wieder ein heißer Tag. Ein trockener Wind weht. In der Straße, wo der Bürgermeister wohnt, fallen schon die Blätter. „Mein Name ist Maximilian Wonke. Ich bin seit 2018 Bürgermeister der Gemeinde Panketal. 35 Jahre alt, in der SPD. Und wir haben seit einigen Jahren natürlich schon mit der Trockenheit hier in Brandenburg zu tun, müssen aber feststellen, dass es Jahr 2022 ein herausragend trockenes Jahr ist.“

Mangel an Löschwasser

„Sprengverbot in Panketal“ hieß es Ende Juli auf panketal.de. Seit dem 1. August ist das Bewässern der Gärten und das Befüllen der Pools zwischen 17 und 21 Uhr verboten. Das soll zwischen April und September künftig immer so sein. „Das hat damit zu tun, dass das Wasserwerk nicht mehr schafft, hinterherzukommen. Und bei Wasser sprechen wir nicht nur über Trink- und Gartenwasser, sondern vor allem auch über Löschwasser. Das darf nicht passieren, dass dann bei solchen heißen Temperaturen noch der Druck fehlt, um Brände zu bekämpfen.“
Bei Verstößen droht ein Bußgeld bis zu 1.000 Euro. Bislang hatte es die Gemeinde, wie viele andere in Deutschland, mit Appellen an die Bürgerinnen und Bürger versucht. Mit mäßigem Erfolg. Das Verbot, berichtet Wonke, stieß zum Teil auf heftigen Unwillen. „Also, das ging ja schon in Richtung Kritik, die unter der Gürtellinie war.“ Aber es scheint zu wirken: „Ich habe heute Zahlen ausgewertet, wie sich das Verbrauchsverhalten geändert hat seit dem 1. 8. und kann schon feststellen, dass eine deutliche Reduktion zwischen 17 und 21 Uhr stattgefunden hat. Also diese Überlast, die wir mit der Maßnahme bekämpft haben, haben wir jetzt so nicht mehr. Das ist schon erstaunlich gut.“

Kritik an verschlepptem Umbau der Energieindustrie

Der Anfang eines Umbruchs, meint der Bürgermeister und blickt auf seinen trockenen Garten. Die Gemeinde tut eine Menge, um das Wasser zu halten: renaturierte Bäche, begrünt Dächer, sammelt Regenwasser, lässt geklärtes Abwasser versickern. „Wir müssen feststellen, dass das, was die Experten für den Klimawandel prognostiziert haben, uns genauso trifft in all der ungeschönten Härte. Ich schaue hier auf Bäume, deren Baumwipfel schon im August braun werden. All das ist neu, aber es war vorhersehbar.“
Wir sind spät dran, findet Wonke, verärgert. Viel zu langsam. Hätten unsere Industrie früher umbauen müssen. „Der Ukraine-Krieg würde uns viel sanfter treffen in der Energiewirtschaft, wenn wir eben viel mehr auf erneuerbare Energien schon vor Jahrzehnten gesetzt hätten. Die alle
da waren. Es war alles bekannt. Und das ist sehr ärgerlich.“

Negativ-Rekorde bei den Pegelständen

Dürre, Wasserknappheit, Einschränkungen und Rationierungen – solche Nachrichten kommen aus vielen Ecken Deutschlands. Im Landkreis Böblingen in Baden-Württemberg ist es schon seit Jahren im Sommer verboten, Flüssen und Bächen Wasser zu entnehmen. Nicht mal eine Gießkanne voll. 
- „Am Westufer des Bodensees zeigen die Pegel Negativ-Rekorde, Häfen sind ganz oder teilweise trockengefallen.“
- „Am Rhein behindert Niedrigwasser die Schifffahrt. Auch von der Mosel, der Oder und dem Oberlauf der Elbe werden minimale Wassertiefen gemeldet.“
- „Die Schwarze Elster, ein in Sachsen entspringender Nebenfluss der Elbe, ist partiell ausgetrocknet. Der Pegel Bad Liebenwerda meldete den niedrigsten Abfluss der Geschichte. Der Landesanglerverband hat einige Abschnitten ‚notabgefischt‘.“
Die Ursachen: Kaum Regen, weniger Grundwasser, viel Verdunstung aufgrund enormer Hitze. Der Osten Deutschlands gilt als besonders Dürre-gefährdet. Aktuell aber ist beim Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung fast das ganze Land rot bis tiefrot eingefärbt. Einzige Ausnahme: der äußerste Nordwesten.

In anderen Regionen Europas ist die Lage noch dramatischer

In vielen Regionen Europas ist die Situation noch weit dramatischer.
- „Frankreich meldete im August die 4. Hitzewelle des Jahres. Und die größte Trockenheit aller Zeiten. Die mächtige Loire – nur noch ein Rinnsal. Satellitenbilder zeigen ein braunes Land.“
- „Auch in Italiens Po-Ebene, einer der wichtigsten landwirtschaftlichen Regionen Europas, herrscht Wassernotstand. Die Reisernte ist in Gefahr. Springbrunnen werden abgestellt. Viele Städte verbieten die Bewässerung von Gärten und Sportplätzen, das Waschen von Autos und die Befüllung von Pools.“
- „In Portugal herrschte schon im Mai eine schwere Dürre. In Spanien fallen Brunnen und Grundwasserleitungen trocken. Die Temperaturen auf der iberischen Halbinsel überschritten in diesem Sommer 45 Grad.“
- „Schwere Waldbrände wüteten von Portugal bis Griechenland.“
- „Großbritannien wurde von einer Hitzewelle heimgesucht.“

Trinkwasserknappheit auch mancherorts in Deutschland

Selbst in Deutschland wird mancherorts wird das Trinkwasser knapp. Der Wasserverband Strausberg-Erkner, östlich von Berlin, will den Verbrauch von Privathaushalten auf etwa 37 Kubikmeter pro Person und Jahr beschränken können. „This region has so much water. Look around you! “Auf dem Territorium des Verbands residiert auch die neue „Gigafactory“ des Elektroauto-Konzerns Tesla. Firmenchef Elon Musk amüsierte sich dort vor einem Jahr über eine Nachfrage zum Wassermangel in der Region. „It’s like water everywhere here. Does that seem like a desert to you? It’s ridiculous! It rains a lot!“ Tesla und das Wasser, ein weiter schwelendes Problem.
Die Ahr ist nur noch ein kleines Rinnsal und fließt kaum in den Rhein. Im Hintergrund am anderen Ufer des Rheins Remagen.
Die Ahr ist ein Jahr nach der Flutkatastrophe aufgrund der Hitze und Trockenheit fast nur noch ein Rinnsal und schafft es kaum, in den Rhein zu fließen. (IMAGO / Marc John)
Bislang, heißt es beim Wasserverband in Strausberg, habe man weder Einfluss auf behördliche Genehmigungen noch auf den Verbrauch der Bürger, dürfe erst eingreifen, wenn das System kollabiere. Das müsse sich dringend ändern. Man wolle nicht, dass am Ende die Physik entscheidet, ob Lieschen Müller im 4. Stock noch Wasser hat.

Flussauen, die der Mensch sich Untertan macht

Die meisten Metropolen versorgen sich großzügig aus dem Umland. München etwa bedient sich seit 1883 im Mangfalltal. Auch Stuttgart holt sein Wasser von weither. Wie BW in einem Werbevideo stolz verkündet: „Aus ergiebigen Wasservorkommen wie dem Bodensee und dem Donaugebiet bezogen, stellen wir die Verteilung des Trinkwassers im ganzen Stadtgebiet sicher. Für alle Fälle, auch für Notfälle, ist in Stuttgart immer und überall genügend Wasser verfügbar.“
Frankfurt versorgt sich unter anderem im Hessischen Ried, einer einst natürlichen Flussauenlandschaft, die der Mensch sich seit Jahrhunderten Untertan macht, mit Ackerbau und Forstwirtschaft, mit begradigten Flüssen, Fabriken und immer neuen Wohngebieten.
Die Stadt Hamburg pumpt seit 40 Jahren kühles, sauberes Nass aus den Tiefen der Lüneburger Heide. Edelstes Eiszeit-Wasser. Für kleines Geld. „Trotzdem fördern wir zwei Drittel etwa in Hamburg auf dem Stadtgebiet, ein Viertel ungefähr in Schleswig-Holstein und nur ein Achtel etwa in Niedersachsen.“ Auch Deutschlands zweitgrößte Metropole, sagt Ingo Hannemann, technischer Geschäftsführer bei Hamburg Wasser, sei stets auf der Suche nach neuen Brunnenstandorten. Doch die Verhältnisse sind hier komfortabel. „Wir haben hier in der Tat im Norden, gerade auch in Hamburg und im Umland, ein gutes Niederschlagsverhalten. Im Vergleich zu anderen Regionen Deutschland sind wir hier mit Wasser durchaus immer noch gesegnet.“

"20 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr aus Grundwasser"

Der Wasserchef empfängt im Wasserwerk Curslack, am Südostrand der Stadt. „Das ist unser größtes Wasserwerk nach der Produktionsmenge. Wir produzieren hier 20 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr und das aus Grundwasser.“ Ein riesiges Areal mit über 200 Brunnen. „Wir haben ein Grabensystem von über 550 Kilometern, was wir bewirtschaften, pflegen und was dann auch mit Wasser gefüllt wird.“   
   
Blick in eine Halle mit braunen und grünen Leitungen und Rohren
Das Wasserwerk Curslack in Hamburg (Deutschlandradio/Tom Schimmeck)
Aus Elbe und Bille, sagt Patrick Kühn, Leiter der Wasserwerke Mitte/Ost. Es bedeute viel Aufwand, all die Gräben zu entkrauten und zu mähen. Hannemann: „Ja, wir sind hier in der Filterhalle des Wasserwerks, das ist sozusagen das Kernstück. Hier wird das Rohwasser, wie wir das Grundwasser nennen, erst einmal belüftet. Dann müssen wir hier einmal die Treppe hochgehen.“ Die von Grundwasser durchströmte Halle ist immer kühl. Die Experten erklären die Filter und das bunte Gewirr der Leitungen.

Streit um Entnahmerechte für Städte und Industrie

„Grüne Rohrleitungen, das ist unser Rohwasser, braune Rohrleitungen, das ist das auszutragende Schlammwasser. Wir haben hier unten gelbe Rohrleitungen, die sind für das Spülwasser. Wir haben türkisfarbene Rohrleitungen, die sind für das Filtrat. Und wir haben rote Rohrleitungen, die sind für die Spülluft. Das Reinwasser hat am Ende dann blaue Leitungen.“ Kühn schraubt einen Deckel auf. Dahinter rauscht Wasser durch sogenannte Kaskaden. So wird Eisen entfernt. Ein leicht lösbares Problem.
Vermehrt wird in Deutschland vor Gericht um Entnahmerechte und -mengen für Städte und Industrie gestritten. Dabei geht es oft um einen besseren Schutz des Grundwassers. Laut Europäischer Umweltagentur liefert Grundwasser 65 Prozent des Trinkwassers und ein Viertel des Wassers für landwirtschaftliche Bewässerung in der EU. Vielerorts gilt die Qualität des Grundwassers als bedroht – durch Industrie, Bergbau, Urbanisierung und den Tourismus, durch Nitrate, Pestizide und den wachsenden Durst der Landwirtschaft. Aus einem Bericht der Europäischen Umweltagentur vom Dezember 2021: „Dürreperioden steigern sich in Häufigkeit, Größe und Wirkung. Wasserstress betrifft bereits 20 Prozent des europäischen Territoriums und 30 Prozent der europäischen Bevölkerung.“

Energiewende wird enorme Mengen Wasser sparen

Die gute Nachricht: Die Energiewende wird enorme Mengen Wasser sparen. Bislang ist der Energiesektor der mit Abstand größte Wasserverbraucher. Durch das Abschalten der Atom- und Kohlekraftwerke und das Ende des Braunkohletagebaus in Ost und West wird dieser Wasserbedarf drastisch sinken.
„Klimawandel, Bevölkerungswachstum, Wasserdargebotsentwicklung in den Einzugsgebieten von Spree und Havel und weitere Restriktionen oder Veränderungen und Herausforderungen werden Berlin auch in nächster Zukunft enorme Investitionen abverlangen, damit die Trinkwasserversorgung sichergestellt ist“, sagt Matthias Rehfeld-Klein, Wasserexperte der Berliner Senatsverwaltung. Berlin ist die große Ausnahme unter den Metropolen: Die Stadt lebt weitgehend aus dem eigenen Saft. Sie liegt im sogenannten Warschau-Berliner Urstromtal, zum Ende der letzten Eiszeit entstanden. Berlin saugt sein Wasser aus fast 700 Tiefbrunnen in der Nähe der Flüsse. Der zweite große Unterschied zu anderen Metropolen: Die vielen Flüsse, Kanäle und Seen Berlins wirken imposant – aber nur, weil sie systematisch aufgestaut werden.

Spree und Havel gegenüber Rhein und Donau „Flussdarsteller“

„Seit 100 Jahren regulieren hier Schleusen und Wehre den Wasserstand, damit die Schifffahrt fahren kann und Berlin aus dem Kahn versorgt wurde. Das ist ein Vorteil. Aber dieses System lebt natürlich dann aus den eigenen Ressourcen, verstärkt, je weniger von oben kommt. Insofern – ja, das Abwasser muss bestmöglich gereinigt werden“, so Rehfeld-Klein. Spree und Havel, heißt es selbst bei den Berliner Wasserbetrieben, seien, verglichen mit Rhein, Donau oder Elbe, „eher Flussdarsteller“. „Also, was aus Spree und Havel jetzt aus Brandenburg, Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin kommt, das ist so gut wie gar nichts mehr. Wir reden hier über zwei, drei Kubikmeter pro Sekunde je Zustom.“
Zum Vergleich: In veritablen Flüssen wie Donau, Rhein oder Elbe sind es selbst an schlechten Tagen noch einige hundert Kubikmeter pro Sekunde. „Innerhalb des Stausystems der Spree und Havel in Berlin können sie gar keine Fließgeschwindigkeit mehr wahrnehmen. Das Wasser steht praktisch wie in einem See. “Berlin muss also einen möglichst perfekten Kreislauf schaffen, sein Regenwasser hüten, sein Grundwasser stützen. Der Klimawandel verschärfe das Problem, sagt Rehfeld-Klein. „Neu ist vielleicht die Intensität dieser Trockenphase, die wir gerade haben. Wir haben fast ununterbrochen seit 2018 sehr wenig Niederschläge, sehr hohe Verdunstung.“

Berliner Masterplan Wasser

Ende November 2021 beleuchtete in Frankfurt ein Symposium „Strategien zur Boden- und Grundwassersanierung“. Firmenvertreter, Wissenschaftler und Behördenleute sprachen über Sulfate und Nitrate, Sprengstoffe, Cyanide und viele andere Bedrohungen des Grundwassers. Dort berichtete Frank Rauch, Experte der Berliner Senatsverwaltung, über ein „enormes Schadstoffpotential“, „was natürlich auch jetzt schon die Wasserwerke schädigt. Also wir sind jetzt nicht mehr unterwegs in der Richtung, dass die Schäden entstehen, sondern wir haben in diversen Wasserwerken schon erhebliche Schadstoffnachweise festgestellt, die auch ohne Eingreifen unserer Verwaltung nicht mehr in Betrieb wären. Diverse Anlagen stehen an zur FCKW-Sanierung, zur Anilinsanierun. Das heißt, am Wasserwerk werden die Schadstofffahnen gebündelt. Und das heißt dann wirklich akute Gefahrenabwehr.“
In Berliner Masterplan Wasser, der demnächst fertig sein soll, sind 24 Handlungsfelder aufgelistet. Die Tiefenversalzung, immer neue Verunreinigungen, Spurenstoffe, Medikamentenrückstände und so weiter. „Es ist nicht so, dass wir nicht wissen, dass manche Stoffe eben durch die Barrieren durchgehen bis zum Wasserhahn. Das ist genau der Punkt, an dem wir einhaken müssen, diese Sensitivitäten zu erfassen: Welches Wasserwerk ist besonders betroffen; wie das Wasserwerk Tegel zum Beispiel. Da haben wir schon erhöhte Konzentrationen. Deshalb wird ja in Schönerlinde auch die erste große Spurenstoff-Entfernung auf einem Klärwerk in Berlin gebaut. Ich glaube, am Geld wird es nicht scheitern. Da werden schon einige Milliarden noch ausgegeben werden müssen.“

"Berlin bräuchte eigentlich ein Jahr lang durchgängig Landregen"

Das Wasserwerk Schönerlinde, am nördlichen Autobahnring. Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben überrascht mit der Information, dass die Kläranlagen der Stadt aktuell rund zehnmal mehr Wasser abgeben als Spree und Havel. „Die Region Berlin-Brandenburg ist ohnehin die Sahel-Zone von Deutschland. Das war sie schon immer. Wir haben hier in dem Bereich die geringsten Niederschläge. Und in den letzten Jahren hat das Ganze nochmal einen Turbo bekommen.“ Weniger Regen, und der immer ungleichmäßiger. Dazu viel höhere Temperaturen und entsprechend mehr Verdunstung. Berlin, sagt Natz, bräuchte eigentlich ein Jahr lang durchgängig Landregen.
Blick in Klärbecken, darüber Stege und Rohre
Das Klärwerk Schönerlinde im Norden von Berlin (Deutschlandradio/Tom Schimmeck)
Mit Hingabe erklärt er die bisherigen drei Klärstufen, das System der Rohre, Rechen, Pumpen, Becken. „98 Prozent der Arbeit erledigen bis zu 200 verschiedene, hochspezialisierte Mikroorganismen-Arten, die freilich auch in der freien Natur vorkommen.“ Auf einem Steg geht es über eine perlende, blubbernde Masse. Auf eine Baustelle zu, wo drei neue Klärstufen entstehen. Die sollen Verunreinigungen einfangen, die bislang durchflutschen: Blutfettsenker, Antiepileptika, Röntgenkontrastmittel, bestimmte Reinigungsmittel. Auch Süßstoffe aus sogenannten „Light“-Getränken.

Absicherung des Wasserkreislaufs in Berlin

„Es kommen drei neue Reinigungsstufen hinzu: Eine für den Rest an Stickstoffverbindungen, die ist biologisch. Dann kommt die Ozonung zum Cracken der Spurenstoffe dazu. Und hinter die Ozonung kommt eine sogenannte Flockungsfiltration. Mit der schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Die noch wenigen enthaltenen Phosphorverbindungen im Wasser flocken damit aus. Und daran, an diese Flocken, docken gleichzeitig auch die Abbauprodukte aus der Ozonung an.“ Das Ziel: Möglichst perfekt gereinigtes Abwasser. Das Trinkwasser von morgen.
„Das alles entsteht hier gerade. Das wird das erste der sechs Berliner Klärwerke sein, das mit dieser Technik ausgerüstet wird. Aus dem Gedanken heraus, dass wir hier in Berlin versuchen, da ja nix kommt in den Flüssen und vom Himmel, nix bis zu wenig, den Kreislauf, der ohnehin hier schon sehr eng geschlossen ist, noch weiter abzusichern.“