Samstag, 27. April 2024

Kommentar Terrorgefahr
Allianzen sind es, die vor Terror schützen

Die deutschen Terrorfahnder seien zwar ganz erfolgreich, aber oft auf Hinweise befreundeter Nachrichtendienste angewiesen, kommentiert Marcus Pindur. Solche Allianzen seien es, die vor Terror schützten. Vermeintlich starke Männer könnten das nicht.

Von Marcus Pindur | 26.03.2024
Terroralarm zum Jahreswechsel: Rund um den Kölner Dom sind Polizisten zu sehen. Es gelten verstärkte SicherheitsmaÃnahmen. Besucher des Doms müssen sich in Zelten Kontrollen unterziehen. Hintergrund: Eine islamistische Terrorzelle des afghanischen ISIS-Ablegers ISPK soll über den Jahreswechsel u.a. in Köln Anschläge geplan haben. Für Touristen bleibt der Dom bis auf weiteres geschlossen. Besucher von Messen müssen ein Screening in Zelten durchlaufen. (Themenbild, Symbolbild) Köln, 30.12.2023
Sicherheitsmaßnahmen am Kölner Dom nach einem Terroralarm zum Jahreswechsel (picture alliance / Panama Pictures / Christoph Hardt)
Es liegt eine grausame Ironie in der Tatsache, dass der russische Staat, der unter Putin selbst so viele Akte des Staatsterrorismus, von Syrien bis zur Ukraine ausgeführt hat, jetzt selbst Opfer eines unmenschlichen und brutalen Terroraktes geworden ist. Doch derlei philosophische Betrachtungen tragen nicht zur Analyse des Problems bei.
Die Terrororganisation Islamischer Staat setzt ihre apokalyptische Agenda absolut – in ihrem Weltbild gibt es nur Feinde oder zeitweise, funktionale Verbündete. Auch der Westen steht nach wie vor ganz oben auf der Zielliste der Islamisten. Die Gefahr eines islamistischen Anschlages sei so real und so hoch wie schon lange nicht mehr, hatte Verfassungsschutzpräsident Haldenwang schon vor einem halben Jahr gewarnt.

Angriff bevorzugt auf sogenannte „weiche Ziele“

Mit besonderer Sorge beobachtet der Verfassungsschutz die islamistische Terrororganisation "Islamischer Staat Provinz Khorasan", den Ableger des IS in Afghanistan. Dieser wird schon seit längerem von internationalen Sicherheitsexperten als handlungsfähig und organisiert beschrieben.
Dies haben die Terroristen auf traurige Weise unter Beweis gestellt. Der Angriff auf sogenannte „weiche Ziele“ ist dabei die bevorzugte Vorgehensweise. Große Veranstaltungen von Weihnachtsmärkten über Konzertveranstaltungen, so wie in Moskau, aber auch die Fußball-Europameisterschaft können Ziele des Terrors werden. Dass Innenministerin Faeser bereits vor Längerem zur EM Grenzkontrollen ins Auge gefasst hatte, war vorausschauend, dämmt das Risiko aber nur ein. Wir wissen nicht, ob sich bereits Schläfer in Deutschland befinden. Die Täter in Moskau gingen jedenfalls sehr organisiert vor und mit der Absicht, maximalen Schaden anzurichten.

Terrorismusbekämpfung ist am erfolgreichsten, wenn befreundete Staaten kooperieren

Dass dies den russischen Behörden entgangen ist, obwohl sie von den amerikanischen Geheimdiensten gewarnt worden sind, ist blamabel und empörend. Der angeblich starke Mann im Kreml sieht auf einmal schwach aus. Kein Wunder, dass Putin ablenkt, in dem er die Mitverantwortung für die Tat auf die Ukraine versucht abzuwälzen, was alle Experten für einigermaßen absurd halten.
Die ebenso arrogante wie zynische Weigerung, die amerikanischen Warnungen ernst zu nehmen, verdeutlicht eine Realität der Terrorismusbekämpfung: sie ist am erfolgreichsten, wenn befreundete Staaten umfassend kooperieren. Es gibt keine absolute Sicherheit vor Terrorismus. Aber man kann die Risiken eindämmen.
Unsere deutschen Sicherheitsbehörden sind im Großen und Ganzen dabei sehr erfolgreich, wie die Festnahme zweier Möchtegern-Terroristen in Gera illustriert. Oft genug handeln die deutschen Terrorfahnder aber auch auf Hinweise befreundeter Nachrichtendienste hin, meist sind dies Briten und Amerikaner. Diese Allianzen sind es, die vor Terror schützen. Starke Männer tun es nicht. 
Dr. Marcus Pindur
Marcus Pindur hat Geschichte, Politische Wissenschaften, Nordamerikastudien und Judaistik an der Freien Universität Berlin und der Tulane University in New Orleans studiert. Er war Stipendiat der Fulbright-Stiftung, der FU Berlin sowie des German Marshall Fund. 1997 bis 1998 arbeitete er als Politischer Referent im US-Repräsentantenhaus. Pindur war ARD-Hörfunkkorrespondent in Brüssel, bevor er 2005 zum Deutschlandradio wechselte. Von 2012 bis 2016 war er Korrespondent für Deutschlandradio in Washington, D.C. Seit Anfang 2019 ist er Deutschlandfunk-Korrespondent für Sicherheitspolitik.