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Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft

"Forschung, Studium und Lehre sind zivil, dienen friedlichen Zwecken und sind frei von Kooperation mit Rüstungskonzernen und militärischen Akteuren" – so oder ähnlich steht es in den Grundordnungen vieler deutscher Unis. In Kiel hält man jedoch die Zivilklausel für überflüssig.

Von Dietrich Mohaupt | 16.07.2013
    "Forschung, Studium und Lehre sind zivil, dienen friedlichen Zwecken und sind frei von Kooperation mit Rüstungskonzernen und militärischen Akteuren" – so oder ähnlich steht es in den Grundordnungen von gut einem Dutzend deutscher Universitäten. In Kiel sei das schlicht und ergreifend überflüssig, meint der Pressesprecher der Christian-Albrecht- Universität, Boris Pawlowski:

    "Es ist ja nicht so, dass eine Universität wie unsere Militärforschung im engeren Sinne betreibt. Sie ist eine Universität, die weitgehend zivil forscht – schon jetzt – sodass eigentlich im Augenblick kein äußerer Druck da ist, eine solche Klausel einzuführen."

    Der Frieden ist das höchste Gut – so lautet der Wahlspruch im Wappen der Uni.

    "Pax optima rerum – die Studierenden, die diese Zivilklausel fordern, berufen sich ja auch immer auf diesen Wahlspruch - welchen Gewinn vor dem Hintergrund eine Zivilklausel bieten soll – außer einem politischen Statement – das ist die große Frage, und diese Frage haben auch die Befürworter einer Zivilklausel bislang nicht gut beantwortet."

    Eigentlich könne er sie aber ganz schnell beantworten, meint dagegen Ruben Reid. Er koordiniert den Arbeitskreis Zivilklausel an der Uni Kiel. Das Motto der Universität in allen Ehren – aber das reiche eben nicht.

    "Wir wollen ausdrücklich eine Zivilklausel und keine Friedensklausel. Der Unterschied ist eben, dass man bei einer Friedensklausel auch Militärforschung noch durchführen kann unter dem Vorwand, quasi 'friedensstiftend' zu wirken. Unser Ziel ist, dass diese Uni sich anguckt, was wir forschen, was gelehrt wird, und dass wir gemeinsam dann entscheiden, ob das gut so ist."

    Aber genau das geht vielen Lehrenden an der Uni Kiel zu weit. Am deutlichsten hat sich dazu öffentlich der Leiter des Instituts für Sicherheitspolitik, Professor Joachim Krause, geäußert. In einem Zeitungsinterview bezeichnete er die geplante Zivilklausel als "unheilige Inquisition". Bundesweit seien seit Jahren immer wieder die gleichen linken Sektierer am Werk, deren Ziel es sei, den Betrieb an den Universitäten in ihrem Sinn zu steuern oder einfach nur zu stören. Der Politikwissenschaftler hält die angestrebte Zivilklausel für eine Mogelpackung, die nur scheinbar hehre Ziele verfolgt.

    "Tatsächlich ist sie eine Klausel, die Universitätsangehörigen verbieten soll, mit der Bundeswehr zu kooperieren – und die Bundeswehr ist immerhin eine Verfassungsinstitution des Bundes – oder mit der wehrtechnischen Industrie zu kooperieren. Und zudem ist die Zivilklausel auch so gedacht, dass man mit ihr alle Forschungs- und Lehrvorhaben an einer Universität überprüfen soll, ob sie nicht irgendeine militärische Nutzung haben. Und das alles zusammen ist für mich ein Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre, die immerhin durch das Grundgesetz garantiert ist."

    Rund 2,7 Millionen Euro – knapp ein Prozent ihrer Drittmittel-Einnahmen – hat die Uni Kiel in den Jahren 2007 bis 2012 von Bundeswehr und NATO für mehr als zehn verschiedene Projekte erhalten. Dabei sei es unter anderem um Strategieberatung zum Bundeswehrabzug aus Afghanistan oder den Einfluss von Meeressäugern auf U-Boote gegangen – in keinem Fall aber um die Wirkung von Waffen oder ähnliches, betont Uni-Sprecher Pawlowski. Das zeige ganz deutlich: Eine Zivilklausel greift einfach zu kurz.

    "Die Zivilklausel hat das Problem, dass es sehr, sehr schwer ist abzuschätzen: Was ist überhaupt militärische Forschung und was nicht – es gibt keine Systematik bislang dazu, wo die Grenze zu ziehen ist in Streitfällen, in Mischfällen. Es gibt also viele, viele unbeantwortete Fragen und Probleme dabei, sodass man sich vonseiten der Hochschulleitung hier distanziert davon."

    Die Uni Kiel setzt stattdessen auf andere Mechanismen, um den Fragen nach verantwortungsvoller Forschung und Ethik gerecht zu werden. Gerade erst hat der Senat entsprechende Leitlinien verabschiedet und eine Ethikkommission eingesetzt.

    "Es ist eben ein Individualproblem. Jeder Forscher muss das für sich beantworten, was für ihn vertretbar ist und was nicht – zunächst einmal. Und in den Fällen, wo das problematisch ist für ihn, wo er das nicht so recht einzuschätzen weiß, da stellen wir ihm Hilfe an die Seite – in Form einer Ethikkommission, in Form von Leitlinien oder kollegialen Beratungsstrukturen. Das reicht unseres Erachtens aus."

    Und auch die Universität in Münster geht einen anderen Weg in dieser Frage. Auch dort flammt die Diskussion über eine Zivilklausel gerade wieder neu auf. Alle durch Drittmittel finanzierten Forschungsvorhaben müssen auf einem "Fragebogen zum Kriegswaffenkontrollgesetz" kurz dargestellt werden, erläutert ein Sprecher der Hochschule. Tauchen ethische Zweifel auf, bespreche man das mit dem jeweiligen Forscher – im Einzelfall fordere man ihn auch auf, den Vertrag zunächst nicht zu unterschreiben. Das habe sich gut bewährt.

    Trotzdem steht das Thema Zivilklausel morgen in Münster wieder einmal auf der Tagesordnung des Senats der Uni – und auch in Kiel ist es noch längst nicht vom Tisch: Nach den Semesterferien wollen die Initiatoren eine umfassende Diskussion auf dem Campus führen und dem Senat anschließend ein Konzept vorlegen.