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Vor 100 Jahren
Deutschlands Weg in die Hyperinflation

Schon vor der Ruhrbesetzung war die Inflation in Deutschland hoch. Im Laufe des Jahres 1923 steigerte sich die Geldentwertung in unvorstellbarem Maße. Was bis heute ein kollektives Trauma ist. Vergleiche zwischen heute und damals hinken aber.

Von Caspar Dohmen | 11.01.2023
Eine Reichsbanknote über Fünf Billionen Mark vom November 1923 und andere Banknoten über 20 Milliarden Mark, 500 Milliatrden Mark u.a vornehmlich 1923 von der Deutschen Reichsbank ausgegeben
Deutsche Geldscheine aus den 1920er-Jahren (picture alliance / ZB / Andreas Engelhardt)
"Ach, die Zeiten sind nicht heiter, immer schlechter wird die Welt. Jeder denkt: Wie komm' ich weiter und wie rette ich mein Geld?" Als der Künstler Otto Reutter in Berliner Varietés 1922 sein Lied sang, war vielen Menschen nicht zum Lachen zu Mute.
Mehr als neun Millionen Soldaten waren im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 gestorben, darunter über zwei Millionen deutsche. Seit dem Ende des Kaiserreichs kämpfte die junge Weimarer Republik, die erste deutsche Demokratie, mit der hohen sozialen und wirtschaftlichen Hypothek des Krieges. Nachdem die Regierung die meisten Preise freigegeben hatte, entlud sich die aufgestaute Inflation.
Brotverkäufer in Berlin im Januar 1923
Brotverkäufer in Berlin im Januar 1923 (picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Weil die junge Republik weiter Geld druckte, war 1922 die Inflation bereits so hoch, dass sich die Menschen beeilten, Geld in Sachwerte umzutauschen, was Reutter aufgriff: "Unsere Wohnung ist jetzt ein Warenlager: zehn Zentner Schinken, halb fett, halb mager, fünf Zentner Tee, zehn Zentner Kaffee, 20 Säcke mit Mehl hab'n wir hingestellt. Wir sind vermehlt bis zum Ende der Welt."

Ruhrbesetzung und die Folgen

Im Januar 1923 besetzten dann auch noch französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet, wegen eines geringen Lieferrückstands deutscher Reparationen. Die deutsche Regierung rief daraufhin die Menschen im wichtigsten Industrierevier des Landes zum passiven Widerstand auf. Ein Generalstreik legte Produktion, Verwaltung und Verkehr lahm.
Die Regierung wiederum alimentierte die streikende Bevölkerung an der Ruhr. Aber weil die Staatskasse leer war, wies sie die Reichsbank an, noch mehr Papiergeld als schon zuvor zu drucken. Das Tempo der Geldentwertung nahm abermals zu. Der Reichspräsident führte mit einer Notverordnung im November 1923 eine neue Währungseinheit ein, die sogenannte "Rentenmark". Sie trat mit einem Kurs von einer Billion zu eins an die Stelle der Papiermark.
Über das Drama schrieb der deutsch-britische Journalist und Zeitgenosse Sebastian Haffner: "Kein Volk der Welt hat etwas erlebt, was dem deutschen 1923-Erlebnis entspricht. Den Weltkrieg haben alle erlebt, die meisten auch Revolutionen, soziale Krisen, Streiks, Vermögensumschichtungen, Geldentwertungen. Aber keins die phantastische, groteske Übersteigerung von alledem auf einmal, die 1923 in Deutschland stattfand. Keins diesen gigantischen karnevalistischen Totentanz, dieses nicht endende blutig-groteske Saturnalienfest, in dem nicht nur das Geld, in dem alle Werte entwertet wurden."

Geschichten über Verelendung und Verluste

Zurück blieb ein kollektives Inflationstrauma. Deutsche Familien gaben Geschichten über materielle Verluste und Verelendung ihrer Vorfahren über Generationen weiter. Aber: "Die Details verschwammen im Nebel der Vergangenheit", schreibt Georg von Wallwitz in seinem Buch "Die große Inflation", das 2021 erschien. Jenes kollektive Inflationstrauma der Deutschen macht sich auch heute wieder bemerkbar. Der Grund: Im Dezember 2022 lag die Geldentwertung im Euroraum bei 9,2 Prozent, nachdem sie in den beiden Vormonaten auf mehr als zehn Prozent geklettert war – so hoch wie noch nie seit dem Bestehen der Gemeinschaftswährung.
Sind Vergleiche mit der Zeit der 1920er-Jahre also berechtigt? Was bedeutete Inflation zur damaligen Zeit? "Das deutsche Volk litt unter der unglaublich schweren Inflation, die fast alle Vermögen vernichtete. Dazu gehörte auch mein Vater, der sein Leben lang gespart hatte. 250.000 Goldmark hatte er erspart und war auch in keine Angestelltenversicherung eingetreten, denn er war Fabrikdirektor und meinte, er hätte ja nun genügend Hintergrund und brauchte so etwas nicht", erzählte der Fabrikantensohn Karl Pielicke vom Schicksal seines Vaters. Der konnte sich am Ende für seine 250.000 Goldmark nicht einmal mehr eine Schachtel Streichhölzer kaufen. "Dann hat er sich umgebracht, blieb ihm gar nichts weiter übrig."
Die Basis für die Hyperinflation legten die Verantwortlichen im Deutschen Kaiserreich. Bei dessen Gründung 1871 war die Goldmark eingeführt worden, die Reichsbank musste für jede Goldmark ein Drittel deren Wertes in Gold vorhalten. Die Zentralbank konnte die Geldmenge also nur ausweiten, wenn sie über entsprechend Goldvorräte verfügte. Aber das Kaiserreich beendete die Kopplung zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914. Außerdem wählte es eine riskante Art der Kriegsfinanzierung. Großbritannien, einer seiner Gegner, finanzierte seine immensen Kriegsausgaben vor allem durch eine drastische Anhebung der Steuern. Deutschland und der Staatssekretär des Reichsschatzamtes, Karl Helfferich, setzten hingegen auf den Verkauf von Anleihen an die eigene Bevölkerung.
Daran erinnerte sich der 1991 verstorbene Finanzwissenschaftler Fritz Neumark, der seine Karriere 1923 im Berliner Finanzministerium begonnen hatte. "Helfferich verteidigte seine Art der Finanzierung, die eben rein inflatorisch war, damit, dass er sagte: 'Mögen doch die anderen die goldenen Ketten schleppen, nicht wir.' Womit er meinte, dass die Feinde, wie das später allerdings umgekehrt mit Deutschland geschah, Reparationen zahlen sollten, aus denen man später die Kriegsanleihen zurückzahlen könnte, ohne Steuern zu erheben."

Inflation zunächst kein Thema

Die Gefahr einer Inflation war bei den zuständigen Behörden damals kein Thema. "Irgendwelches ökonomisches Verständnis für die Inflationsprobleme war weder im Finanzministerium noch bei der Reichsbank, schon gar nicht bei der Reichsbank vorhanden", so Neumark. Ganz allgemein war das Wissen über Inflation damals in Deutschland wenig ausgeprägt. Im Brockhaus, dem damaligen Standardlexikon, findet sich in der Ausgabe von 1908 nur ein einziger Satz zu Inflation. 
Nach dem Ersten Weltkrieg war die Inflation nicht mehr zu übersehen. Trotzdem beförderte die deutsche Regierung die Entwicklung weiter. Sie druckte in erheblichem Umfang Geld, um Ausgaben zu finanzieren. Damit half sie unter anderem Kriegsinvaliden, Witwen und Waisen oder bezahlte die ersten Raten der immens hohen Reparationen, die sich insgesamt auf 300 Prozent des Nationaleinkommens beliefen.
Die Summe konnte die Weimarer Republik beim besten Willen nicht an die Siegermächte der Entente – vor allem Frankreich und England - bezahlen. Angesichts dessen sahen manche Politiker in Deutschland die Inflation sogar als ein willkommenes Instrument an, um dem Land finanziell Luft zu verschaffen. "Die Idee nämlich, man müsste die vollkommene Zahlungsunfähigkeit Deutschlands durch eine massenhafte Inflation, durch eine gigantische Inflation beweisen, um den Reparationsansprüchen der Entente entgehen zu können", sagte Neumark.
Auf dem Höhepunkt der Entwicklung waren bei der Reichsbank 7.500 Mitarbeiter mit der Herstellung von Papiergeld betraut und 84 private Druckereien druckten für die Reichsbank Noten. Mit dem zunehmend wertloseren Geld zahlte die Regierung die von den eigenen Bürgern gehaltenen Kriegsanleihen zurück. Der Staat sanierte sich somit auf Kosten seiner Bürgerinnen und Bürger und verschaffte sich einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber anderen Industrieländern: Denn infolge der Inflation sank auch der Außenwert der Mark, also der Wechselkurs gegenüber anderen Währungen. Deswegen konnten inländische Unternehmen ihre Waren billiger auf den Weltmärkten anbieten als ihre Konkurrenten aus anderen Ländern.

Die Gewinner der Inflation

Autor Georg von Wallwitz: "Also, das ist eben ein Phänomen was man damals hatte, das eben es weite Kreise in der Gesellschaft einfach gab, die Interesse auch an der Inflation hatten. Die wollten danach alle nichts damit mehr zu tun haben, aber im Grund war die Interessenlage doch meistens Pro-Inflation."
Zu den Gewinnern zählten große Gruppen der Gesellschaft, so Wallwitz: "Auch die Bauern, die haben halt ihre Sachen produziert und immer teurer verkauft, das war für die alles kein Problem. Und eben für die ganz Reichen, die eben Schulden machen konnten oder eben ihr Geld in Fremdwährungen gehalten haben und so." Wie niemand sonst nutzte der Unternehmer Hugo Stinnes die damalige Situation. Er verschuldete sich in der schwachen Papiermark, teilweise sogar zu sehr günstigen Konditionen direkt bei der Reichsbank. Mit den Erlösen für seine Produkte in Fremdwährungen war es für ihn ein Leichtes, seine Beschäftigten und die fälligen Kreditraten zu bezahlen. Auf dem Höhepunkt seines Erfolges beschäftigte sein Firmen-Imperium 600.000 Menschen.
Vergleichsweise glimpflich kamen die Arbeiterinnen und Arbeiter durch die große Inflation, weil die Gewerkschaften eine Anpassung der Löhne an die Preisentwicklung erreichten. Abgesehen davon verfügten Arbeiter damals gewöhnlich über keine Ersparnisse, weswegen die Inflation ihnen auch keine nehmen konnte. Georg von Wallwitz: "Wen es halt gekniffen hat, das war die Mitte, das waren eben die Rentner oder eben die Beamten, wo eben die Bezüge immer mit sehr großer Verzögerung an die Inflationsrate erst angepasst wurden oder Lehrer oder Pfarrer, alle respektablen Leute.“
So unterscheidet sich bis in die Gegenwart die Erinnerung der Arbeiterschicht an die große Inflation von der des Bürgertums. Der Gewerkschafter und Politikwissenschaftler Witich Roßmann. "Also ich würde sagen, unter Arbeitnehmern ist das Problem dieser Hyperinflation in den 20er-Jahren überhaupt kein Thema. Es ist kein erinnertes Thema."
Zudem herrschte in der Inflationszeit fast immer Vollbeschäftigung und die Ungleichheit in der Gesellschaft nahm sogar ab, weil das Besitzbürgertum Geldvermögen verlor. Dagegen litten die Arbeiter gravierend unter der Deflation und Weltwirtschaftskrise einige Jahre später. Auslöser war der Börsencrash 1929 in den USA. Die Wirtschaft brach ein. Die Krise verschärfte sich durch die Deflation, bei der – im Gegensatz zur Inflation - der Geldwert steigt. Menschen verschieben Käufe und Investitionen, weil sie günstiger werden. Dadurch sinkt die Nachfrage.
Barrikaden vor dem Münchner Kriegsministerium am 9. November 1923, dem Tag des gescheiterten Hitler-Putsches
Barrikaden vor dem Münchner Kriegsministerium am 9. November 1923, dem Tag des gescheiterten Hitler-Putsches (picture-alliance / dpa / dpa dena)
Massenweise verloren Lohnabhängige damals ihre Arbeit, der Hunger kehrte in die Industrieländer zurück. 1923 – im Jahr der Hyperinflation –  hatte Adolf Hitler vergeblich einen Putschversuch unternommen und war verurteilt worden. Nach der Deflation hingegen bekamen die Nationalsozialisten immer mehr Zulauf und übernahmen 1933 die Macht. Adolf Hitler wurde Reichskanzler.

Historiker: Zwei Katastrophen

Der britische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze von der New Yorker Columbia University: "Deutschland erleidet diese beiden Katastrophen, eine der schlimmsten Hyperinflationen der Geschichte und eine der schlimmsten Deflationen der Geschichte innerhalb von zehn Jahren. Es überrascht nicht, dass das die Gesellschaft aufrüttelt, die Politik in wirklich dramatischer Weise erregt und ein Trauma hinterlässt."
Adam Tooze
Der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze (picture alliance / dpa / Vladimir Gerdo)
Zumal die Menschen nach der NS-Diktatur und der Niederlage im Zweiten Weltkrieg erneut eine Geldentwertung erlebten. Allerdings markiert die Währungsreform von 1948 für die Bundesrepublik Deutschland im kollektiven Gedächtnis vor allem den Beginn des Wirtschaftswunders. Große Teile der Bevölkerung entwickelten sogar einen gewissen Stolz auf die Institution der unabhängigen Deutschen Bundesbank und die sprichwörtliche Stabilität der D-Mark.
Die Bundesbank wiederum stand bei der Gründung der Europäischen Zentralbank Pate. Deren Aufgabe ist es, die Inflation im Euroraum zu begrenzen, derzeit bei jährlich zwei Prozent. Momentan gelingt das überhaupt nicht und so weckt die Entwicklung bei manchen unheilvolle Erinnerungen an die große Inflation und die Sorge vor einer gewissen Zwangsläufigkeit. Eine in Deutschland offenbar tief verwurzelte Angst. Schon 2011 sagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle: "Eine Lehre der Geschichte ist: Wenn das Geld schlecht wird, wird alles schlecht. Auch das haben wir in der deutschen Geschichte gehabt: von Hyperinflation über Massenarmut bis hin zum Krieg und den fatalen Fehlentwicklungen in Deutschland."
Tatsächlich lag die Hyperinflation bei der Machtübernahme der Nazis 1933 aber bereits zehn Jahre zurück. In einer Studie der Hertie School of Governance heißt es außerdem, die Massenarmut, auf die Rainer Brüderle anspielte, sei nicht das Ergebnis der Hyperinflation, sondern das Nebenprodukt von Massenarbeitslosigkeit, tiefer Rezession und sinkenden Preisen Anfang der 1930er-Jahre gewesen. Hitler sei, so die Autoren der Studie, nach einer Phase tiefer Deflation an die Macht gekommen. Viele Bundesbürger erinnerten sich in dieser Hinsicht falsch: "Nur einer von 25 Deutschen weiß (...) noch, dass die Preise zur Zeit der Weltwirtschaftskrise sanken. Stattdessen verbindet fast die Hälfte unserer Befragten die Massenarbeitslosigkeit der frühen 1930er-Jahre mit massiver Geldentwertung. Viele Deutsche blicken (...) also auf ein Zerrbild ihrer eigenen Geschichte und kommen zu dem Schluss: Wirtschaftlicher Zusammenbruch und rasende Inflation gehen zumindest historisch betrachtet Hand in Hand."

"Abermilliarden von zusätzlichen Banknoten"

Dazu kommt: Hyperinflationen wie die von 1923 sind sehr selten. Historiker Adam Tooze: "Eine echte Inflation ist eine, bei der alle Löhne, Preise und Dienstleistungen gleichzeitig steigen, simultan. Und das ist sehr selten. Eine solche absolut symmetrische Inflation wird durch ein fundamentales monetäres Phänomen angetrieben. Leute drucken einfach Milliarden und Abermilliarden von zusätzlichen Banknoten. Das kommt historisch selten vor und ist mit einem extremen Preisanstieg verbunden, weil der Staat über unzureichend Steuern verfügt und die Dinge bezahlt, in dem er Banknoten druckt."
Die heutige Inflation in Europa ist mit der vor 100 Jahren in Deutschland schon aufgrund der Höhe nicht vergleichbar. Aber auch die Bedingungen, die zur Inflation führen, sind völlig andere. Damals hatte Deutschland einen Weltkrieg verloren und gigantische Schulden im Ausland. Staat und Wirtschaft mussten komplett umgebaut werden. Deutschland hatte wichtige Gebiete verloren, beispielsweise Elsass-Lothringen mit seinen Eisenerz-Vorkommen. Dazu die Besetzung des Ruhrgebiets durch Belgien und Frankreich.
Heute hingegen ist Deutschland eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt und in die EU eingebunden. Die jetzige Inflation erinnert deshalb eher an die Inflation der 1970er-Jahre in den westlichen Industrieländern infolge der Ölkrise. Seitdem sorgte vor allem die Globalisierung für niedrige Preise in den westlichen Industrieländern. Andernorts arbeiteten Menschen für wenig Geld. Das machte die Waren günstig und schwächte gleichzeitig die Gewerkschaften in den großen Industrieländern.
"Die Welle der sogenannten Hyperglobalisierung, die wir seit den 1990er-Jahren erlebt haben, hat die Lohn- und Preisinflation eingedämmt. Man kann in vielerlei Hinsicht sagen, dass der Container, diese innovative neue Form der Logistik, die in den 1970er-Jahren begann, den globalen Handel zu transportieren, eine der stärksten Waffen gegen die weltweite Inflation war", sagt Tooze.

Die Ursachen der aktuellen Inflation

Aber die Rahmenbedingungen verändern sich. Für die Rückkehr der Inflation nach Europa gebe es drei zentrale Ursachen, sagt die Ökonomin Natacha Valla, die früher bei der EZB gearbeitet hat und heute Dekanin der Sciene Po für Management und Innovation in Paris ist: "Erstens der Ukraine-Schock, weshalb die Preise für Rohstoffe stark angestiegen sind. Nicht nur die Preise für Gas und Öl, sondern für alle Rohstoffe. Vorher gab es außerdem eine Normalisierung nach der Pandemie, das betraf ökonomische Aktivitäten der Wirtschaft und der Konsumenten. Während der Pandemie hatten die Menschen eine Menge gespart. Nun konnten sie anfangen, das Geld auszugeben. Durch die steigende Nachfrage stiegen die Preise. Drittens bekamen die globalen Lieferketten Probleme während der Pandemie."
Der perfekte Cocktail für Inflation, auf der Angebots- und der Nachfrageseite. Zwar gehen Fachleute davon aus, dass die Geldentwertung bald nachlassen wird. Aber gleichzeitig sprechen gute Gründe dafür, dass niedrige Inflationsraten von null bis zwei Prozent vorerst nicht zurückkehren werden. "Die Höhe der Inflation hängt natürlich von der Art und Weise ab, wie die Länder operieren, bei der Kostenstruktur und den internationalen Handelsbeziehungen. Diese Parameter ändern sich gerade. Es war ein Jahrzehnt mit ungewöhnlich niedriger Inflation. 20 Jahre lang ist der Preis vieler Konsumgüter gesunken. Damit ist es jetzt vorbei", sagt Valla.
Alle Einflussfaktoren, die in den vergangenen Jahrzehnten für eine niedrige Inflation gesorgt hätten, kehrten sich um, schrieb der renommierte britische Geldtheoretiker Charles Goodhart 2020 in einem viel beachteten Buch. Das Angebot an billigen Arbeitskräften in China und anderswo nehme ab. Die Gewerkschaften gewännen aufgrund der demografischen Entwicklung in Europa wieder mehr Macht. Gleichzeitig gäben in alternden Gesellschaften die Alten massiv Erspartes aus, beispielsweise für Pflege. Diese Entwicklungen beförderten die Inflation. Der Druck auf die Notenbanken werde steigen, eine höhere Inflationsrate als bisher zuzulassen. Zudem sieht Goodhart die Gefahr, dass es über längere Zeit wenig Wachstum und vergleichsweise starke Preissteigerungen geben könnte. Zustände wie in den 1920ern drohen dennoch nicht. Zu groß sind die Unterschiede zwischen damals und heute.