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Sanierungsbedarf an Gebäuden
Der marode Zustand deutscher Hochschulen

Undichte Dächer, kaputte Steckdosen und feuchte Wände sind in deutschen Hochschulen Alltag. Der Sanierungsbedarf wird auf rund 60 Milliarden Euro geschätzt. Das Thema ist in der Politik angekommen – aber schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht.

Von Armin Himmelrath | 04.10.2022
Gebäude auf dem Campus der Bergischen Universität Wuppertal auf dem Grifflenberg
Bergische Universität Wuppertal: In dem großen Kernkomplex der Gebäude aus den 1970er-Jahren gibt es seit Jahren energetischen Sanierungsbedarf (picture alliance / Horst Ossinger)
Ein Herbstnachmittag im Bergischen Land, draußen tröpfelt seit Stunden der Regen. Im Gebäude B der Universität Wuppertal, im Sitzungsraum neben dem Rektorat, erzählen Rektorin Birgitta Wolff und Kanzler Roland Kischkel vom baulichen Zustand ihrer Uni.
„In diesen Gebäuden, die in den Sechzigern geplant wurden, gibt es sehr, sehr viele Flachdach-Bereiche und flache Dächer. Das gilt auch für das Mensagebäude. Die können Sie nicht abdichten. Es ist fast unmöglich, die dicht zu machen. Irgendwann läuft irgendwo immer Wasser rein und das heißt, wenn es jetzt wirklich viel regnet, dann haben wir in fast allen Gebäuden in den oberen Etagen – manchmal auch etwas weiter runter, wenn das durch Schächte eindringt – haben wir Feuchteprobleme. Das ist tatsächlich so.“
„Und wenn es richtig schön warm ist, so wie in diesem Sommer, wird es in den Gebäuden auch richtig schön warm, weil die sind auch für sehr warme Temperaturen nicht gebaut.“

Schlechte Energiebilanz und Schadstoffprobleme

32 Grad im Büro können es da an Sommertagen schon mal werden. Und das, sagen Birgitta Wolff und Roland Kischkel, sei längst nicht das einzige Problem, das es in der 1972 gebauten Bergischen Universität auf dem Wuppertaler Grifflenberg gibt.
„Bei etlichen dieser Gebäude kann man die Wand kaum noch berühren, ohne ein Asbestproblem zu haben. Da stehen elementare Sicherheitsinteressen im Vordergrund.“
„In dem großen Kernkomplex der Gebäude aus den 1970er-Jahren, das ist ein energetischer Sanierungsbedarf. Natürlich haben wir die Schadstoffprobleme, die Gitta Wolf eben schon genannt hat. Die sind aber bei uns vergleichsweise harmlos, weil der Asbest komplett gebunden war in den Materialien. Wir hatten nie Raumluftschwierigkeiten, Raumluftbefall, sondern eben immer gebundenen Asbest. Aber die Fassaden sind so sehr durch - die einzelnen Fenster, die Fensterelemente, wo die Heizungen dran hängen, dass wir natürlich auch eine extrem ungünstige Energiebilanz haben. Und das spielt jetzt heute noch eine etwas größere Rolle. Nicht nur wegen der CO-2-Produktion, sondern natürlich auch wegen der Energiekosten.“

Marode Gebäude behindern auch Studienalltag  

Dabei ist die Wuppertaler Uni kein Einzelfall, sagt Carlotta Eklöh. Sie ist Vorstandsmitglied im studentischen Dachverband fzs, dem freien Zusammenschluss von Studierendenschaften.
 „Es sieht grausam aus in der deutschen Hochschullandschaft. Also ich glaube, da sprechen wir jetzt nicht nur über das aktuelle Thema Energieeffizienz. Also wir können da durchaus von nicht vorhandener oder schlechter Wärmedämmung sprechen. Schlecht funktionierende oder dauerlaufende Heizungen, keine sanierten Gebäude, schlecht isolierte Fenster. Wie zum Beispiel in der Uni Oldenburg: Dass es da seit Jahren reinregnet und man Eimer unter das Dach stellt an den Stellen, wo das da undicht ist, ist ganz normal. Deswegen würde ich sagen, sieht es ganz schlimm aus.“
Die maroden Gebäude machen sich, sagt Carlotta Eklöh, unmittelbar im Studienalltag bemerkbar – zusammen mit weiteren Problemen.
„Das Schlimmste ist tatsächlich nicht nur der Zustand der Gebäude, sondern auch, dass sie nicht dazu ausgerichtet sind, so viele Studierende in sich zu halten. Also abgesehen von den ganzen gesundheitlichen Risiken, die solche Gebäude – wie zum Beispiel die PCB-Belastung in den 60er-, 70er-Jahre-Bauten ist grauenhaft. Da müssen die Hochschulen ganz dringend was tun. Aber du kannst natürlich auch als studierende Person nicht gut lernen, wenn du in total zugigen Räumen sitzt und eigentlich dich nicht darauf konzentrieren kannst, was eigentlich die Inhalte sind.“
So kommt einiges zusammen: Marode Bausubstanz, zu wenig Platz, Schadstoffbelastungen. Und das zu Beginn des nächsten Wintersemesters, das in den Bundesländern dieser Tage startet.

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Viele Bauten aus den 1960er und 70er-Jahren

Dass die Probleme in den vergangenen Jahren so massiv sichtbar wurden, hat auch damit zu tun, dass ein Großteil der deutschen Hochschulgebäude in den 1960er- und 70er-Jahren geplant und errichtet wurde – nach den damaligen Standards. Und seinerzeit standen andere Fragen als die Energieeffizienz oder die Nachhaltigkeit von Hochschulgebäuden im Mittelpunkt. So wie 1965, zu Eröffnung der Ruhr-Universität Bochum. Es war der Auftakt für eine bundesweite Akademisierungswelle mit zahlreichen Hochschul-Neugründungen, die in NRW ihren Anfang nahm.
Es war ein für unsere Stadt bisher ungewohntes Bild, als die Professoren der Ruhr-Universität, angeführt von den Rektoren der westdeutschen Hochschulen, in feierlichem Talar ins Schauspielhaus einzogen,“ berichtete damals, vor 57 Jahren, die Fernsehreporterin.
Morgens um 8 Uhr hatten im Sekretariat der Ruhr-Universität die Einschreibungen begonnen. Als erster erschien Franz-Josef König, Student der Rechte aus Hagen, der die Matrikelnummer 10.000 erhielt. Fünf Kamerateams, zahlreiche Fotoreporter und Journalisten von nah und fern waren herbeigeeilt, um dieses für eine Universität einmalige Ereignis in Bild, Wort und Ton festzuhalten.“
Luftansicht des Campus der Ruhr-Universität Bochum in Nordrhein-Westfalen
Luftansicht des Campus der Ruhr-Universität Bochum in Nordrhein-Westfalen (picture alliance / blickwinkel / H. Blossey )
Damals galt die Devise, möglichst schnell möglichst viele Hochschulen in sogenannte bildungsferne Regionen zu bringen. Ins Ruhrgebiet etwa, aber auch nach Westfalen, nach Paderborn, in die hessische Provinz nach Kassel oder in alte Industriestädte wie Wuppertal oder Siegen, wo vor 50 Jahren die damaligen Gesamthochschulen errichtet wurden – Universitäten, die sich mit bestimmten Studiengängen explizit auch für Nicht-Abiturienten öffnen und damit von den Traditionsuniversitäten abheben wollten.

Allein in NRW bis zehn Milliarden Euro für Sanierungen notwendig

Viel Beton, oft auf der grünen Wiese draußen am Stadtrand – typische Architektur für die späten 60er- und frühen 70er-Jahre. Nordrhein-Westfalen wurde so innerhalb weniger Jahre zur dichtesten Hochschullandschaft Europas. Doch der akademische Aufbruch von damals ist das Sanierungsproblem von heute, sagte Ina Brandes, CDU-Politikerin und aktuelle Wissenschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen.
Aufgrund der Standards, die wir heutzutage haben, ist jede Sanierung, die wir machen, automatisch auch eine energetische Sanierung. Der Sanierungsstau in Nordrhein-Westfalen beläuft sich auf mehrere Milliarden. Es gibt etwas unterschiedliche Schätzungen dazu, wie hoch er ist, aber auf jeden Fall zwischen fünf und zehn. Wir arbeiten aktuell sehr intensiv daran, einen Plan zu entwickeln, wie wir das angehen können.“
Fünf bis zehn Milliarden Euro, alleine in Nordrhein-Westfalen. Gebaut und renoviert wird zwar ständig, an den meisten Hochschulen, oft sind Gelder im Haushalt für Sanierungen eingeplant – aber der Rückstand zu dem, was eigentlich notwendig wäre, wird immer größer.
Bauabfall-Container stehen vor dem Eingang einer Universitätsbibliothek.
An vielen Universitäten ist der Sanierungsbedarf enorm (picture alliance / dpa / Friso Gentsch)
Bundesweit ist der Sanierungsbedarf noch einmal deutlich höher, sagt Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.
„Die letzte umfassende Berechnung zum Sanierungs- und Finanzierungsbedarf im Hochschulbausektor stammt aus dem Jahre 2016. Sie belief sich damals auf 27,3 bis 34,8 Milliarden Euro. Inzwischen hat der Wissenschaftsrat in einem neuen Gutachten den Sanierungsstau noch einmal deutlich höher beziffert. Er schätzt den auf 60 Milliarden Euro.“
60 Milliarden Euro. Das ist das Dreifache des kompletten Haushalts des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Jahr 2022. Peter-André Alt:
„Das Thema hat auch eine qualitative Dimension. Wir müssen bei der Sanierung der Hochschulen ebenso wie beim Neubau daran denken, dass die Hochschulen ihre Gebäude so ertüchtigen, dass sie entsprechend auch in der Lage sind, Energiekosten zu reduzieren, sparsamer zu wirtschaften. Das heißt, wir brauchen einen wirklich nachhaltigen Bau beziehungsweise eine nachhaltige Sanierung.“

Auch Ausbau der Uni-Gebäude notwendig

Hinzu kommt: Die Studierendenzahl liegt mit aktuell knapp drei Millionen Nachwuchs-Akademikerinnen und Akademikern auf einem historischen Hoch. Bibliotheken, Mensen, Arbeitsräume sind dafür bisher nicht ausgelegt, betont Studierendenvertreterin Carlotta Eklöh.
All diese seit Jahren aufgestauten Probleme würden bevorzugt auf die Studierenden abgewälzt, kritisiert Eklöh.
„Das Problem, was wir gerade haben, ist auch tatsächlich ein bisschen durch die Digitalisierung, dass vieles in die individuellen Räume der Studierenden ausgelagert wird. Also dass die Gruppenarbeiten eben nicht an der Universität oder an den Hochschulen stattfinden, sondern dann lieber in der WG-Küche. Wenn ich mir aber keine große WG leisten kann oder nicht viele Aufenthaltsräume habe, dann wird es ein bisschen schwierig mit den Gruppenarbeiten. Und ähnlich geht es dann zum Beispiel mit Projektarbeiten weiter. Also natürlich gibt es Labore, aber dafür gibt es nicht genug. Die Auslastung ist viel zu hoch.“
Peter-André Alt, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, stimmt zu: Neue Räume würden an so gut wie allen Hochschulen benötigt. Bei der dringend erforderlichen Hochschulsanierung dürfe nicht vergessen werden, dass auch ein Ausbau des Gesamtsystems notwendig sei – nach modernen Standards.
„Wir müssen darauf achten, dass die Hochschulen den Erfordernissen moderner Lehre bei ihren Bauplanungen gerecht werden können. Das heißt vor allen Dingen, dass die Räume so flexibel gestaltet werden, dass zwischen Präsenzlehre und Lehrangebot auf der digitalen Ebene gewechselt werden kann. Dass Raumstrukturen so gestaltet sind, dass die Studierenden zwischen einer Veranstaltung, die sie in Präsenz wahrnehmen und der Wahrnehmung eines digitalen Angebots wechseln können, und dass genügend Räume für beide Aufgabenfelder einer modernen Lehre zur Verfügung stehen.“
Und, ist diese Erkenntnis an den Hochschulen schon spürbar?
„Das kommt natürlich auch sehr darauf an, wohin man guckt,“ sagt Studierendenvertreterin Carlotta Eklöh:
„Natürlich, bei Neubauten wird das mitgedacht. Oder wenn eine Hochschule komplett saniert wird, natürlich wird auch auf Digitalisierung oder die Bedürfnisse von einer digitalisierten Lehre geachtet. Gerade was diese wirklich ganz basic Ausstattung zum Thema Steckdosen angeht, würde ich jetzt persönlich sagen: es ist ganz gemischt. Wenn Steckdosen da sind, dann heißt das ja auch nicht immer, dass sie direkt funktionieren.“
Ein Hörsaal der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln ist wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Viele Studierende in Nordrhein-Westfalen lesen häufig Hinweisschilder über geschlossene Hörsäle.
Baufälliger Hörsaal in Köln: Wenn renoviert wird, muss auch den Anforderungen an die Digitalisierung Rechnung getragen werden (picture-alliance / dpa / Oliver Berg)
Fehlende Steckdosen für Laptops – damit fängt Sanierungsbedürftigkeit häufig an. Auch Birgitta Wolff als Rektorin der Uni Wuppertal kennt die Klagen über fehlende Lademöglichkeiten.
„Die sind natürlich in den alten Gebäuden alle nicht geplant. Bei den neuen ist das anders und man stückelt dann natürlich im Nachhinein mit allen möglichen Modellen bis hin zu kleinen Solarbänken, die man draußen überall hinstellt. Ne Idee ist auch dafür vielleicht perspektivisch Sponsoren zu finden, also wir probieren da jetzt ein paar Sachen einfach mal aus. Da muss man ohne Ende aufrüsten, klar. Möglichst aus grünem Strom, deswegen die Idee, dass die mit Solarenergie und mit irgendwelchen energiewirtschaftlichen Modellversuchen und Experimenten zu koppeln.“

Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern?

Die Sanierungen sollen also nachhaltig sein. Doch wie ließe sich ein solcher finanzieller Kraftakt in Höhe von 60 Milliarden Euro meistern? Nur über einen gut abgestimmten, gesellschaftlich und politisch koordinierten Prozess, sagt Peter-André Alt von der HRK, der Hochschulrektorenkonferenz.
„Zunächst: Wir brauchen einen Grundkonsens aller Parteien und Entscheidungsebenen in Bund und Ländern darüber, dass es sich hier um eine Daueraufgabe von größter Bedeutung handelt. Zweitens: Wir müssen diese Daueraufgabe als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern ansehen und auch so angehen gemäß Grundgesetz Artikel 91 b.“
Der Artikel 91 b im Grundgesetz regelt die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Dort heißt es:
Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken. Vereinbarungen, die im Schwerpunkt Hochschulen betreffen, bedürfen der Zustimmung aller Länder.
HRK-Präsident Alt fordert außerdem, dass es für Hochschulen normal werden solle, dass sie selbst Baumaßnahmen durchführen. In manchen Bundesländern liegt das komplett in der Hand des Landes, in anderen können die Unis selbst als Bauherren aktiv werden.
Auch die Uni Wuppertal hat mit dieser Rolle bereits Erfahrungen gesammelt. Denn im NRW-Hochschulgesetz ist ein sogenanntes Optionsmodell enthalten. Kleinere Sanierungsaufgaben können die Hochschulen damit selbst erledigen und bei Um- und Neubauten eigene Akzente setzen, erklärt Rektorin Birgitta Wolff und nennt ein Beispiel.
„Ein Thema ist der Raum der Stille, an vielen Orten so ein Dauerthema, weil da immer mal Räume ausgewiesen werden, die dann aus irgendwelchen nachteiligen Erwägungen dann doch wieder nicht in Frage kommen. Und da ist jetzt die Idee in unmittelbarer Nähe zu dem Gebäude, das die evangelische und die katholische Studenten- beziehungsweise Hochschulgemeinde schon nutzen, auch für andere Gruppen und Konfessionen noch was zu bauen.“
Geplant wird derzeit auch ein neues Studierenden-Café auf dem Campus. Zusätzlich soll es neue Räume für die tägliche Zusammenarbeit geben.
„Wir nennen das Ideenschmiede, also im Grunde so ein Kreativzentrum, wo es einfach auch noch mal darum geht, Räume, Begegnungsräume für Teams, die irgendwie was machen wollen, studentische Teams oder auch gemischte Teams und für Events zu schaffen, das könnte auch in die Nähe des Raums der Stille kommen, da ist noch so ein bisschen Platz im Grünen. Und wenn das wirklich so eine Modulbauweise ist, die von den Kosten her handhabbar bleibt, wären das so Dinge, die wir relativ schnell planen könnten, sodass die jetzigen Studierenden-Generationen vielleicht auch noch was davon haben könnten. Und wir auch.“
Der "Raum der Stille" auf dem Campus der Universität Hamburg.
In sogenannten Räumen der Stille sollen Studenten ihren Glauben ausüben können, doch oftmals fehlen an Hochschulengeeignete Räumlichkeiten dafür (picture alliance / Christian Charisius)

Uni-Budgets reichen nicht für Instandhaltung der Gebäude

Wie viel Geld hat die Universität pro Jahr für solche Projekte zur Verfügung? Kanzler Ronald Kischkel:
„Also, das Geld haben wir überhaupt nicht. Wir haben kein Geld dafür, sondern das Geld hat das Land und das bewirtschaftet es in einer Weise, die für uns nicht völlig durchschaubar ist. Wir bezahlen pro Jahr 23 Millionen Miete, die steigt jährlich immer so ein bisschen an, und allen ist bewusst, dass das nicht komplett dazu ausreicht, den kleinen Baunterhalt zu machen oder auch ihren Ersatz nach 30, 40, 50 Jahren – das ist ja eine typische Lebensdauer – dann auch zu finanzieren.“
Das Land ist also Eigentümer der Gebäude, die es an die Universität vermietet. Gleichzeitig gibt es der Universität Geld, mit dem die Miete bezahlt wird. Doch für eine ordentliche Instandhaltung reichen die kalkulierten Summen nicht aus, sagt Kischkel – und das wüssten auch alle Beteiligten.
„Und wenn ein Gebäude saniert wird, komplett saniert wird, dann kann man über den Daumen sagen, dass es hinterher 50 bis 60 Prozent mehr Miete kostet als vorher.“

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Wer soll die massiven finanziellen Belastungen tragen?

Das heißt: Jede Erneuerung, jede Sanierung führt dazu, dass das Land auch das Mietbudget der Uni deutlich aufstocken muss.
Vor zwölf Jahren gab es zuletzt eine Kalkulation, wie teuer die Komplettsanierung der Uni Wuppertal wäre - samt Erneuerung der Fenster und der Elektrik, der Flachdächer, der Heizungsanlage. Die Fachleute kamen auf eine Summe von 300 bis 350 Millionen. Heute, schätzt Kanzler Roland Kischkel, dürfte die benötigte Summe wohl eher bei 500 Millionen Euro liegen. Bei einer einzigen Hochschule von insgesamt über 420 in Deutschland. Und bei diesen Dimensionen ist klar: Schnelle Abhilfe ist kaum zu erwarten. Peter-André Alt von der Hochschulrektorenkonferenz:
„Wir brauchen vor allen Dingen eine langfristige Planung. Das setzt voraus, dass die einzelnen Bundesländer eine klare Projektion haben, was sie für einen Bedarf haben, dass sie wissen, was genau ansteht. Es ist so, dass wir diese Aufgabe nicht in wenigen Jahren, sondern nur in einer großen Spanne von wahrscheinlich zwei Jahrzehnten bewältigen können. Aber wir müssen jetzt damit beginnen.“
Aber können die Länder diese enormen finanziellen Belastungen überhaupt stemmen? Oder ist dafür Geld des Bundes notwendig, ein Sonderprogramm möglicherweise? NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes:
Für den Hochschulbau sind die Länder zuständig. Also normalerweise ist es ja auf Landespolitikerebene reflexhaft so, dass wir nach dem Bund rufen. Hier ist es ganz klar geregelt, dass das unsere Aufgabe ist und wir werden uns da auch im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten intensiv widmen.“
Was das bedeutet, ist bisher noch unklar - konkretere Summen will die Ministerin noch nicht nennen.
Derzeit laufen die Verhandlungen zwischen den Ministerpräsidenten der Bundesländer und dem Bundeskanzler über die Haushaltsplanungen für die kommenden Jahre. Ein Thema sind dabei auch die Etats für öffentliche Gebäude, die angesichts der Energiekrise dringend saniert werden müssen. Viel wird davon abhängen, welche Ergebnisse dort erzielt werden. Doch man dürfe angesichts der großen, langfristigen Herausforderungen nicht die kurzfristigen Probleme vergessen, warnt Studierendenvertreterin Carlotta Eklöh. Sie befürchtet, dass wegen des maroden Zustands der Hochschulen viel auf die Studierenden abgewälzt wird:
„Das darf nicht in die individuellen Räume getragen werden. Denn am Ende bedeutet 'Wir schließen unsere Hochschulen aufgrund nicht vorhandener Energieeffizienz‘, das bedeutet für Studierende, dass sie nach Hause gehen, ihren Laptop aufklappen und dort die gestiegenen Energiekosten haben, die eh schon auf sie zukommen.“
Die Hochschulen sollen im Wintersemester offenbleiben, trotz gestiegener Energiepreise, verspricht NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes. Da sei sie sich mit den Rektorinnen und Präsidenten der Unis, Fachhochschulen, Kunst- und Musikhochschulen einig. Angesichts des Zustands vieler Gebäude könne es aber etwas ungemütlicher werden, ergänzt sie. Schnelle Abhilfe für den Sanierungsstau ist nicht in Sicht.