Donnerstag, 28. März 2024

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Klarinettist Martin Fröst: Night Passages
Anrührend und persönlich

Gibt es Erinnerungen an die Zeit vor der Geburt? Der Klarinettist Martin Fröst sagt: ja. Zustände der Ruhe und Dunkelheit umkreist sein neues Album „Night Passages“. Das Ergebnis ist stilistisch vielseitig und klanglich berauschend schön.

Von Elisabeth Richter | 04.05.2022
Ein Mann trägt schwarze Kleidung mit weißen Schuhen. Er sitzt auf einem Tisch, zieht ein Knie hoch und stützt seinen Kopf auf seinen linken Arm. In der rechten Hand hält er seine Klarinette. Es ist der schwedische Klarinettist Martin Fröst.
Sucht mit seiner Klarinette immer wieder neue Herausforderungen: der Schwede Martin Fröst (JONAS HOLTHAUS PHOTOGRAPHY)
So eine Idee muss man erst einmal haben: Eine original für Klavier komponierte Sonate von Domenico Scarlatti für Klarinette und Kontrabass zu arrangieren. Cembalo- oder Klavier-Puristen mögen die Nase rümpfen. Aber wenn großartige Musik mit einer solchen Ausdruckskraft gespielt wird, rückt Werktreue in den Hintergrund. So unorthodox beginnt das neue Album von Martin Fröst: "Night Passages".

Musikalisch auf den Spuren der Nacht

19 Titel führen in feinfühlig abwechslungsreich choreografierter Dramaturgie in das Grenzreich von Traum und Wirklichkeit, zu verborgenen Erinnerungen und Wünschen.
Night Passages ist ein sehr persönliches Album. Im Booklet erzählt Martin Fröst etwa von seiner Ménière-Krankheit, akuten Schwindelanfällen. Sie habe ihn dazu gebracht, über prägende musikalische Erinnerungen nachzudenken, Stücke, die für ihn wichtig waren. Er ist sich etwa sicher, dass er seine Mutter Henry Purcells „Music for a while“ hat singen hören, bevor er geboren wurde. Andere Stücke sind mit großen Künstlern oder Persönlichkeiten verbunden.

Prägende musikalische Erlebnisse

Deshalb gibt es „It never entered my mind“ von Richard Rodgers, das der große Miles Davis spielte, und den Martin Fröst im Konzert erlebt hat. Eine andere Erinnerung führt zum legendären Mäzen Paul Sacher, der mit 92 Jahren den damals blutjungen Fröst für ein Konzert engagierte, wo der Klarinettist u. a. mit Rameau und Händel auftrat.
Die Erinnerungen an prägende Musikerlebnisse sind die eine Facette der „Night Passages“ von Martin Fröst. Die andere Facette sind die wirkungsvollen Arrangements.
in Mann mit blonden kurzen Haaren lehnt gegen eine rote Wand. Er lacht. Es ist der schwedische Klarinettist Martin Fröst.
Der schwedische Klarinettist Martin Fröst ist ein hervorragender Musiker, den aber gleichzeitig noch ganz andere Fragen als die korrekte Interpretation umtreiben. Er will neue Anstöße im Musikbetrieb geben, Genregrenzen ausreizen, neue Konzertformate ausprobieren. (JONAS HOLTHAUS PHOTOGRAPHY)
Es ist der ungewöhnliche „Sound“, Klarinette, Kontrabass und Klavier, in dem Bach, Rameau und andere daherkommen. Fröst hat sie gemeinsam mit seinen fantastischen Partnern auf diesem Album entwickelt und erprobt, dem Bassisten Sébastien Dubé und dem Pianisten Roland Pöntinen.

Keine Originalkompositionen, dafür anregende Arrangements

Die drei Musiker harmonieren perfekt. Wie selbstverständlich sie vom einen ins andere Jahrhundert springen, begeistert. Die Auswahl der Werke liest sich - eine Spur populistisch - ein bisschen wie eine Hitliste aus Klassik und Jazz. Und dabei gibt es keine einzige Originalkomposition für Klarinette. Night Passages, das ganz eigene und eigenwillige Album des Klarinettisten Martin Fröst ist eine kurzweilige Reise durch die Musik-Epochen und Stile, klanglich hochspannend, und einfach sehr anrührend musiziert.
Night Passages
Martin Fröst, Klarinette
Roland Pöntinnen, Klavier
Sébastien Dubé, Kontrabass

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