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Kampf um Aleppo
Zwei Millionen Menschen unter Belagerung

Die Lage für die Menschen in der geteilten syrischen Stadt Aleppo wird immer verzweifelter. In dem von Rebellen kontrollierten Ostteil sind inzwischen auch die Wasser- und Stromversorgung zusammengebrochen, es gibt kaum noch etwas zu essen. Im Westen der Stadt sieht es nicht viel anders aus.

Von Karsten Kühntopp | 12.08.2016
    Menschen in der syrischen Stadt Aleppo.
    Die syrische Stadt Aleppo gleicht nach vier Jahren Kampf inzwischen einem Trümmerfeld. (AFP / George Ourfalian)
    Aleppo gilt als die wichtigste Trophäe in dieser Phase des Bürgerkriegs. Immer wieder ist zu hören: Wem Aleppo jetzt in die Hände fällt, der gewinnt diesen blutigen Konflikt, der seit mehr als fünf Jahren andauert. Die Stadt ist militärstrategisch wichtig: Hier kommen Nachschubwege zusammen - und wer diese kontrolliert, kann seinen Gegnern im gesamten Norden des Landes die Versorgung enorm erschweren.
    Der Bürgerkrieg griff vor vier Jahren auf die Metropole über. Rebellenmilizen rückten damals vor, um sie der Regierung zu entreißen. Der Versuch war aber nur teilweise erfolgreich und führte zu einer Spaltung der Stadt - in einen Ostteil, der von der Opposition kontrolliert wird, und in den größeren Westen, der in der Hand der Regierung ist. Wie in einem Sandwich mitten drin gibt es noch eine kleine kurdische Enklave; die Kurden haben allerdings bessere Beziehungen zur Regierung als zur Opposition.
    Seit der Teilung der Stadt bekämpfen sich Regierung und Aufständische. Von dem einen Viertel wird in das andere geschossen, es geht hin und her - mit fürchterlichen Folgen für die Einwohner, deren Stadt nun mehr und mehr einem Trümmerfeld gleich. Allerdings gelang es bisher keiner der Kriegsparteien, die Oberhand zu gewinnen.
    Im Juli schnitt die Armee die letzte Verbindung ab
    Als im vergangenen Jahr Russland aktiv in den Krieg eintrat, an der Seite des syrischen Regimes, schien sich das Blatt zu wenden, zugunsten von Präsident Assad. Die Luftangriffe der Russen setzten den Rebellen in Aleppos Osten immer mehr zu. Assads Kräften gelang es dank dieser Unterstützung, die Zugänge zu diesem Stadtteil einen nach dem anderen zu kappen. Im Juli schnitten sie schließlich die letzte Verbindung ab. Seitdem sind etwa 300.000 Menschen im Ostteil vollständig eingekesselt.
    Am Wochenende wagte dann eine Rebellenallianz den Ausbruch. Dass fast zwei Dutzend verschiedene Milizen dabei gemeinsame Sache machten, zahlte sich aus: Im Südwesten gelang es, eine Bresche in den Belagerungsring zu schlagen. Allerdings ist sie zu klein, um sie für die Versorgung der eingeschlossenen Menschen nutzen zu können. Deshalb ähnelt das Leben in Ost-Aleppo auch weiterhin mehr und mehr der Hölle. Es gibt kaum noch etwas zu essen, verwundete Menschen zu versorgen, wird langsam unmöglich - und seit vor einigen Tagen die letzten Wasser- und Stromleitungen im Zuge der Gefechte gekappt wurden, sitzen die Menschen nun auf dem Trockenen beziehungsweise im Dunkeln.
    Die Menschen im Westen trifft dies übrigens genauso. Und auch ihre Versorgung wird immer schwieriger. Insgesamt - so die Vereinten Nationen - leben deshalb jetzt zwei Millionen Menschen im Großraum Aleppo unter einer Art Belagerungszustand.