Montag, 29. April 2024

10. Sportkonferenz im Deutschlandfunk
Wie nachhaltig kann eine Fußball-EM werden?

Die Organisatoren der EURO 2024 versprechen die nachhaltigste Fußball-EM der Geschichte. Bei der Diskussion auf der Sportkonferenz im Deutschlandfunk zeigte sich, dass dazu mehr gehört als günstige Bahntickets für Fans.

Von Christian Mixa | 09.11.2023
Der EM-Pokal bei der Präsentation für die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland
Die EURO 2024 in Deutschland soll die nachhaltigste EM aller Zeiten werden, so das Versprechen der Organisatoren. (IMAGO / Schüler)
Sportlich hält sich der DFB mit forschen Ansagen zurück, nach der zuletzt mageren Bilanz des Nationalteams bei den vergangenen großen Turnieren. Doch in Sachen Nachhaltigkeit hat der DFB bereits ein großes Versprechen hinterlegt: Die Heim-EM 2024 solle so nachhaltig werden wie keine Europameisterschaft zuvor, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf im Sportausschuss.

EURO 2024 in Deutschland - das Versprechen der nachhaltigsten EM

Die EM in Deutschland, so das Versprechen der Organisatoren, soll nicht nur ökologisch, sondern auch sozial nachhaltig sein - mit Effekten, die bis zum Sportplatz des Dorfvereins zu spüren sind. In der Vergangenheit waren dies oftmals leere PR-Formeln, wie bei der angeblich klimaneutralen WM in Katar, deren CO2-Fußbabdruck geschönt wurde. Oder die WM 2010 in Südafrika, deren sichtbarstes Erbe heute die "weißen Elefanten" sind, teure, kaum genutzte Stadien.
Wie können es die deutschen EM-Organisatoren schaffen, eine wirklich nachhaltigere Großveranstaltung zu veranstalten? Darüber diskutierten die Gäste auf der 10. Deutschlandfunk-Sportkonferenz in Köln.

Günstige Bahntickets für Fans

Der mit Abstand größte CO2-Abdruck, mit zwei Dritteln an der Gesamtemission, entfällt bei der EM auf den Reiseverkehr. Die Organisatoren möchten erreichen, dass bei der EM so viele Fans wie möglich mit der Bahn zu den Spielen reisen. Gemeinsam mit dem "Mobilitätspartner" Deutsche Bahn wird es ermäßigte, deutschlandweit gültige Sparpreistickets geben, dazu eine Art "Interrail-Ticket" für die Anreise aus dem Ausland.
Um die Reisekilometer zusätzlich zu minimieren, wurde der Spielplan so gestaltet, dass möglichst zwei von drei Vorrundenspielen eines Teams innerhalb eines regionalen Clusters stattfinden, erläuterte Thormann, also etwa mit Spielen in Stuttgart und München.
Tim Thormann, ESG-Team EURO2024 GmbH, auf der Deutschlandfunk-Sportkonferenz 2023.
Tim Thormann ist im ESG-Team der EURO2024 in Deutschland und bewertet u.a. die nachhaltige Praxis. (Deutschlandfunk / Lukas Thiele)
"Wir können nur Anreize setzen", sagte Tim Thormann, der bei der Turnier-GmbH für das Nachhaltigkeitskonzept zuständig ist. Thormann räumte ein, dass allen Bemühungen um weniger Flugkilometer und mehr Nachhaltigkeit bei einem internationalen Turnier Grenzen gesetzt seien.
Auch die Teams sind angehalten, zwischen den Spielorten verstärkt mit der Bahn zu reisen. Die Bielefelder Sportwissenschaftlerin Pamela Wicker, die das Nachhaltigkeitskonzept der EURO evaluiert, hält dies für eine wichtige Maßnahme im Nachhaltigkeitskonzept. Die Teams seien während des Turniers über Wochen medial sehr präsent, sagte Wicker auf der Sportkonferenz. "Wenn die französische Nationalmannschaft mit der Bahn durchs Land reist, dann kann dies eine Vorbildfunktion haben."
Pamela Wicker, Sportwissenschaftlerin an der Uni Bielefeld, evaluiert das Nachhaltigkeitskonzept der EURO 2024 von der wissenschaftlichen Seite.
Pamela Wicker, Sportwissenschaftlerin an der Uni Bielefeld, bei der Podiumsdiskussion auf der 10. Deutschlandfunk-Sportkonferenz. (Deutschlandfunk / Lukas Thiele)

Rittmann von Fridays for Future: Zielvorgaben für CO2-Emissionen

Annika Rittmann, Schiedsrichterin und Aktivistin bei Fridays for Future, lenkte den Blick über das Großturnier im Sommer 2024 hinaus. Sie forderte konkrete Zielvorgaben für CO2-Emissionen, so wie jeder Verein Finanzplanung machen müsse. Dies sorge für mehr Transparenz und einen nachhaltigen, sozialen Effekt, sagte Rittmann auf dem Podium in Köln.
"Damit nimmt man Menschen mit, man schafft Beteiligung. Fußball könnte so ein Space dafür sein, weil viele in Vereinen organisiert sind."
Annika Rittmann von Fridays for Future diskutiert bei der 10. Deutschlandfunk-Sportkonferenz 2023 im Podium zur EURO 2024.
Annika Rittmann von Fridays for Future versteht nicht, warum es bei Sport und Nachhaltigkeit auch immer um einen Wettkampf im Sinne von größer, besser, schneller gehen muss. (Deutschlandfunk / Lukas Thiele)
Der DFB, so Rittmann, stehe politisch in der Verantwortung. In einer Zeit, in der massiv Geld im ehrenamtlichen Bereich gestrichen werde, müsse der Verband seinen Einfluss stärker geltend machen. Dies sei ein Nachhaltigkeitsthema, bei dem man "nichts hört vom DFB".
Gerd Thomas vom FC Internationale Berlin appellierte an die gesellschaftliche Verantwortung des DFB für mehr Nachhaltigkeit, abseits der Strahlkraft eines großen Turniers.
Für Gerd Thomas, 1. Vorsitzender vom FC Internationale Berlin, ist es wichtig, so viele Menschen wie möglich beim Thema Nachhaltigkeit mitzunehmen
Gerd Thomas, 1. Vorsitzender vom FC Internationale Berlin, auf der 10. Deutschlandfunk-Sportkonferenz. (Deutschlandfunk / Lukas Thiele)
Die größte Herausforderung sei der Bau und die Nutzung von Sportstätten. Dieses Thema werde von der Politik bislang ignoriert, sagte Thomas, der mit seinem Verein für Nachhaltigkeitsbestrebungen ausgezeichnet wurde. Deshalb sei es die Aufgabe der Verbände, Allianzen und Solidarität zu schaffen. "Wir müssen den Sport anders gestalten. Sport kann so viele Menschen erreichen, die andere längst nicht mehr erreichen."

"EM bei den Vereinen nicht angekommen"

Thomas, Vertreter der Fußball-Basis, kam wiederholt auf die große Distanz zwischen Amateur- und Profibereich zu sprechen. Die EM-Organisatoren hätten es auch bei ihrer Nachhaltigkeitskampagne verpasst, die Vereine mitzunehmen. Mit der x-ten Klima-Nachhaltigkeitserklärung werde man Vereine und Funktionäre nicht erreichen. Man müsse den Vereinen vielmehr erklären, welche Aktivitäten nachhaltig sind und welche Vorteile sie dadurch hätten. Etwa, wie man mehr junge Ehrenamtliche gewinnen könnte. "Die EURO ist bei den Amateurvereinen nicht angekommen. Einige wollen vielleicht Tickets kaufen, aber ansonsten haben die Leute das Gefühl: Wir haben damit nicht viel zu tun."