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Sponsoren
Wie man zur mehr Ethik im Geschäft kommt

Für etwa zwei Drittel der Fußballfans sind Moral und Ethik bei den Sponsoren wichtige Werte. Nur für drei Prozent spielen diese Werte keine Rolle. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von FanQ aus dem vergangenen Jahr. Bei vielen Sportorganisationen stehen diese Werte aber noch nicht oben auf der Agenda.

Von Piet Kreuzer | 01.05.2022
Nach jahrelanger Partnerschaft beendete Schalke 04 die Zusammenarbeit mit Hauptsponsor Gazprom als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Der russische Staatskonzern war seit 2007 der wichtigste Geldgeber des Traditionsklubs.
Nach jahrelanger Partnerschaft beendete Schalke 04 die Zusammenarbeit mit Hauptsponsor Gazprom als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Der russische Staatskonzern war seit 2007 der wichtigste Geldgeber des Traditionsklubs. (dpa / picture alliance / Federico Gambarini)
"Passend zum Zeitgeist glaube ich an die neue europäische Gesellschaft, dass da einfach verstärkt Dinge hinterfragt werden", Tim Ströbel von der Universität Bayreuth ist Experte in Sachen Sponsoring. Er glaubt, "dass man hier auch als Sportorganisationen mehr tun muss, als nur darüber nachzudenken, sondern dass man hier definitiv zum Handeln aufgefordert ist."
Bei vielen Inhabern der Marketingrechte ist das aber noch nicht angekommen. Bestes Beispiel: Bayern München. Der Verein streitet sich mit seinen eigenen Fans über den Vertrag mit Qatar Airways. Die Jahreshauptversammlung im September 2021 eskalierte.
"Ja, zunächst ist es richtig wir haben mit Qatar Airways den Vertrag, der noch bis Ende 2023 läuft. Und wir haben sehr, sehr klare Kriterien, an denen wir solche Partnerschaften ausrichten und nicht nur Kriterien, sondern es gibt ganz, ganz klare Compliance-Anforderungen."

Gazprom ersetzt SOCAR

Am Ende wurde die Debatte abgebrochen über Qatar Airways, auch Top-Sponsor der UEFA. Dass die Europäische Fußball-Union nicht sonderlich auf die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Sponsoren achtet, zeigt auch der Fall SOCAR.
Wenige Monate vor der EM, die auch in Baku gespielt wurde, beendete man zwar das Sponsoring mit dem aserbaidschanischen Unternehmen. Aber nicht wegen dessen Propaganda im Krieg gegen Armenien, sondern aus finanziellen Gründen. Ersetzt wurde SOCAR durch Gazprom.
Ein anderes Beispiel: Bei der Copa America waren drei der vier Turniersponsoren aus China. Unter anderem der chinesische Impfhersteller Sinovac, der 50.000 Dosen Impfstoff für das Turnier gespendet hat.

Sportpolitischer Druck über Sponsoren

Für den Sportökonomen Simon Chadwick ein Paradebeispiel für den Zusammenhang von wirtschaftlicher und politischer Macht. Über diese Verbindungen wird sportpolitisch Druck ausgeübt. Der könnte sich dann auszahlen, wenn die Vergabe der Fußball-WM 2030 ansteht - China hat großes Interesse, meint Chadwick:
"Da geht es nicht um Softdrinks und Hamburger, sondern da geht es um mehr. Diese Art von Sponsoring gehört zur Diplomatie. Im Fall von Sinovac können wir sehen, der Impfstoff ist ein wichtiger Teil der chinesischen Diplomatie."
Die Sportorganisationen müssen sich ändern, damit Ethik keine Worthülse bleibt.
"Ich glaube eben, dass das die Aufgabe des Sportmanagements in Zukunft sein muss, dass man sich hier mit diesen Fragen auseinandersetzen muss und das Ganze dann eben auch in Einklang bringen muss mit einem Marketing, mit einem Sponsoring, mit der Finanzierung des Sports sozusagen", meint der Sponsoringexperte Ströbel.

Eigene Richtlinien für die Sponsorenauswahl

Christoph Lütge, Wirtschaftsethiker von der TU München, empfiehlt, dass Sportorganisationen noch weiter gehen und eigene Richtlinien für sich aufstellen, nach denen die Sponsoren ausgewählt werden, die überhaupt in Betracht kommen.
"Zum Beispiel müssen diese und jene Aspekte berücksichtigt werden, und da kann man dann über Menschenrechte sprechen. Da kann man auch über die Nachhaltigkeit sprechen."
Diese Debatte ist zwar nicht neu, die Konflikte mit Sponsoring aus verschiedenen Ländern existiert schon viele Jahre, aber auch beim "Zukunftsthema" Nachhaltigkeit seien viele im Sport unbedarft und ohne Strategie, erklärt auch Sponsoring-Experte Ströbel.
"Und das ist, glaube ich, eine konkrete Aufgabenstellung, die man hier für die nächsten Jahre haben wird, um sich darüber eben wieder auch entsprechend attraktiv für Sponsoren, für Medien, für die Öffentlichkeit auch zu positionieren und hier auch klar entsprechende Inhalte und Werte zu vertreten."

Speziell Deutschland schneidet schlecht ab

"Das ist eben nicht mehr nur, ich lege eine Bilanz vor mit den nackten Zahlen, was habe ich eingenommen? Was habe ich ausgegeben?", ergänzt Wirtschaftsethiker Lütge. Es brauche im Sport auch die Standards, die es in der Wirtschaft sonst gebe.
"Da muss ich über Sponsoren, Umgang mit Sponsoren reden und viele Dinge auch über das, was ich selber eben für die Gesellschaft tue."
Wichtig sei dabei vor allem Transparenz gerade in Bezug auf Sponsoren aus sogenannten kritischen Ländern. Das heißt, Verbände und Vereine müssen nicht Sponsoring aus diesen Ländern prinzipiell ausschließen, sie müssen aber klar benennen, warum sie was tun, so der Ethiker. Gerade Deutschland schneide im internationalen Vergleich schlecht ab.  
"In England haben große Vereine eine viel, viel professioneller Berichterstattung, und da steht drin wie gehen wir mit Sponsoren aus diesen Ländern um? Das heißt noch nicht, dass sich jetzt das nicht machen darf, dieses nicht machen darf, sondern einfach nur, dass ich auch sage, was ich tue. Und ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig. Es fehlt in Deutschland häufig an diesem Ich sage es und dann tue ich es, sondern man versucht häufig, immer noch, mit so einer Art gemauschelt, durchzukommen, sage ich mal ein bisschen überspitzt. Und da muss man, glaube ich, nacharbeiten."