Dienstag, 19. März 2024

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Islam
„Wir brauchen ein aufgeklärtes Islamverständnis“

Passt der Islam mit den Werten westlicher Demokratien zusammen? Unbedingt, ist die türkischstämmige SPD-Politikerin Lale Akgün überzeugt. Allerdings müssten sich Muslime von den Geboten des 7. Jahrhunderts lösen. "Wir dürfen den Koran nicht wörtlich nehmen", sagte Akgün im Dlf.

Lale Akgün im Gespräch mit Monika Dittrich | 15.11.2018
    Die deutsch-türkische SPD-Politikerin Lale Akgün im September 2017 beim Ökumenischen Fest der EKD in Bochum.
    Die deutsch-türkische SPD-Politikerin Lale Akgün. (imago / epd)
    Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün hat gerade ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: "Platz da! Hier kommen die aufgeklärten Muslime!" Darin kritisiert sie die Vorherrschaft eines konservativen Islams in Deutschland, wie er auch von den Islamverbänden vertreten werde.
    Gefährlich sei vor allem der politische Islam, sagte Akgün im Gespräch mit dem Dlf: "Hier werden Religion und Politik miteinander verbunden." Die religiösen Regeln würden über die staatlichen Gesetze gestellt. Diese Islaminterpretation stehe aber im Widerspruch zu den Werten eines demokratischen Rechtsstaates.
    Orthodoxe Gehirnwäsche
    Die Verfechter des politischen Islams propagierten die Vorstellung einer homogenen muslimischen Identität: "Da wird so getan, als gäbe es nur einen einzigen, wahren Islam", so Akgün. Der politische Islam könne zum Terrorismus führen, wenn sich "diese Muslime ganz der Gehirnwäsche hingegeben haben und glauben, man solle Ungläubige umbringen und dafür sorgen, dass die ganze Welt islamisch ist."
    Lale Akgün fordert eine Reform des Islams. Das fange damit an, den Koran nicht wortwörtlich zu verstehen, sondern als einen Text, der im siebten Jahrhundert entstanden ist: Man dürfe diese Suren nicht unhinterfragt in die heutige Zeit übertragen.
    Kompatibel mit Demokratie und Aufklärung
    Für die liberale Islamauslegung gebe es theologische Grundlagen, etwa in der Ankara-Schule oder der islamischen Mystik. "Im Bektaschitum zum Beispiel wird ein Islam gelehrt, in dem es vor allem um Liebe und Toleranz geht, da steht der Mensch im Mittelpunkt des Denkens." Der liberale Islam sei keine Verbotsreligion, so Akgün.
    Die orthodoxen Muslime hingegen verträten ein Islamverständnis "wie bei einem Kleinkrämer: Da gibt es die Vorstellung, Gott sitzt im Himmel und registriert alles, was seine Muslime da unten auf der Erde treiben." Das sei ein zu einfaches Bild des Islams, das dieser "großartigen Religion nicht gerecht" werde. Der Islam in einer liberalen Interpretation sei kompatibel mit Demokratie und Aufklärung, mit universal geltenden Menschenrechten und mit der Säkularität des Staates.
    Zu ihrem liberalen Islamverständnis gehört es für Lale Akgün, die Gebote und Verbote des Korans modern zu interpretieren. Das tat sie etwa, als ihr bei einer Einladung Schweinebraten serviert wurde. Sie habe ihre Gastgeber nicht kränken wollen und aß den Schweinebraten. "Ich habe den Koran in dem Moment zugunsten meiner Gastgeber interpretiert", so Akgün.
    Lale Akgün: "Platz da! Hier kommen die aufgeklärten Muslime: Schluss mit der Vorherrschaft des konservativen Islams in Deutschland"
    Alibri Verlag, Aschaffenburg 2018, 240 Seiten, 18 Euro.