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Vor 225 Jahren geboren
Die Reisepionierin Ida Pfeiffer - allein einmal um die Welt

Inmitten des Wiens der Biedermeierzeit voller Korsetts und weiblicher Züchtigkeit wagte eine Frau den Ausbruch und tat, was von Frauen ausdrücklich nicht erwartet wurde - Ida Pfeiffer lernte die Welt kennen. Vor 225 Jahren wurde sie geboren.

Von Beatrix Novy |
Nosy Be, eine Insel vor der Nordwestküste Madagaskars, gezeichnet von Évremond de Bérard  für ein Buch von 1861 über die Reisen von Ida Pfeiffer
Nosy Be, eine Insel vor der Nordwestküste Madagaskars, gezeichnet von Évremond de Bérard für ein Buch von 1861 über die Reisen Ida Pfeiffers (imago images / KHARBINE-TAPABOR)
„Ich bin keine Schriftstellerin, mein Tagebuch kann daher nicht als literarisches Werk betrachtet werden. Es ist eine einfache Erzählung, in der ich alles beschreibe, wie es mir vorkam; ferne ist mir der Dünkel, mich in die Reihen jener geistreichen Frauen drängen zu wollen, denen schon in der Wiege der Weihekuss der Musen ward.“
„Diese bemerkenswerte Frau wird beschrieben als untersetzt, dünn und ein wenig krumm. Ihre Bewegungen waren überlegt und gemessen. Sie ruhte in sich und war bemerkenswert kräftig; und ihr Lebenslauf zeugte von einer ganz ungewöhnlichen Ausdauer.“
So stand es in einer 1879 erschienen Biografie über Ida Pfeiffer - die Frau, die fast die ganze Welt bereist hatte. Allein.

Vom Wildfang zur Ehefrau und Mutter

Als sie am 14. Oktober 1797 in Wien geboren wurde, stand ihr die übliche gutbürgerliche Mädchenlaufbahn bevor: etwas Klavierspiel, etwas Bildung, Tanzen, Deckchen sticken, einen Ehemann finden. Aber ihr Vater, offenbar ein Exzentriker, erzog sie so wie ihre fünf Brüder: In Mädchenkleider wurde sie, höchst widerwillig, erst nach seinem Tod gesteckt. Aus dem Wildfang wurde zwar noch eine Ehefrau und Mutter; aber der Gatte starb, die Kinder wurden erwachsen, das mütterliche Erbe machte unabhängig - und Ida Pfeiffer war Anfang 40.
Das 18. Jahrhundert, in dem Ida Pfeiffer gerade noch geboren war, hatte das Reisen entdeckt, im 19. wuchs die Mobilität der Betuchten und der Wissbegierigen. Auf den Meeren kreuzten Expeditionen, die im Forschergeist der Epoche auf fernen Kontinenten sammelten, was nicht niet- und nagelfest war.

Angesteckt vom Bazillus der Freiheit des Reisens

Von Frauen wurde ausdrücklich nicht erwartet, dass sie die Welt kennenlernten. Aber auch sie waren angesteckt vom Bazillus der Freiheit, den Französische Revolution, technischer Fortschritt und zahllose Reiseberichte in die Welt gebracht hatten.
„Fesseln will man uns am eignen Herde!
Unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum“
So klagte im fernen Westfalen die unglückliche Annette von Droste-Hülshoff. Ihre Träume blieben Gedicht, während die gleichaltrige Ida Pfeiffer sich 1842 zu ihrer ersten großen Reise aufmachte: nach Palästina. Es war nur der Anfang einer langen Serie. Dass das alles kein Zuckerschlecken war, merkte sie schon auf den ersten Metern.
„Es ist gar nicht zu beschreiben, was man alles auf diesen Schiffen auszustehen hat. Ungepolsterte Bänke gehören bei Tag zum Sitzen, bei Nacht zum Schlafen. Von einem Waschbecken des Morgens ist keine Spur zu entdecken.“
Ein überteuertes Nachtlager, Ecuadors politische Verhältnisse, Sitten und Bräuche, Lebensmittelpreise, begeisterte oder enttäuschte Landschaftsschilderungen, alles steht nebeneinander in der entwaffnenden Unmittelbarkeit, die Ida Pfeiffers Reisebücher so erfolgreich und glaubwürdig machte. Ihr phänomenaler Mut führte sie ins geheimnisvolle Borneo, sie übernachtete in den Dörfern indigener Amerikaner, ritt durch die syrische Wüste, aß, was es zu essen gab, besuchte Sklavenmärkte in Amerikas Südstaaten und im Orient, brachte tausende Meilen in Postkutschen, Eselskarren, Eisenbahnen, auf Mulis und Kamelen hinter sich, überquerte stur, unter enormen Strapazen, die Anden am Chimborazo, wo es nichts Gescheites zu essen gab. Kein Wunder - „in der Winterszeit hält sich kein Wirt hier auf, denn es reist niemand.“

Empfehlungsschreiben Alexander von Humboldts im Gepäck

Niemand außer eben Ida Pfeiffer. Die mit minimalem Gepäck auskam, aber immer Empfehlungsschreiben dabei hatte. Selbst der hochberühmte Naturforscher Alexander von Humboldt ließ sich nicht lang bitten:
„Alle Diejenigen, welche in den verschiedenen Regionen der Erde eine Erinnerung meines Namens bewahrt haben, bitte ich hiermit dringend, die Überbringerin dieser Zeilen, Frau Ida Pfeiffer, mit freundlichem Interesse aufzunehmen und mit Rath zu unterstützen.“
Was immer ihr zustieß, sie ärgerte, ihr gefiel, missfiel - Ida Pfeiffer äußerte es ohne Ansehen von Person und Hautfarbe. Unbefangen, aber nicht beliebig: Sie wusste, wo sie zu urteilen hatte:
„Nur die christlich gebildeten Europäer nehmen sich das Recht heraus, mit den farbigen Menschen nach Willkür und Laune zu verfahren.“
Ida Pfeiffer starb 1858 in Wien. Nur nach Australien hatte sie es zu ihrem Leidwesen nicht mehr geschafft.