Sonntag, 12. Mai 2024

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Stichwahl in Frankreich
"Medien tragen große Verantwortung für diesen Wahlkampf"

Emmanuel Macron bleibt französischer Präsident, doch auch seine Konkurrentin Marine Le Pen sieht sich selbst als Siegerin. Die rechtsextreme Politikerin wurde von konservativen Medien unterstützt, öffentlich-rechtliche Medien hätten den rassistischen Positionen wenig entgegengesetzt, kritisiert der Journalist Nils Minkmar.

Text: Michael Borgers | Nils Minkmar im Gespräch mit Mirjam Kid | 25.04.2022
Marine Le Pen steht lachend in einer Menschenmenge, umgeben auch von zahlreichen Journalisten
Marine Le Pen steht lachend in einer Menschenmenge, umgeben auch von zahlreichen Journalisten (picture alliance/dpa/MAXPPP)
Es war ein ungewöhnlicher Schritt für Frankreich: Am Tag vor der Stichwahl um das Präsidentenamt sprachen sich zahlreiche Medien ausdrücklich für eine Wahl des Amtsinhabers aus. "Es gibt am Sonntag nur eine Art dazu beizutragen, dass verhindert wird, dass die Kandidatin einer rechtsextremen Partei, Marine Le Pen, an die Macht kommt: ihren Gegner Emmanuel Macron wählen“, hielt etwa die Tageszeitung „Le Monde“ fest.

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Die konzertierte Aktion war auch deshalb bemerkenswert, weil Medien in den Monaten zuvor entscheidend dazu beigetragen hatten, dass Le Pen überhaupt erst so erfolgreich werden konnte. So zumindest bewerten Frankreichkenner wie Ulrich Wickert die Rolle der Medien im Wahlkampf. Der frühere Paris-Korrespondent der ARD sagte im Deutschlandfunk , die großen Zeitungen und Fernsehsender hätten der Kandidatin des Rassemblement National die Chance gegeben, „sich als eine liebe Mutter von rechts zu zeigen“.
Der politische Diskurs im Land habe sich „deutlich nach rechts verschoben“, kommentierte WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni in den „Tagesthemen“. Le Pen sei gelungen, was ihrem Vater verwehrt geblieben sei, so Ehni, „als präsidententauglich zu gelten mit gleichwertigen politischen Zielen".  

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Minkmar: Medien tragen große Verantwortung

„Es gibt einen Gewöhnungseffekt und eine Verharmlosung“, findet Nils Minkmar. Der deutsche Journalist der „Süddeutschen Zeitung“ mit französischer Staatsangehörigkeit war seit Wochen vor Ort. Und hat dabei beobachtet: Viele Franzosen seien inzwischen an den Namen Le Pen gewöhnt und würden dadurch oft ihren rechtsextremen Kontext vergessen.
Außerdem hätte die 53-Jährige auch dieses Mal diese Inhalte gar nicht so sehr selbst thematisieren müssen. Das hätte der „noch rechtere“ Kandidat Éric Zemmour übernommen. Und auf diesen Zug seien Medien in Frankreich „komplett aufgesprungen“, so Minkmar. Er kritisiert deshalb im Deutschlandfunk: „Die Medien in Frankreich tragen eine ganz große Verantwortung für diesen Wahlkampf.“

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Inhaltlich habe sich die politische Auseinandersetzung so vor allem um Thesen einer Überfremdung gedreht. „Ein Wahlkampf, der von Rassismus geprägt war.“ Auch öffentlich-rechtliche Medien haben sich Minkmar zufolge „schwach und feige gezeigt“ und „einem rassistischen Wahnsinn viel Raum gegeben“.

Medienmogul Bolloré und sein Einfluss

Dabei sei Frankreichs Medienlandschaft einmal so etwas sie eine „Insel der Seligen“ gewesen, hatte Minkmar bereits kurz vor der Wahl in dem Podcast „quoted“ festgehalten. Mit einem Staat, der stets ein wachsames Auge für Fehlentwicklungen gehabt habe. Und einer Politik, die nicht unter dem Druck einer starken Boulevardpresse gestanden habe.
Weite Teile der privaten Presse und Fernsehanstalten befänden sich inzwischen allerdings "in Händen von konservativen Milliardären“, ergänzt Ulrich Wickert. Beispielsweise habe Vincent Bolloré den Fernsehsender CNews „in eine Art Fox News gedreht“. Mit seinem Medienkonzern habe Bolloré die Berichterstattung geprägt und mache Kritiker mundtot gemacht, hatte es bereits Anfang des Jahres bei tagesschau.de über „Frankreichs mächtigen Medienmogul“ geheißen. Noch bis 2021 war Éric Zemmour für CNews als TV-Moderator aktiv.

Fehlende Diversität in den Medienhäusern

Zwar gebe es in Frankreich noch immer eine "gute Lokalpresse", sagt Nils Minkmar. Insgesamt habe Frankreich aber das Problem eines Journalismus, der zu sehr "pariszentriert" sei, was bei der Wahl ebenfalls eine Rolle gespielt habe.
Die Mitarbeitenden der französischen Medienhäuser kämen selten aus der Provinz oder Migrationsmilieus, so der SZ-Journalist. "Das ist noch weit geschlossener als in Deutschland".