
Das Bild, das sich Spaziergängern im Sauerland oder im Harz bietet, ist erschreckend: kahle Flächen und massenhaft abgestorbene Fichten, wo noch vor einem Jahrzehnt dichter Wald stand. Nicht nur diese Hotspots sind betroffen. Landauf und landab ist der Zustand der Wälder, die immerhin ein Drittel der Fläche Deutschlands einnehmen, alarmierend.
Die Wälder müssen klimaresistenter bewirtschaftet werden. Darin sind sich Waldbesitzer, Naturschützerinnen und Experten für Forstwirtschaft einig. Doch wie soll das geschehen? Ein Überblick:
Wie ist der Zustand des deutschen Waldes?
Der deutsche Wald ist in einem schlechten Zustand. Vier von fünf Bäumen sind krank – bereits abgestorbene, aber noch stehende Bäume sind in dieser Statistik gar nicht mehr erfasst.
Besonders auffällig ist das großflächige Absterben der Fichtenbestände etwa im Harz, Erzgebirge oder Thüringer Wald. Auch andere weit verbreitete Baumarten wie Buche oder Kiefer leiden stark, zum Beispiel in Südbrandenburg oder Franken.
Die Ursache ist klar: Der Klimawandel bringt höhere Temperaturen, häufigere Dürreperioden und Extremwetterereignisse wie Sturm, die die Bäume schwächen. Das macht sie wiederum anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer oder den Blauen Kiefernprachtkäfer, die sich massenhaft ausbreiten können.
In der Forstwirtschaft wird auch der Begriff „Standortdrift“ verwendet. Durch den Klimawandel verändern sich die natürlichen Bedingungen schneller, als die Wälder sich anpassen können. Davon betroffen sind vor allem die in Deutschland weit verbreiteten Nadelholzbäume Fichte und Kiefer, die eigentlich in kühleren nördlicheren Regionen wie Skandinavien beheimatet sind.
Das von extremer Trockenheit geprägte Jahr 2018 hat dem Wald insgesamt geschadet. Laut Andreas Bitter von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände sind seither über 700.000 Hektar Schadflächen entstanden, über 300 Millionen Festmeter Schadholz liegen in den Wäldern – das entspricht wirtschaftlichen Schäden von mehr als 25 Milliarden Euro. „Eine verheerende Bilanz“, betont Bitter.
Der bisherige Fokus auf Monokulturen aus Fichte oder Kiefer hat sich unter den veränderten klimatischen Bedingungen als besonders anfällig erwiesen. Deutschland steht damit vor einer grundlegenden Transformation seiner Wälder.
Warum ist die Fichte am Ende?
Die Fichte galt lange als „Brotbaum“ der deutschen Forstwirtschaft. Die Bäume sind kostengünstig zu pflanzen, wachsen schnell und liefern eine gute Holzqualität. Die langen, schmalen Stämme sind zudem leicht zu ernten und zu verarbeiten. Über die Jahre richtete sich die gesamte wirtschaftliche Verwertung darauf aus, bestes Beispiel sind Sägewerke, die heute Probleme haben, andere Baumarten mit größeren Stammumfängen zu verarbeiten.
Es gibt auch geschichtliche Ursachen für diese Entwicklung. Bei der Wiederaufforstung nach den beiden Weltkriegen wurde in Deutschland großflächig und oft in Monokulturen auf die Fichte gesetzt. Dabei wurde sie weit über ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet hinaus angebaut, in Regionen, in denen es inzwischen viel zu warm und trocken ist.
Die Fichte stirbt nicht nur wegen der klimatischen Veränderung, sondern weil sie lange in Monokulturen angepflanzt wurde. Sie sind besonders anfällig für Sturm und für Schädlinge, wie den Borkenkäfer, der sich massenhaft verbreiten kann.
Die Fichte ist aber nicht die einzige Baumart, die durch die Veränderungen Probleme bekommt. Auch die Kiefer kämpft mit Schädlingen, geschwächt durch die Trockenheit, die auch Laubbäume wie Buchen und Eichen zu schaffen macht.
Wie muss der Wald sich verändern?
Naturschützer ebenso wie die Forstwirtschaft sind sich einig darüber, dass Mischwälder mit höherer Baumartenvielfalt die Zukunft sind.
Ziel ist es, Bestände zu schaffen, die widerstandsfähiger gegen die Entwicklung des Klimas sind - also Trockenheit, Hitze und Sturmereignisse aushalten. Das macht die Bäume gleichzeitig weniger anfällig für Schädlinge und Krankheiten. Erreicht werden soll das durch den Einsatz heimischer Baumarten: Eichen und Buchen, Erlen und Birken, Linden und Ahorn, Kastanien und Pappeln. Dabei gilt es, auf hohe genetische Variabilität zu achten. Die Roteiche, Traubeneiche und Stieleiche zu mischen, anstatt sich auf eine Sorte festzulegen.
Parallel wird versucht, ergänzend klimaresiliente Arten aus dem Mittelmeer- oder südosteuropäischen Raum wie Atlaszeder, Orientbuche oder korsische Schwarzkiefer zu testen, erklärt Stadtforstdirektor Thomas Weber aus Fürstenwalde, „aber bis ich die Erkenntnisse habe, vergehen 30 Jahre.“ Man müsse jetzt handeln, betont er und treibt den Umbau vor allem mit heimischen Arten voran.
Wichtig ist auch eine andere Bewirtschaftungsstrategie. Das bedeutet eine Abkehr vom weit verbreiteten Altersklassenwald, bei dem große Bestände einer Sorte gepflanzt und dann mit großflächigen Kahlschlägen geerntet wurden. Der künftige Mischwald soll sich dagegen eher auf natürliche Weise verjüngen, gezielt unterstützt von der Forstwirtschaft.
Auf brachliegenden Flächen sollen abgestorbene Bäume und schädlingfreies Totholz bleiben, um die Organismen am Waldboden zu schützen, die für die Erholung des Waldes wichtig sind. Weil Laubbäume auch langsamer wachsen, bedeutet all das jedoch weniger Ertrag für die Forstwirtschaft.
Der Umbau kostet laut Studien bis zu 48 Millionen Euro. Private Waldbesitzer fordern deshalb staatliche Unterstützung. Ein Gedanke wäre, die Ökosystemleistungen des Waldes (Klimaschutz, Wasserspeicherung, Biodiversität, Erholung) in die Förderung einzurechnen. Die geltende gesetzliche Regelung in Deutschland stammt aus dem Jahr 1975. Ein modernes Waldgesetz, das diesen Paradigmenwechsel festschreibt, ist deshalb überfällig. Eine von der Ampelregierung geplante Novelle wurde nicht umgesetzt.
Wie lange dauert die Umstellung auf klimaangepasste Wälder?
Die Zeithorizonte in der Forstwirtschaft sind ohnehin lang. Die Umstellung auf klimaresiliente Mischwälder ist deshalb ein Generationenprojekt. Selbst bei konsequentem Handeln dauert es Jahrzehnte, bis neue Waldstrukturen etabliert sind.
Viele Laubbäume wie Eichen oder Buchen wachsen langsam, brauchen 100 bis 180 Jahre bis zur Hiebreife. Ohne gezielte Eingriffe würde die natürliche Waldverjüngung zu langsam ablaufen, um mit dem Tempo des Klimawandels Schritt zu halten. Deshalb setzen Forstbetriebe wie in Fürstenwalde auf aktive Maßnahmen: Pflanzung und Aussaat verschiedenster Arten, gezielte Durchforstung und Pflege der Jungbestände. Doch auch dies ist mühsam, teuer und zeitintensiv.
Der Umbau braucht mindestens zwei bis drei Baumgenerationen – also 60 bis 100 Jahre –, um flächendeckend Wirkung zu zeigen. Erste Erfolge kann man nach 15 bis 30 Jahren erkennen, wenn eine neue Baumartenmischung Fuß fasst. Hinzu kommt, dass manche Erfahrungen mit neuen Arten erst nach Jahrzehnten verlässlich ausgewertet werden können.
Zudem erschwert der Wildverbiss die Entwicklung junger Laubbäume erheblich. Forstwirte beklagen, dass es zu viel Wild in den Wäldern gibt, das stärker bejagt werden müsste. Ohne Schutzmaßnahmen können die Bestände gar nicht erst hochkommen.
Jens Krepela