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Kommentar zur RBB-Krise
Die große Reform lässt weiter auf sich warten

Vor einem Jahr ist Patricia Schlesinger als Intendantin des öffentlich-rechtlichen RBB zurückgetreten. Seitdem habe sich beim RBB und den anderen öffentlich-rechtlichen Sendern einiges getan – aber viel weniger als möglich war, meint Christoph Sterz.

Ein Kommentar von Christoph Sterz |
Satellitenschüsseln, eine davon mit ARD-Logo, befinden sich auf dem Gebäude der Zentrale des Hessischen Rundfunks (hr) am Dornbusch. Der hr ist Teil der ARD und die öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt in und für Hessen.
Die ARD muss sich weiter unangenehme Fragen stellen, kommentiert Christoph Sterz (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
Was war das Gejammer und Geklage groß vor einem Jahr, rund um RBB-Intendantin Patricia Schlesinger: Es könne nicht sein, dass die Chefin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt mutmaßlich Rundfunkbeitrags-Gelder veruntreut und verprasst habe - und gemeinsame Sache mit dem Mann gemacht habe, der ihr als Verwaltungsrats-Chef eigentlich kritisch auf die Finger schauen sollte.

Vor einem Jahr sagten viele, dass es mehr Kontrolle braucht; wieder mehr Bewusstsein dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sparsam, seriös und vertrauenswürdig sein muss. Aber was hat sich denn seitdem wirklich tiefgreifend verändert?

Vorschläge zum Haare-Raufen

Ja, die ARD hat gemeinsame Compliance-Standards eingeführt; ja, ein paar Intendantinnen und Intendanten haben auf ein bisschen Gehalt verzichtet. Und die Medienpolitik schreibt jetzt vor, dass in den Aufsichtsgremien nun auch wirklich Expertise vorhanden sein muss.

Und sonst? Eine wirklich ernsthafte Reform hat es nicht gegeben. Leider.
Wie wäre es mit ehrlichen Antworten auf diese Fragen? Welche Radio- und Fernsehsender braucht es wirklich noch und welche nicht? Wie können die Aufsichtsgremien aufgestellt werden, dass sie ihrer Arbeit auch wirklich unabhängig, professionell und kritisch nachgehen können? Reicht ein einziges drittes Fernseh-Programm mit zeitweise regionaler Auseinander-Schaltung nicht? Ließe sich mit einer deutlich radikaleren Zusammenlegung von Verwaltung und dem Abbau von Hierarchien nicht sehr viel Geld sparen? Wäre es wirklich so schlimm, bei einer Fußball-WM nur noch das Finale zu übertragen und austauschbare Unterhaltungssendungen einzusparen?

Stattdessen machen die Senderchefs und -chefinnen Vorschläge zum Haare-Raufen; kürzen lieber bei Kultur- und Infosendern und kündigen ansonsten eine Prüfung an, bei der sie prüfen wollen, ob weitere Prüfungen lohnen.

Den Schuss noch immer nicht gehört

Und auch die für Rundfunkpolitik zuständigen 16 Landesregierungen können sich seit Jahren auf keine weitreichende Reform verständigen. Obwohl sie entscheiden könnten, was ARD, ZDF und Deutschlandradio in Zukunft weglassen sollen, verkleinern sie den Auftrag nicht – und betonen auch, dass die Sender in ihren eigenen Bundesländern unbedingt so groß bleiben müssen wie bisher; fordern aber trotzdem, dass die Sender insgesamt viel Geld sparen sollen – und schwingen zum Teil populistisch die Rundfunkbeitrags-Keule.
Das ist deshalb so traurig, weil es auch jetzt schon gute Beispiele für tolles Programm, gute Führung und solides Wirtschaften gibt; zum Beispiel die inzwischen deutlich verbesserte ARD-Mediathek, das sehr publikumszentrierte junge Angebot Funk oder die beginnende Zurückhaltung beim Einkauf von Sportrechten. Denn mit den über acht Milliarden Euro Beitragsgeldern pro Jahr lässt sich wirklich sehr viel stemmen.
Und die fehlende Konsequenz ist auch deshalb bedauerlich, weil der Schlesinger-Skandal einen großen Image-Schaden hinterlassen hat, der auch wegen des Erstarkens der AfD in Umfragen für die Öffentlich-Rechtlichen noch einmal zur echten Existenzbedrohung werden könnte. Doch ganz offensichtlich haben Sender-Hierarchen und Medienpolitik den Schuss immer noch nicht gehört – auch nicht ein Jahr nach Schlesingers Rücktritt.