EURO 2024
Wirtschafts-Schub durch Fußball-EM mehr Wunsch als Realität

Die Hoffnung hält sich hartnäckig: Ein großes Sport-Event soll zwangsläufig auch die Wirtschaft im Land ankurbeln. Mit diesem Mythos räumt Wissenschaftler Matthias Fett im Dlf-Gespräch auf. Er betont, es gebe bei einer EM sogar negative Effekte – bei einer WM sei das hingegen anders.

Matthias Fett im Gespräch mit Astrid Rawohl |
Deutschland-Fans drängen sich beim Public Viewing in der Fanzone in München und schauen das Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft.
Die Fanzonen in den Gastgeberstädten waren beim EM-Eröffnungsspiel gut gefüllt. Allerdings fließt der Löwenanteil der Einnahmen an den europäischen Fußballverband UEFA. (IMAGO / Bihlmayerfotografie / IMAGO / Michael Bihlmayer)
Der sportliche Sieger der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland steht noch nicht fest, schließlich hat das Turnier gerade erst begonnen. Dennoch gibt es schon einen großen Gewinner der EURO 2024: die UEFA. Der europäische Fußballverband rechnet als Veranstalter des Turniers mit einem Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro.
Auf der anderen Seite steht in dieser UEFA-Rechnung der Ausrichter. Nach Recherchen des ZDF und des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" kostet die Fußball-EM den deutschen Steuerzahler 650 Millionen Euro. Alleine auf die Ausrichterstädte kommen laut "Correctiv.Lokal" und "FragDenStaat" 295 Millionen Euro an Kosten zu. Teile der UEFA-Gewinne gehen nach dem Turnier übrigens an die europäischen Fußballverbände – an die Städte fließt nichts zurück.

Fußball-EM: Schub für deutsche Wirtschaft ist Wunschtraum

In Deutschland hält sich dennoch hartnäckig die Hoffnung, dass die Wirtschaft vom Turnier profitieren kann. So sagte etwa Stephan Keller (CDU), Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, zuletzt gegenüber der Tagesschau: "Wir glauben, dass wir wirtschaftlich von diesem Turnier profitieren werden, denn es kommen Hunderttausende Menschen in unsere Stadt, die hier Geld ausgeben werden."
Doch ist diese Hoffnung auf einen Wirtschaftsschub für die Hotel-, Gastronomie und Veranstaltungsbranche in Deutschland begründet oder nur ein Wunschtraum?
Dr. Matthias Fett, Dokumentar beim SPIEGEL, erklärt dazu: "Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Fußball-Europameisterschaften sich positiv auf die Wirtschaft des Gastgeberlandes auswirken. In der Vergangenheit lag der Effekt einer EM auf das Wirtschaftswachstum bei einem Dreiviertel-Prozentpunkt im Minus. Das heißt, selbst wenn die Wirtschaft gewachsen ist, hat die Fußball-EM einen negativen Effekt ausgelöst."
Fett, der sich seit rund zehn Jahren mit der Frage beschäftigt, ob ein Großturnier der Wirtschaft zuträglich ist, ergänzt: "Die UEFA pocht auf bestimmte Steuererleichterungen. Die Umsätze, die während der EM im Rahmen des Turniers geschehen, kommen dem deutschen Staat nicht so zugute." Natürlich könnte die Wirtschaft etwa durch ausgebuchte Hotels profitieren. "Aber den letztendlichen Effekt kann man wohl erst danach feststellen."

Warum eine Fußball-WM wirtschaftlicher als eine EM ist

Diese Einschätzung passt nicht wirklich zum Versprechen der DFB-Verantwortlichen im Vorfeld der EM, niemand werde ein Minus machen und Steuereinnahmen würden sprudeln. Der Deutsche Fußball-Bund dachte dabei wohl auch an die Weltmeisterschaft 2006 zurück, das "Sommermärchen" im eigenen Land. Damals stieg das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf um 1,6 Prozent.
"Der Unterschied ist, dass es sich um eine Weltmeisterschaft gehandelt hat. Das insgesamte Pro-Kopf-Wachstum lag 2006 sogar höher", erklärt Volkswirtschaftsexperte Fett. "Die Fußball-WM hat laut meinem Modell aber 1,6 Prozent dazugesteuert, was ein enormer Effekt ist. Das ist darin begründet, dass die FIFA in diesem Zeitraum – seit 1990 bis 2006 – profitabel für die Gastgeberländer war."
Matthias Fett unterstreicht dabei: "Die Fußball-Europameisterschaft ist leider nur das zweitgrößte Fußballspektakel der Welt. Dementsprechend ist die Motivation der Gastgeberländer anders als bei der Organisation einer FIFA-Fußball-WM. Die Kosten für die Organisation einer WM sind mittlerweile schon im zweistelligen Milliardenbereich."
Demgegenüber investiert Deutschland nun "nur" einen dreistelligen Millionenbetrag. Denn im Vordergrund standen keine Stadion-Neubauten und weitergehende Infrastrukturmaßnahmen, wie es bei Weltmeisterschaften üblicher ist. Für die EM in Deutschland ging es vor allem um die Modernisierung bestehender Arenen und Verkehrsanlagen. Außerdem müsse sich Deutschland laut Matthias Fett nicht - wie etwa 2006 bei der WM - mit einer großen Image-Kampagne den europäischen Nachbarn vorstellen.
Er erklärt: "Wenn man weniger in das Turnier reinsteckt, kann man sich natürlich auch weniger Impulse aus dieser EM erhoffen."

jti