Dienstag, 07. Mai 2024

Spitzengehälter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Deckel drauf?

Was verdienen Intendanten? Diese Frage beschäftigt aktuell alle öffentlich-rechtlichen Sender. Beim RBB dürfte es künftig deutlich weniger sein, bei Radio Bremen wird es nicht mehr. Und dann ist da noch die Idee einer Obergrenze. Ein Überblick.

Text: Michael Borgers | Bjørn von Rimscha im Gespräch mit Antje Allroggen | 20.06.2023
Tom Buhrow, damals Vorsitzender der ARD, spricht 2022 im Plenarsaal des Landtages von Sachsen-Anhalt zu Abgeordneten. Dort kam der Medienausschuss des Landtages zusammen.
"Eine Art Ping-Pong-Spiel zwischen Medienpolitik, Gremien und Anstalten" - hier 2022 mit WDR-Intendant Tom Buhrow, der im Landtag von Sachsen-Anhalt spricht (picture alliance / dpa / Klaus-Dietmar Gabbert)
Es ist noch nicht lange her, da war die Höhe der Spitzengehälter bei ARD, ZDF und Deutschlandradio ein gut gehütetes Geheimnis. Das änderte sich erst, nachdem die nordrhein-westfälische Landesregierung ein entsprechendes Gesetz änderte. In der Folge gab der WDR 2010 bekannt, was seine damalige Intendantin Monika Piel verdiente, nämlich 308.000 Euro jährlich. Ein Spitzenwert bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, wie sich zeigte, als auch die anderen transparent in der Frage wurden.
Piel verdiene mehr als Bundespräsident Christian Wulff, hieß es deshalb kritisch. Doch die anschließende Debatte sorgte nicht dafür, dass die Gehälter geringer wurden. Im Gegenteil: Mehr als 410.000 Euro verdiente Piels Nachfolger Tom Buhrow zuletzt. Und auch bei den anderen Anstalten gingen die Zahlen tendenziell nach oben. Doch damit scheint es nun erst einmal vorbei zu sein.

Neues von RBB, SR und Radio Bremen

Fast genau ein Jahr nach Beginn des RBB-Skandals rund um seine frühere Intendantin Patricia Schlesinger ist die Gehaltsdebatte wieder in vollem Gange. Und anders als 2010 tut sich dieses Mal konkret etwas: Bei der Suche nach der Schlesinger-Nachfolge zog Radio-Bremen-Programmdirektor Jan Weyrauch seine Bewerbung zurück, offenbar, weil ihm das gebotene Gehalt zu niedrig war.
Die nun gewählte neue Intendantin Ulrike Demmer erhalte künftig das niedrigste aller ARD-Intendantengehälter, berichtete gerade der Fachdienst DWDL.de.
Und wenige Tage nach der Wahl beim RBB kündigte Radio-Bremen-Intendantin Yvette Gerner an, auf eine Erhöhung ihres Gehalts verzichten zu wollen. Der Verwaltungsrat prüft außerdem, ob das auch für die anderen außertariflich Beschäftigten der Rundfunkanstalt gelten soll.
Und auch bei den anderen Sendern der ARD befassen sich die Gremien mit der Frage der Lohnhöhe, wie eine aktuelle Umfrage von DWDL.de zeigt.
Schlagzeilen machten hier bereits die Pläne des Saarländischen Rundfunk. Aktuell erhält dort Martin Grasmück 245.000 Euro jährlich an der Senderspitze. Die neben Radio Bremen kleinste und finanzschwächste ARD-Anstalt denkt aber darüber nach, das Intendantengehalt auf 180.000 Euro zu deckeln. Das sieht ein Diskussionspapier für ein neues SR-Gesetz vor, über das die „Saarbrücker Zeitung“ zuerst berichtet hatte.

Wissenschaftler Papenfuß: Versachlichung der Gehaltsfrage

Bleibt die Frage, wie eigentlich ein angemessenes Gehalt für Spitzenposten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aussieht? „Ein objektiv richtiges Gehalt gibt es wahrscheinlich nicht“, sagte hierzu im NDR-Medienmagazin Zapp Ulf Papenfuß von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, wo er 2022 eine Untersuchung der „Top-Managementvergütung öffentlicher Unternehmen“ vorlegte.
In einer emotional geführten Diskussion wie dieser müsse es eigentlich um „Versachlichung“ gehen, „also Bilanzsumme, Mitarbeiter, ähnliche Größen“. Doch in der Praxis sei es stattdessen so, dass sich an der Vergütung der Vorgänger orientiert würde. „Was aber in der Sache nicht das Kernkriterium sein darf“, betont Papenfuß.

Medienökonom von Rimscha: Gehälter gar nicht so übertrieben

Ein weiteres Problem sei, dass Führungskräfte meist inhouse gefunden würden, ergänzt Bjørn von Rimscha, also Personen, die schon lange für eine öffentlich-rechtliche Anstalt arbeiten. In anderen Ländern sei das häufig nicht so, sagte der Mainzer Medienökonom im Deutschlandfunk. Das könne dann zur Folge haben, dass Personal aus der Privatwirtschaft gewonnen werde, das es als Ehre ansehe, am Ende einer Karriere für Öffentlich-Rechtliche zu arbeiten.
Die Gehaltsfrage sei auch deshalb so schwer zu beantworten, so von Rimscha, weil die Leistung von Intendantinnen und Intendanten nicht mit einem erzieltem Umsatz zu messen sei. Es gehe am Ende darum, einen Programmauftrag zu erfüllen. „Und je besser das Programm ist, umso lieber zahlen wir den Rundfunkbeitrag.“ Insgesamt seien die Gehälter in Deutschland aber "vielleicht gar nicht so übertrieben". Das hätten Untersuchungen ergeben, bei denen mit ähnlichen Aufgaben verglichen worden sei, wie etwa der Leitung von Stadtwerken.

Medienforscher Speck: Spannend, wie andere Sender reagieren

Von einem "langsamen Kulturwandel in Folge von einer Art Ping-Pong-Spiel zwischen Medienpolitik, Gremien und Anstalten" spricht Dominik Speck vom Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus der TU Dortmund, der 2020 für den DGB die Untersuchung "Transparenz, Aufsicht und öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland" erstellte.
Andere Bundesländer hätten die Sender erst zu Transparenz in der Gehälterfrage verpflichtet, nachdem NRW beim WDR 2009 damit vorangegangen sei. Vielleicht sei damit auch die Hoffnung einhergegangen, dass sich das disziplinarisch auswirken und die Verwaltungsräte geringere Gehälter vereinbaren würden, vermutet Speck gegenüber dem Deutschlandfunk.
Nachdem dies aber nicht der Fall gewesen sei, habe nun eben der RBB-Skandal den Anstoß für die erneute Debatte gegeben – nur dieses Mal dann auch mit konkreten Änderungen, stellt Speck fest. So sehe der neue Medienstaatsvertrag in anderen Bereichen einheitliche Transparenzstandards vor und eine allgemeine Stärkung der Gremienaufsicht vor, so der Medienwissenschaftler.
Die spannende Frage in den nächsten Jahren laute deshalb, inwieweit die nun geplanten Gehaltsänderungen einzelner Sender auch von den anderen Anstalten übernommen würden.
Von einer politisch verordneten Obergrenze hält Medienökonom Bjørn von Rimscha aber nicht viel. Es sei nicht gut, wenn sich die Politik auf diese Weise einmische. Dass dem nicht so sei, mache die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus.