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Nach dem Fischsterben
Schwierige deutsch-polnische Zusammenarbeit an der Oder

Die Ursache des Fischsterbens in der Oder scheint geklärt zu sein: Niedriger Wasserstand und Abwässer dürften das Wachstum einer giftigen Alge beschleunigt haben. Die politischen Schlussfolgerungen gehen in Polen und Deutschland aber auseinander.

Von Peter Sawicki und Christoph Richter |
Der Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) über den Grenzfluss Oder zur polnischen Stadt Slubice.
Flüsse haben die Fähigkeit, sich selbst zu reinigen, sagen Ökologen. Dazu bedarf es aber konzertierter Maßnahmen, im Falle der Oder vonseiten Deutschlands und Polens (picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Patrick Pleul)
„Es waren grausame Anblicke, mir sind keine Worte mehr eingefallen. Zumal, wir befinden uns im Jahr 2022, leben mitten in der Europäischen Union – Polen ist in der Europäischen Union – und dann passiert so ein Fischsterben, das es hier noch nie gegeben hat.“

75 Prozent Stornierungen infolge des Fischsterbens

Norbert Bartel steht in Frankfurt/Oder auf der Insel Ziegenwerder. Ein kleiner - über Brücken erreichbarer - Flecken. Bartel schaut auf den ruhig dahinströmenden Fluss. Doch der 55-jährige Mann kann sich noch gut an die Augusttage erinnern, als hier tausende tote Fische auf der Oder flussabwärts trieben: „Natürlich war es ein bestialischer Gestank direkt am Fluss. Kann man sich ja vorstellen, wenn Fisch vergammelt. Meines Erachtens waren es Millionen.“
Umweltkatastrophe am Fluss Oder
Tote Fische an einem Wehr im deutsch-polnischen Grenzfluss Westoder (picture alliance/dpa)
Bartel ist Mitglied des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland und der Initiative – „Save Oder Die“. Sie hat sich in der Folge der Katastrophe gegründet. Die Mitglieder eint die Forderung, dass der Fluss nicht weiter zerstört werden dürfe. Bartel betreibt seit 2005 in Kienitz – direkt an der Oder – einen Naturerlebnishof. Kurz nach dem Bekanntwerden des Fischsterbens, sagt er, hatten 75 Prozent der Gäste ihre Buchungen storniert.
Die „Grenzoder“, wie der Fluss auch genannt wird, weil er zwischen Polen und Deutschland verläuft, ist ein gemeinsames Blaues Band. Eine Natur-Idylle, die nun beschädigt ist.

Ursache: Schadstoffeinleitung in die Oder

Bei der Suche nach möglichen Ursachen stießen Fachleute auf die rasante Entwicklung einer giftigen Brackwasser-Alge, der sogenannten Gold-Alge. Die „plausibelste Hypothese…die wahrscheinlichste Ursache“ so steht es im deutschen Expertenbericht zum Fischsterben in der Oder, ist eine:
„…durch die hohen Salzkonzentrationen ermöglichte Massenvermehrung von Prymnesium parvum und der damit assoziierten Toxine…“ (Zitat)
„Man muss betonen, die Ursache ist eine Schadstoffeinleitung in die Oder. Es ist kein Naturphänomen, dass die Fische gestorben sind“, erklärt Gewässerökologe Martin Pusch vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei.
„Es wurde massiv Salzlake in die Oder eingeleitet, über einen Zeitraum von über einer Woche. Und dann hat sich in dieser Salzwolke eine Massenentwicklung der Alge Prymnesium entwickelt, die auch starke Toxine entwickelt hat. Das ist die unmittelbare Ursache des Tods, aber ohne Einleitung des Salzes wären die Fische nicht gestorben. Das ist ganz wichtig zu betonen.“

Multikausales Ereignis: Extremes Niedrigwasser kam hinzu

Indikator für die im Wasser gelösten Salze ist die Leitfähigkeit, sie wird in Mikrosiemens gemessen. Am Messpunkt in Frankfurt/Oder lag sie am 24. Juli – also kurz vor der Katastrophe noch bei 1.300 Mikrosiemens. Nur wenige Tage später stieg sie ungewöhnlich stark an. Am 5. August erreichte sie einen Spitzenwert und lag bei knapp 2.000 Mikrosiemens.
Hinzu kamen jedoch weitere Faktoren – etwa ein Missverhältnis zwischen der Menge des eingeleiteten Salzes und der Wassermenge im Fluss. Die Oder hatte im Sommer extremes Niedrigwasser geführt, mit 25 Grad Celsius war es zudem außerordentlich warm. Ein multikausales Ereignis also – ergänzt Christian Wolter, Fisch- und Fließgewässerökologe, auch er arbeitet beim Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei:
„Was unser Labor festgestellt hat, ist, dass diese Salzfracht eben auf Kochsalz, auf Natriumchlorid zurückzuführen ist. Und ich habe in dem Zusammenhang gelernt, dass Kochsalz in so vielen industriellen Prozessen Verwendung findet, dass da eine ganze Reihe von Industrien als potentieller Einleiter in Frage kommen.“
Die hohe Salzkonzentration in der Oder sei kein einmaliges Ereignis, seit 2011 sei ein Anstieg zu verzeichnen, so Wolter weiter.

Polnischer Ökologe: Oder habe gute Fähigkeit zur Selbstreinigung

Auf der polnischen Seite der Oder lässt sich Dominik Dobrowolski nicht entmutigen. Der Ökologe aus Wroclaw war vor kurzem auf der Oder im Kajak unterwegs. Er will Spenden in Höhe von 100.000 Zloty, etwa 20.600 Euro, sammeln, um damit Fische in die Oder zu bringen.
Dobrowolski wollte aber auch den Zustand des Flusses inspizieren: „Die gute Nachricht ist – auf 500 Kilometern Strecke habe ich nicht einen toten Fisch gesehen. Speziell im deutsch-polnischen Grenzgebiet der Oder Richtung Szczecin gab es viele fischfressende Vögel – Kormorane, Reiher und Kraniche. Jeden Tag habe ich bis zu 12 Stunden im Kajak verbracht, habe den Fluss intensiv beobachtet. Ich kann also etwas verkürzt sagen – die Oder lebt.“
Blick vom Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) (Brandenburg) am 12.09.2016 auf eine große Sandbank die im Niedrigwasser der Oder zu sehen ist.
Trockenheit an der Oder (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
Auf seiner zweiwöchigen Reise hat Dobrowolski mit Kommunalpolitikern und Anwohnern der Oderregion gesprochen. Der Fluss sei in gewisser Weise stigmatisiert, viele Menschen mieden das Wasser. Er betont, dass die Oder eine gute Fähigkeit zur Selbstreinigung habe – aber nur, wenn man sie nicht übermäßig verunreinige. Der offizielle polnische Bericht zur Ursache des Fischsterbens, so der Ökologe, trage dazu aber kaum bei.

Ökologe Dobrowolski kritisiert polnischen Abschlussbericht

In einer über einstündigen Pressekonferenz präsentierte Ende September das von der PiS-Regierung einberufene Expertenkomitee vorläufige Ergebnisse. Haupterkenntnis war – ähnlich wie in Deutschland – dass die sogenannte Goldalge die unmittelbare Ursache für das ökologische Sterben in der Oder gewesen sei. Die polnischen Fachleute sprachen dann jedoch primär über die Charakteristika dieser Spezies, machten gar eine wissenschaftliche „Pionierleistung“ bei der zügigen Erforschung der Alge aus. Warum sie in der Oder so zahlreich auftreten konnte, wurde allenfalls angedeutet. Es war die Rede davon, dass der Fluss in einem schlechten ökologischen Zustand sei, so liege der Salzgehalt in Teilen Schlesiens ähnlich hoch wie in der Ostsee. Und ein erneutes Aufblühen der Alge sei deshalb denkbar.
Doch laut Dominik Dobrowolski, dem Ökologen aus Wroclaw, fehlt im Bericht Entscheidendes. Wohl auch, weil die Auftraggeber daran kein Interesse hätten, wie er sagt:
„Natürlich ist der Bericht politisch gefärbt, denn die Regierung hat ihn erstellen lassen. Einige Informationen im deutschen und polnischen Bericht sind ähnlich. Gleichwohl benennt man in Polen nicht die Schuldigen – also Bergwerke und andere, die übermäßig salzhaltiges Wasser einleiten. Der Oderausbau wird nicht einmal erwähnt. Insgesamt ist es ein schwaches Dokument, das keine Handhabe bietet, um eine ähnliche Katastrophe künftig zu verhindern.“

Polnische Bergwerke pumpen salzhaltiges Wasser in die Oder

Dass der polnische Bergbau eine Hauptquelle des Fischsterbens sei – davon ist nicht nur Dominik Dobrowolski überzeugt. Auch andere polnische Experten verweisen auf den hohen Salzgehalt der Abwässer der Bergwerke. Einzelne Betriebe pumpen laut Medienberichten jährlich bis zu 20 Milliarden Liter salzhaltiges Wasser in die Oder - bei niedrigem Wasserstand, wie in diesem Sommer, besonders fatal.
In den Fokus ist zum Beispiel der Konzern KGHM geraten, der unter anderem Kupfer abbaut. Eine KGHM-Sprecherin wies gegenüber dem Sender TVN24 jedoch sämtliche Vorwürfe zurück:
„In der Tat leiten wir Wasser in die Oder ein. Aber kein reines Grubenwasser, wir haben Rückhaltebecken. Zudem können wir selbst mit unserer genialen Technologie Abwässer kaum flussaufwärts pumpen, wo tote Fische zuerst entdeckt wurden. Bei unseren Abwässern halten wir uns an Regularien. Und in diesem Jahr war die Menge ohnehin geringer als vor einem Jahr.“
Weil KGHM außerdem ein großes Unternehmen sei, seien auch behördliche Kontrollen strenger. Dieser Aussage widersprechen Berichte in der liberalen, regierungskritischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“. KGHM sei demnach wohlwollend behandelt worden, trotz des dringenden Verdachts übermäßiger Einleitungen.
Auf seinem Höhepunkt hatte das Fischsterben in Polen Empörung ausgelöst. Ein Vertreter der Warschauer PiS-Regierung und der Chef der Wasserbehörde, Przemyslaw Daca bekamen das zu spüren. Im Ort Cigacice wurden sie Mitte August von aufgebrachten Anwohnern zur Rede gestellt. Daca hatte einräumen müssen, schon Ende Juli über erste Fälle verendeter Fische Kenntnis gehabt zu haben, die in der Nähe von Wroclaw aufgetreten waren. Vorbeugende Maßnahmen wurden aber erst deutlich später eingeleitet.

Premier Morawiecki geriet politisch unter Druck

Daca war einer von zwei Behördenchefs, die Polens Premier Mateusz Morawiecki absetzte. Auch er selbst geriet politisch unter Druck und versprach Aufklärung. Doch schon bald ging er mit gewagten Aussagen in die Gegenoffensive und attackierte nebenbei die Opposition: „Die Panikmache vor allem durch Donald Tusk war ein Schwindel, nachdem die Oder angeblich von Quecksilber durchseucht sei. Immer mehr deutet auf eine natürliche Ursache des Fischsterbens hin, ohne Einfluss chemischer Substanzen. So etwas kommt leider vor.“
Steffi Lemke (l., Grüne), Bundesumweltministerin und ihre polnische Amtskollegin Anna Moskwa sprechen vor Beginn des Deutsch-Polnischen Umweltrats über die Situation am Fluss Oder
Steffi Lemke (l., Grüne), Bundesumweltministerin und ihre polnische Amtskollegin Anna Moskwa sprechen vor Beginn des Deutsch-Polnischen Umweltrats über die Situation am Fluss Oder (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
Umweltministerin Anna Moskwa schlug ähnliche Töne an, vor allem Richtung Deutschland. Zwischenzeitliche Hinweise auf Pestizide seien „Fake News“, schrieb die Ministerin auf Twitter – in einer Phase, in der beide Länder eigentlich gemeinsam das Fischsterben aufarbeiten wollten.
Die bilateralen Verstimmungen spielten in der politischen Diskussion in Polen dennoch eine untergeordnete Rolle. Zumeist richtete sich der Blick nach innen. So nannte die Opposition im Sejm die Wasserbehörde einen „Moloch“, der ineffektiv arbeite. In der Tat kann sie zwar Lizenzen für Industrieabwässer an Firmen vergeben. Für Kontrollen ist jedoch eine andere Behörde zuständig.

Kritiker vermuten Vertuschungen vonseiten polnischer Behörden

Verdächtig wirkte auf Kritiker auch die Abberufung des Staatsanwalts, der mögliche kriminelle Taten im Zusammenhang mit dem Fischsterben untersuchte. Sie erfolgte ohne Begründung.
Oppositionspolitiker wie Bartlomiej Sienkiewicz sahen darin ein Muster: „Der Ablauf der Ereignisse lässt den Schluss zu, dass man etwas verbergen will. Die ersten Laborproben gab es erst nach zwei Wochen. Dabei müsste man wie bei Viren vorgehen. Je näher man am Patienten Null ist, desto besser kann man die Krankheit eindämmen.“
Auch in der Bundesrepublik wirkt der Ärger über das Vorgehen polnischer Behörden nach. Erst spät wurde die deutsche Seite über tote Fische und eine möglicherweise giftige Substanz in der Oder informiert. Unmut ist vor allem auf Landesebene zu vernehmen.
Als Vertreterin der Bundesregierung klingt Umweltministerin Steffi Lemke dagegen eher wie eine Diplomatin: „Mir ist wichtig zu betonen: Es geht nicht um das Finger-Zeigen auf irgendjemanden, sondern darum, dass wir ein generelles Problem beheben müssen.“

Aus gemeinsamem deutsch-polnischen Bericht wurde nichts

Ursprünglich sollte eine deutsch-polnische Expertengruppe den Abschlussbericht zu den Ursachen und Folgen der Katastrophe in der Oder vorstellen. Das Bundesumweltministerium sagt jetzt, dass von vornherein wohl von keinem gemeinsamen Bericht auszugehen war. Doch im Hintergrund ist von einer desaströsen Zusammenarbeit zu hören. Daten wurden spät oder gar nicht übermittelt. Weshalb es schon auf deutscher Seite heißt, die Aufarbeitung des Fischsterbens an der Oder sei ein Zeugnis des deutsch-polnischen Zerwürfnisses.
Lemke versucht jetzt, nach vorn zu blicken. Um aus dem Fluss wieder ein naturnahes Biotop zu machen, brauche es ein grenzüberschreitendes Register aller Industrieabwässer, die in die Oder geleitet werden. Auf der deutschen Seite existiere so etwas bereits, unterstreicht die grüne Ministerin:
„Das kann nicht aus Deutschland verordnet werden, sondern wir müssen gemeinsam klären, wie wir unsere Gewässer in Zeiten der Klimakrise schützen. Hätten wir früher Informationen über die aktuelle Katastrophe an der Oder erhalten, hätten wir besser reagieren können. Das heißt, hier muss die grenzüberschreitende Zusammenarbeit definitiv verbessert werden.“

Umweltministerin Lemke: Grenzüberschreitendes Register für Industrieabwässer

Die Einleitung von Abwässern ist aber nur ein strittiger Bereich, wo wirtschaftliche Interessen dem Schutz der Oder entgegenstehen. Auch der Ausbau des Flusses für die Schifffahrt wird in Deutschland und Polen derzeit unterschiedlich betrachtet. Der Oderausbau ist eigentlich ein europäisches-, ein EU-Thema: So hat die Fraktion der Grünen im Europa-Parlament ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Demnach verstößt der Ausbau gegen das Verschlechterungsverbot der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Zudem sei er mit den Vorgaben zum europäischen Gebietsschutz der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, mit dem europäischen Artenschutz, nicht vereinbar.
Doch in Polen wurde mit dem Ausbau bereits begonnen, etwa in der Grenzstadt Słubice gegenüber Frankfurt/Oder. Querbauwerke, sogenannte Buhnen, ragen dort in die Mitte der Oder. Grundlage dafür ist das deutsch-polnische Abkommen aus dem Jahr 2015 „über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet.“ Daran festzuhalten sei der falsche Weg, sagt Steffi Lemke. Die Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushalts müsse ganz oben auf die Agenda.

Europäische Grüne: Oder-Ausbau verstößt gegen EU-Richtlinie

Juristische Schritte gegen den polnischen Beschluss zur Oderregulierung blieben bisher ohne Erfolg. Das Brandenburger Umweltministerium und auch Umweltverbände haben gegen den Oder-Ausbau Widerspruch eingelegt. Er wurde Mitte August abgewiesen. Derzeit prüfe man das weitere Vorgehen, heißt es in der Brandenburger Landesregierung.
Weniger eindeutig ist die Haltung der Bundesregierung. Ein Sprecher des FDP-geführten Verkehrsministeriums schreibt auf Anfrage des Deutschlandfunks, dass man zur „Verbesserung der Schiffbarkeit im Sinne einer Stabilisierung der verkehrlichen Situation und auch zur Umsetzung des Internationalen Hochwasserrisikomanagementplans“ beitragen wolle:
„Aus deutscher Sicht enthält das Abkommen maßvolle Instandsetzungsmaßnahmen vorhandener Buhnen, die die Oder als Verkehrsweg betreffen und der Gewährleistung des Eisaufbruchs dienen (… ). Ein verkehrlicher Ausbau im Sinne einer geänderten Wasserstraßenklasse ist seitens der Bundesrepublik nicht angestrebt.“
Doch wie man nun beim Bund hinsichtlich des Ausbaus der Oder weiter verfahren werde, dazu ist nichts Konkretes zu erfahren.
Martin Pusch vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei hofft, dass die Umweltkatastrophe zu einem grundsätzlichen Umdenken führt. Gegenwärtig könne von keinem guten Zustand die Rede sein. Wenn man die Oder aber als naturnahen Fluss erhalten wolle, müsse man den Oder-Ausbau zur großen Wasserstraße stoppen. Nur so gebe es die Chance, dass die Oder wieder zu einem Natur-Idyll wird:
„Was uns optimistisch stimmt, dass wir in der Vergangenheit ja auch in der Lage waren, die Wasserqualität der meisten Flüsse Deutschlands sehr stark zu verbessern. In Westdeutschland waren die Flüsse bis in die 1970er-Jahre ja dramatisch verschmutzt, in Ostdeutschland bis 1990. Und durch massive Investitionen in die Kläranlagen, in andere Reinigungsmechanismen wurden die Flüsse eben in die Lage versetzt, auch sich selbst wieder zu reinigen. Die meisten Fische sind wieder zurückgekommen.“

Polen will den Oder-Ausbau nicht stoppen

Das wünscht sich auch der Ökologe Dominik Dobrowolski aus Wroclaw. Dafür sei es notwendig, die Aufmerksamkeit für das Thema in Polen zu erhalten.
In politischen Diskussionen spielt das Fischsterben derzeit kaum mehr eine Rolle. Doch spätestens im kommenden Frühjahr, wenn es wärmer wird, könnte die Oder wieder stärker in den Fokus rücken. Um sie ernsthaft zu schützen, fordert Experte Dobrowolski wirksame Regeln und Kontrollen:
„Es braucht eine flächendeckende Überwachung der Wasserqualität im Fluss. Insbesondere dort, wo viele Industrieabwässer eingeleitet werden. Und zwar vor und nach einer Einleitung, um schnell feststellen zu können, ob Richtlinien umgangen werden. In diesem Zusammenhang müssen sämtliche Lizenzen zum Abführen von Abwässern überprüft werden. Außerdem – und das ist wichtig – muss die Menge der Abwässer an den Wasserpegel gekoppelt werden.“
Den Oderausbau lehnt auch Dobrowolski ab. In Warschau hält man dagegen daran fest. Die Oder sei für Polen als Wirtschaftsfaktor unverzichtbar, sagt zum Beispiel die polnische Wasserbehörde. Die PIS-Regierung argumentiert, dass der Ausbau die Sicherheit rund um den Fluss erhöhe.

Ökologe hofft auf eine bessere deutsch-polnische Zusammenarbeit

Sie bezieht sich dabei vor allem auf die verheerende Oderflut aus dem Jahr 1997, als etwa in Wroclaw zeitweise 40 Prozent der Stadt unter Wasser standen. Aus diesem Trauma habe man nach Meinung von Dominik Dobrowolski aber die falschen Schlüsse gezogen – denn den Hochwasserschutz erhöhe der Ausbau nicht, so der Experte.
Dobrowolski bedauert zudem, dass eine echte deutsch-polnische Zusammenarbeit an der Oder kaum existiere. Dennoch ist er überzeugt, dass beide Länder in diesem Bereich zueinander finden. Deutschland und auch Polen, so der Experte, hätten schließlich ein Interesse an ökologischen Lösungen für die Oder.