Es sind Recherchen des SWR, die mit dafür sorgen, dass aktuell wieder über die App „Luca“ diskutiert wird: Nach dem Sturz eines Mannes mit Todesfolge in einer Mainzer Gaststätte Ende November 2021 suchte die Polizei nach Zeugen des Vorfalls.
Eine Mitarbeiterin der Gaststätte erklärte gegenüber dem SWR, Beamte hätten sie dabei nach Luca-Daten gefragt. Später habe sie dann über die App eine Bitte des Gesundheitsamtes Mainz um Datenfreigabe bezüglich der Tag des Vorfalls anwesenden Gäste erhalten. Dieser habe sie stattgegeben.
Luca-Entwickler: „Viele Anfragen, Daten herauszugeben“
Das Problem: Laut Infektionsschutzgesetz darf die Luca-App nicht im Zuge einer Strafverfolgung eingesetzt werden. Allerdings versuchten Polizei und Staatsanwaltschaften genau das immer wieder – das erklärte Luca-Entwickler und -CEO Patrick Hennig nun gegenüber „The Pioneer“.
Man erhalte „viele Anfragen, Daten herauszugeben“, so Hennig in dem Interview. Und mit Ausnahme des Mainzer Falls, der am „Faktor Mensch gescheitert“ sei, habe man diese Anfragen bisher verhindern können. Insgesamt handle es sich bei Luca um „ein System, das Daten-Missbrauch sehr eingeschränkt“ habe.
„Der vorliegende Fall ist deswegen so gravierend, weil das gesetzliche Verbot, die Daten der Kontaktnachverfolgung für polizeiliche Zwecke zu nutzen, klar und eindeutig im Infektionsgesetz niedergeschrieben ist“, sagte Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter Stefan Brink dem Handelsblatt. Angesichts eines „staatlichen Fehlverhaltens“ müsse Luca trotz eines angemessenen Sicherheitskonzepts nun einen „eminenten Rufschaden“ hinnehmen, so Brink.
Kritik der FDP an Luca
„Es ist wirklich erschütternd, wenn die Luca-Betreiber trotz gesetzlichem Verbot scheinbar so viele Anfragen zur Herausgabe von Daten bekommen“, kommentierte FDP-Digitalpolitikerin Ann Cathrin Riedel auf Twitter. Dieser Vorfall müsse „endlich allen verdeutlichen, wie Daten Begehrlichkeiten wecken und dass massenhafte Sammlungen vermieden werden müssen“.
Riedels Parteikollege Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, hatte zuvor dazu aufgerufen, Luca zu löschen. Die App könne nichts, was die Corona-Warn-App „nicht besser kann“, legte er nun nach.
Nutzen die Länder Luca noch?
Für Kritiker wie Markus Beckedahl gibt es schon seit längerem ein anderes, noch wichtigeres grundsätzliches Problem: Eigentlich brauche es Luca gar nicht, sagte der Chefredakteur des Portals Netzpolitik.org im Deutschlandfunk. Hinter der App stecke die Idee, "die alten Papierlisten, zu digitalisieren". Das funktioniere bei einer Inzidenz unter 50, so Beckedahl. Doch würde es den Gesundheitsämtern längst nicht mehr gelingen, Kontakte auf Basis solcher Datensätze zu verfolgen. "Wenn man einen schlechten Prozess digitalisiert, bleibt das ein schlechter Prozess."
13 Bundesländer haben bislang gemeinsam gut 21 Millionen Euro in die Technik investiert. Die Verträge laufen bis März. Bis dahin müssen die Länder entscheiden, ob die Zusammenarbeit fortgesetzt wird. Er hoffe und gehe davon aus, so Beckedahl, "dass ein Teil der Bundesländer der Lizenzverlängerung nicht zustimmen wird, weil das System so nicht funktioniert".
Der Journalist plädiert stattdessen dafür, auf die Corona-Warn-App zu setzen. Diese funktioniere viel besser, so Beckedahl.
Smudo weist Kritik zurück
Er halte es „für verantwortungslos, dass ein Aufruf von ein bis zwei mir bisher nicht bekannter Politiker dazu führen könnte, dass mitten in der pandemischen Lage Menschen die Luca-App löschen“, reagierte auf die Kritik bei „Bild“ der Rapper Smudo, der an der Entwicklung von Luca beteiligt und von Anfang so etwas wie das Gesicht der Technik war.
Mehr zur Luca-App:
Ende 2020 kam Luca auf den Markt. Den Machern zufolge wurde das Programm seitdem auf 40 Millionen Geräten installiert. Und das, obwohl die App schon früh Bedenken bezüglich der Datensicherheit begleitet haben. Kritik, auf die das Unternehmen auf der einen Seite mit Updates und anderen Verbesserungen reagierte. Aber auch zum Teil mit einer Pressearbeit, die weitere Fragezeichen aufwarf.
Beispielsweise schrieb „Zeit-Online“ im März 2021 über „weitere Zweifel“ am „Luca-System“. Daraufhin machte einer der Autorinnen, die Technikjournalistin Eva Wolfangel, auf Twitter Teile ihrer Recherche öffentlich.
In dem Thread beschrieb Wolfangel, wie Luca-Macher Anfrage-E-Mails veröffentlicht hätten und versucht hätten, „Interviewpartner:innen gegenüber der Chefredaktion zu diskreditieren“.