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Parteiverbotsverfahren
Warum die NPD nicht verboten wurde

Vor zehn Jahren beschloss der Bundesrat, in Karlsruhe ein zweites Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD anzustrengen. Es scheiterte - doch die damals aufgeworfenen Fragen sind weiter aktuell, auch mit Blick auf die Entwicklung der AfD.

Von Norbert Seitz | 04.12.2022
Karlsruhe, 17. Januar 2017: Verfassungsrichter um Andreas Voßkuhle (2.v.l.) bei der Bekanntgabe der Entscheidung gegen ein Verbot der NPD
Zwei Verbotsversuche sind 2003 und 2017 in Karlsruhe gescheitert. Das letzte Parteiverbot in Deutschland wurde vor 66 Jahren ausgesprochen. (picture alliance / AP Photo / Uli Deck)
„Wir wollen heute ein Zeichen setzen, ein Zeichen für uns selber und ein Zeichen für unser Land, ein Zeichen aber auch für all unsere Nachbarn und Freunde in der Welt, die sich wie wir Sorgen machen über Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache.“
Mit diesen mahnenden Worten trat Bundespräsident Johannes Rau am 9. November 2000 auf einer Großdemonstration in Berlin vor die Öffentlichkeit. Die Veranstaltung war von der Bundesregierung organisiert worden, um „ein Zeichen gegen rechts“ zu setzen. 200.000 Menschen waren dem Aufruf gefolgt. Anlass war eine Welle von rassistischen Taten sowie Anschläge auf die Synagogen in Düsseldorf und Berlin.
„Wir haben die Schnauze voll von diesen hirntoten Zombies. Wir wollen keinen einzigen Neonazi mehr auf deutschem Boden sehen“, gab einer der künstlerischen Protagonisten der Großdemo, der Sänger Udo Lindenberg, die kampfbereite Stimmung wider.
Von nun an sollte gegen die rechtsextremistischen Exzesse mehr geschehen als bisher. Denn rassistische Anschläge mit zahlreichen Opfern hatte es seit den 1990er-Jahren mehrere gegeben – das größte Aufsehen erregten die in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Solingen oder Mölln.

Erster Verbotsantrag 2001

Auf der Suche nach Schuldigen sah die kritische Öffentlichkeit nunmehr die NPD in der Hauptverantwortung, eine seit 1964 existierende rechtsextreme Partei. So reichte die rotgrüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder am 30. Januar 2001, dem 68. Jahrestag der Machtergreifung Hitlers, beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Verbotsantrag gegen die Partei ein. Der erste von zwei Anläufen, die NPD zu verbieten.
Christian Bommarius, Jurist, Journalist und langjähriger Berichterstatter vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, hielt die Suche nach einem Sündenbock für verengt, denn es habe im rassistischen Mob dieser Jahre immer auch Radikale gegeben, die über die NPD hinausgingen. 
„Es war das Einfachste für alle, zu sagen, die NPD ist schuld. Also die NPD ist schuld an den Aufmärschen im Osten, die NPD ist schuld an der Kriminalität gegenüber Ausländern, die NPD ist immer schuld. Das ist in ihrer Einfachheit überzeugend, es trifft's nur nicht insgesamt.“
Am 30. März 2001 folgten Bundestag und Bundesrat der Bundesregierung mit zusätzlichen Verbotsanträgen. Damit waren alle Verfassungsorgane, die laut Grundgesetz dazu befugt sind, an dem Verfahren gegen die NPD beteiligt.

Frage nach dem Einfluss von V-Männern in der Partei

So beraumte Karlsruhe für den 8. Oktober 2002 einen Erörterungstermin an, denn das Bundesverfassungsgericht wollte vorab klären, wie groß der Einfluss von Verbindungsleuten – sprich: V-Männern – des Verfassungsschutzes innerhalb der NPD gewesen sei. Man wollte klären, inwieweit die Partei vielleicht ferngesteuert wurde. Dazu warf der Vorsitzende des Zweiten Senats, Winfried Hassemer, in der Erörterung kritisch ein, die Verfassungsrichter wüssten doch gar nicht, welchen Informationen die Antragsteller vertrauen könnten. Hassemer dazu grundsätzlich: 
„Das verfassungsgerichtliche Parteienverbot, die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde braucht ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, Transparenz, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit im Verfahren. Das gilt auch für das zu beurteilende Tatsachenmaterial.“
Erst recht schienen die Verbotsbetreiber auf verlorenem Posten, als sie sich weigerten, die Namen der V-Leute zu nennen. Bundesinnenminister Otto Schily mochte aber die Karlsruher Einwände nicht gelten lassen: 
„Es kann ja nicht so sein, dass auf der einen Seite die Verfassungsschutzämter nicht nur das Recht, sondern die Pflicht haben, sich Erkenntnisse darüber zu verschaffen, wenn eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, und wenn sie sich solche Erkenntnisse auf nachrichtendienstlichem Wege verschafft haben, wozu sie ja gesetzlich ermächtigt sind, und dann sagt: Weil sie das jetzt getan haben, deshalb darf die Partei nicht verboten werden.“

Frage der Verfassungswidrigkeit 2003 nicht geprüft

Solche Argumente der Antragssteller überzeugten die Karlsruher Richter nicht. Sie stellten am 18. März 2003 das erste Verbotsverfahren ein. Den Ausschlag gaben in der Tat die zahlreichen V-Männer des Verfassungsschutzes in NPD-Führungsgremien. Drei der sieben Richter des zweiten Senats sahen darin ein Verfahrenshindernis. Begründet wurde dies mit der Gefahr der "fehlenden Staatsferne" einer Partei. Da für ein Parteiverbot eine Zweidrittelmehrheit im Senat nötig ist, reichte diese Sperrminorität, um das Verfahren zu kippen. Die Frage, ob es sich bei der NPD um eine verfassungswidrige Partei handelte, wurde auf diese Weise gar nicht erst geprüft.
Innenminister Schily empörte sich über die Einstellung: "Also, ich glaube, die Konsequenzen, die sich aus dieser Minderheitsmeinung ergeben, die sind interpretationsbedürftig.“
Derweil sprach der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle von einem justizpolitischen Desaster der Bundesregierung: „Dieses ist ein schwerer Schaden für das rechtsstaatliche Verfahren, Herr Schily und Herr Beckstein haben schwere Schuld auf sich geladen. Sie haben es einer rechtsradikalen Partei leichter gemacht. Das ist unverantwortlich.“
Auch ein Abweichler im rot-grünen Regierungslager, der Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele von Bündnis 90/Die Grünen, sparte nicht mit Kritik: „Ich war von Anfang gegen ein Verbotsverfahren. Ich war auch der Einzige, der auch in der Fraktion dagegen gestimmt hat, aus politischen Gründen. Und ich sehe natürlich, und da hat das Bundesverfassungsgericht ganz einfach Recht, dass vor Beginn des Verfahrens, aber vor allem während des Laufes des Verfahren erhebliche Fehler gemacht worden sind von den Ämtern, von den Innenministerien. Die Schuld verteilt sich auf viele, nämlich auf viele Ämter, auf die Bundesregierung und die Parteien.“
Der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt auf einer Kundgebung am 12. März 2000 in Berlin
Zitate des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt (hier 2000 in Berlin) lieferten Befürwortern eines Parteiverbots regelmäßig Argumente (picture-alliance / Berliner Zeitung / Karl Mittenzwei)

Neuer Anlauf nach Bekanntwerden des NSU

Doch mit der Absage in Karlsruhe war das Reizthema NPD-Verbot noch nicht vom Tisch. Denn einer ließ nicht locker –  Bundesinnenminister Otto Schily, der im Jahr seiner Amtsablösung 2005 nochmals zum großen Schlag gegen die rechtsextreme Partei ausholen wollte:
„Wer die Verfassung zerstören will, wer die verfassungsmäßige Ordnung beseitigen will, und das hat jetzt die NPD sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, die Bundesrepublik soll abgewickelt werden, Herr Voigt feiert Hitler als einen großen Politiker, das ist der Vorsitzende der NPD, das Holocaust-Mahnmal sei gut geeignet, um als künftige Reichskanzlei zu dienen. Wenn wir noch ein einigermaßen demokratisches Selbstbewusstsein haben, dann müssen wir dem Treiben dieser Herrschaften ein Ende machen.“
Doch es war ein Irrtum anzunehmen, skandalöse Lobreden auf den „Führer“ oder die Zeit des Nationalsozialismus reichten bereits aus, um eine Partei verbieten zu können. Auch nach Schilys Abgang 2005 blieb das Thema NPD auf der innenpolitischen Agenda. Zum Beispiel nach rassistischen Hetzjagden in der ostdeutschen Provinz und erst recht 2011, als die jahrelange Mordserie der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“, NSU, bekannt wurde. Ein vielfältiges Versagen der Behörden wurde ruchbar, Mutmaßungen über Verbindungen zwischen dem NSU und der NPD kamen auf.
So beschloss die Innenministerkonferenz im Dezember 2011 in Wiesbaden einstimmig, die Chancen eines neuen Verbotsverfahrens zu prüfen, nachdem kurz davor die Verbindung des früheren hohen NPD-Funktionärs Wohlleben zur Terrorzelle NSU bekannt geworden war. Wieder sollten systematisch Beweise gegen die rechtsextreme Partei gesammelt, dabei aber auf V-Leute in der NPD-Führung verzichtet werden.

Eine konkrete Gefahr des Umsturzes?

Rechtsexperte Bommarius hielt auch diesen Versuch für wenig aussichtsreich, aufgrund der Rechtsprechung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte:    
„Denn der hatte auch schon gesagt, es muss von der zu verbietenden Partei eine Gefahr ausgehen, des Umsturzes, eine konkrete Gefahr. Und es war vollkommen klar, dass die NPD, die ja eine Schrumpfpartei war, dass sie dieses Potenzial einfach nicht hatte.“
Trotzdem beschloss der Bundesrat vor zehn Jahren, im Dezember 2012, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten, die schwarz-gelbe Bundesregierung wie auch der Bundestag verzichteten aber diesmal darauf, sich zu beteiligen. Genau ein Jahr später reichten die Länder den Verbotsantrag ein. Ganze zwei Jahre später, am 7. Dezember 2015, setzte das Bundesverfassungsgericht eine dreitägige mündliche Verhandlung vom 1. bis 3. März 2016 an.
Der Soziologe Claus Leggewie und der Verfassungsjurist Horst Meier haben den Prozess gegen die NPD in Karlsruhe gemeinsam beobachtet und ihre Eindrücke in einem zweiteiligen Hörfunkessay skizziert. Nach dem ersten Scheitern wegen der V-Leute habe es dieses Mal wenig Elan und viel Skepsis ob des Verfahrens gegeben, konstatierte Claus Leggewie und nannte dafür zwei gewichtige Gründe:
„Erstens, ob sich der ganze Aufwand bei dieser unbedeutenden, sagen wir einmal schnörkellos, bei dieser ungefährlichen Partei lohnen würde. Und zweitens, ob das Gericht nicht abermals der Politik vor den Kopf stoßen könnte.“

Für und Wider eines zweiten Verbotsverfahrens

Verbotsskeptiker setzten angesichts des Karlsruher Spektakels auf die Reife der Republik und die Wehrhaftigkeit der Demokratie sowie eine gelassene Justiz. Dies umso mehr, als eine neue rechtsgerichtete Partei namens AfD mit Beginn der Flüchtlingskrise im September 2015 der NPD längst den Rang abgelaufen und die Fünf-Prozent-Hürde bei mehreren Wahlen zum Teil deutlich überschritten hatte.
Die Verbotsbefürworter hingegen fragten umgekehrt, ob es sich das Land in der Flüchtlingskrise überhaupt leisten könne, eine xenophobe Partei wie die NPD nicht zu verbieten. Verfassungsexperte Horst Meier gab außerdem zu bedenken:
„Der Bundesrat wird sich daher die Frage gefallen lassen müssen, wie plausibel seine unausgesprochene Annahme eigentlich ist, dass die Hetze gegen Flüchtlinge, die Übergriffe und Brandstiftungen enden würden, wäre die NPD nun endlich verboten. Nach einer Analyse des BKA gibt es keine konkreten Hinweise für eine Lenkung von fremden-feindlichen Organisationen, auch nicht durch die NPD.“
Peinlicher noch: Das scharfe Schwert der Antragsteller aus dem Bundesrat erwies sich erst recht als stumpfe Waffe, als Formulierungen aus deren Landesverfassungsschutzberichten publik wurden. Zum Beispiel: die NPD sei in einem „desolaten Zustand“, „im Niedergang“ begriffen und „nahezu keine Aktivitäten“ seien noch feststellbar.
Die Jura-Professoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff verfassten die Schriftsätze für den Bundesrat. Sie verwiesen darauf, wie häufig die NPD bei Anti-Asyl-Protesten die Finger im Spiel hatte, dabei auch über aggressive Bürgerwehren Bürgermeister bedrohte oder Lokalpolitiker einschüchterte. Doch der Hinweis auf eine „Atmosphäre der Angst“, die der NPD angelastet wurde, verfing in Karlsruhe nicht. Christian Bommarius:
„Es gibt andere Mittel, sich der Erpressung und der Repression zu erwehren, als das Verbot einer Partei. Das schien mir einfach überzogen, nicht falsch, aber überzogen. Es stimmt ja alles, was Möllers und Waldhoff da vorgetragen haben. Es war als Argument, wie mir scheint, nicht hinreichend.“
Ausgangspunkt eines Verbotsantrags ist der Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes. Dort heißt es:
„Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“

Argument: "Störung des demokratischen Prozesses in bestimmten Regionen"

Doch die Antragsteller waren sich darüber im Klaren, dass Begründungen, wie sie 1952 zum Verbot der neonazistischen Sozialistischen Reichspartei und 1956 zum Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands geführt hatten, inzwischen nicht mehr ausreichten. Es mussten neue Kriterien zur Geltung gebracht werden statt des Hinweises auf eine „aggressiv-kämpferische Haltung“ oder verfassungsfeindliche Ziele wie den „Führerstaat“ – wie im Falle der SRP – oder die „Diktatur des Proletariats“ – wie im Falle der KPD. Doch das neue Kriterium – die „Störung des demokratischen Prozesses in bestimmten Regionen“ durch rechtsextreme Aggression – sollte für ein Verbot nicht genügen.
Am 17. Januar 2017 erging dann das Urteil. Karlsruhe lehnte den Verbotsantrag des Bundesrates gegen die NPD ab. In der Begründung hieß es unter anderem:
„Die NPD als Antragsgegnerin strebt nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Sie zielt auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären „Nationalstaat“. Dieses politische Konzept missachtet die Menschenwürde aller, die der ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehören, und ist mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip unvereinbar. Es fehlt jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt.“
So gab das Kriterium der sogenannten „Potenzialität“, das heißt der realen Durchsetzungsmöglichkeiten zu einem Umsturz, am Ende den Ausschlag für die Verwerfung des Verbotsantrags. Einer, der dieses Urteil kommen sah, war auch Christian Bommarius:
„Man meint es zu gut. Man möchte den Staat und die Gesellschaft vor jeder Unbill schützen. Doch das müssen wir aushalten, gerade weil die NPD so klein ist. Es heißt dann immer: Wollen wir warten, bis die wieder groß werden? Das Moment der Wahrnehmbarkeit ist bei der NPD nicht gegeben.“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln-Chorweiler
Der Verfassungsschutz betrachtet die Bundes-AfD als "Verdachtsfall", mehrere Landesverbände stehen unter Beobachtung (picture alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt)

Der Verdachtsfall AfD

Umso mehr aber bei der AfD. Mehrere Landesverbände der Partei werden inzwischen von den entsprechenden Landesverfassungsschutzämtern beobachtet. Kopf der Radikalisierung ist der Chef der Thüringer AfD, Björn Höcke. Dessen Kernbotschaften beschreibt Wolfgang Schroeder, Politologe an der Universität Kassel und AfD-Kenner:
„Das zentrale Stilelement von Höcke ist das Herausarbeiten rechts-populistischer, rechtsextremistischer Argumentationen. Das heißt auf der einen Seite der echte unverfälschte Wille des Volkes, auf der anderen Seite die korrupte Elite, die das, was das Volk bedarf und will, nicht erkennen will, und zwar deshalb nicht erkennen will, weil es partikularen eigenen Interessen folgt, und damit nicht in der Lage ist, das zu leisten, was von der politischen Klasse aus der Sicht von Höcke verlangt ist. Das Programm heißt: völkische Bundesrepublik Deutschland.“
So wendet sich die AfD dezidiert gegen die Europäische Union, an deren Realisierung mitzuwirken die Bundesrepublik nach Artikel 23 Grundgesetz sich verpflichtet und versucht die Grundlagen der Werteordnung in ihrem Kampf gegen die unteilbare Menschenwürde und den Minderheitenschutz zu unterhöhlen.
Aber dies reicht noch nicht, wie der Fall der NPD gezeigt hat – um zu schlussfolgern, dass sich aus radikalen Einzelpositionen eine kollektive Aktion entwickeln könnte, die auf den Umsturz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet ist. Deshalb ist der Bundesverband der AfD bislang nur Verdachtsfall. AfD-Gründungsmitglied Alexander Gauland sieht darin einen Putschversuch gegen die Opposition im Lande:
„Ziel des Verfassungsschutzes ist es offensichtlich, langfristig die Zerstörung der einzigen Oppositionspartei im Bundestag, die sich gegen die Auflösung des Nationalstaats und die unbegrenzte Einwanderung aus fremden Kulturen stemmt.“

Eine Struktur oder nur "viele Einzelfälle"?

AfD-Kenner Wolfgang Schroeder: „Man muss ja sehen, dadurch, dass die AfD in nahezu allen Parlamenten ist, hat sie einen umfänglichen Apparat. Und dann muss man sich anschauen, was treiben diese Menschen mit den Mitteln, die ihnen durch den Steuerzahler zur Verfügung gestellt werden; dass die Abgeordneten viele Rechtsextremisten eingestellt haben, die ihre Arbeit allein in die Destabilisierung dieser Ordnung stellen.“
Verbotsrelevant könnte sich auch auswirken, dass die AfD Kontakte pflegt zu Staaten wie Putins Russland, die ein massives Interesse an der Destabilisierung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik haben.
„Hier haben wir immer wieder Einzelfälle von intensiven Kontakten, von Abgeordneten, von Mitarbeitern mit der russischen Seite. Wenn sich hier auch eine Struktur herauslesen lässt, hat man eine andere Form der Gefährdung. Und wenn das der Fall sein sollte, und dafür spricht ja viel auf Grundlage der schon erhobenen Daten, dann muss man über das Verbot einer solch ausgerichteten Partei sprechen.“
So sehr die AfD auch unter die Beobachtung des Verfassungsschutzes geraten ist – nach der doppelten Niederlage gegen die NPD in Karlsruhe ist ein Verbotsantrag gegen die Höcke-Partei derzeit eher unwahrscheinlich.