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Maßnahmen gegen Russland
"Gas- und Öl-Einkäufe reduzieren"

Er halte nicht viel von Sanktionen gegen Russland, diese hätten sich in der Vergangenheit oft als wenig wirksam erwiesen, sagte Michael Fuchs, stellvertretender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, im Deutschlandfunk. Mit einer Kürzung der Öl- und Gaseinkäufe in Russland lasse sich mehr erreichen.

Michael Fuchs im Gespräch mit Bettina Klein | 20.03.2014
    Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag (CDU), Michael Fuchs
    Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag (CDU), Michael Fuchs (dpa / Karlheinz Schindler)
    Bettina Klein: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union werden ein weiteres Mal heute und morgen versuchen, sich auf eine gemeinsame Antwort auf die Entwicklung in der Ukraine zu verständigen. Michael Fuchs ist einer der stellvertretenden Vorsitzenden der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag und jetzt am Telefon. Guten Morgen!
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Frau Klein!
    Klein: Herr Fuchs, die deutsche Wirtschaft sorgt sich. Der Ostausschuss hat noch einmal gestern vor Wirtschaftssanktionen gegen Russland gewarnt. Muss die Außenpolitik auch im Fall Russland dringend Rücksicht auf deutsche Wirtschaftsinteressen nehmen?
    Fuchs: Man kann da natürlich die deutsche Wirtschaft verstehen. Es gibt gute Kontakte mit Russland, über 6.000 Firmen sind in Russland tätig und haben Geschäft mit Russland. Aber auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch das Völkerrecht betrachten. Die Russen haben grob und in einer Weise, die wir uns eigentlich nicht mehr vorstellen konnten, das Völkerrecht missachtet und haben die Krim in einer Weise eingenommen, die wir ihnen auch nicht zugetraut hätten. Da sind Antworten notwendig, das kann auch zu Wirtschaftssanktionen führen. Ich bin kein Freund von Sanktionen, das hat sich in vieler Hinsicht auch als nicht wirklich besonders wirksam erwiesen. Aber wenn es denn wirklich sein muss, dann bleibt uns nichts anderes übrig.
    Klein: Das heißt, Sie würden bei den Wirtschaftsverbänden und auch bei Unternehmen um Verständnis werben und versuchen, die doch noch zu überzeugen?
    Fuchs: Das tue ich und ich werbe auch darum, glaube allerdings, dass wir andere Maßnahmen haben, die Russland mehr und intensiver treffen würden. Ich persönlich bin der Meinung, wir sollten intensiv darüber nachdenken, wie wir verhindern, dass Russland zu viel Geld bekommt, und das geht ziemlich einfach. Wenn wir weniger Gas und Öl, fossile Brennstoffe inklusive Kohle von Russland beziehen, dann haben wir weniger an Russland zu bezahlen, und ich denke, das trifft eigentlich viel schneller und wirksamer als Wirtschaftssanktionen. Denn Wirtschaftssanktionen haben den Nachteil, dass sie umgangen werden. Das haben wir am Iran gesehen. Dort gibt es seit 15 Jahren Wirtschaftssanktionen und eigentlich erst in den letzten zwei, drei Jahren hat sich bemerkbar gemacht, im Iran bemerkbar gemacht, dass diese Sanktionen da sind.
    Klein: Sie sprechen die Energieabhängigkeit, auch gerade was das Gas angeht, von Deutschland, aber auch von Staaten der Europäischen Union an. Nur wie realistisch ist denn das, relativ schnell Unabhängigkeit herzustellen?
    Fuchs: Frau Klein, ich sehe da schon durchaus Möglichkeiten, denn wir haben in Europa mehrere Terminals für Flüssiggas, was wir beispielsweise aus Katar und aus dem Mittleren Osten beziehen könnten. Wir haben jede Menge Öl-Terminals, wir könnten Öl beispielsweise aus Nigeria, aus den USA, aus Venezuela, aus Mittelamerika etc. beziehen. Wir müssen nicht unbedingt russisches Öl und auch nicht unbedingt russisches Gas verheizen. Meiner Meinung nach wäre das schon ein durchaus spürbarer Fakt, denn in dem Moment würde natürlich auch die Rechnung der Russen an Deutschland beziehungsweise an Europa niedriger ausfallen und weniger Einnahmen für den russischen Staat da sein.
    Klein: Weshalb wird das denn bisher noch nicht gemacht, wenn das so einfach zu realisieren ist?
    Fuchs: Es ist nicht ganz so einfach. Man muss natürlich erst einmal die Lieferbeziehungen umstellen. Aber ich halte das für eine durchaus überdenkbare Variante, die vielleicht besser wirkt und schneller wirkt, vor allen Dingen schneller wirkt als irgendwelche Wirtschaftssanktionen, die allenfalls langfristig eine Wirkung zeigen werden.
    Klein: Und Sie sehen da Entschlossenheit bei der Bundesregierung, diesem Weg zu folgen?
    Fuchs: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das ein Thema auf dem heutigen Gipfel in Brüssel sein wird, denn das ist die Methode, die die Russen am allerschnellsten spüren. Einnahmen gehen zurück, die berühmten Oligarchen werden davon am allermeisten getroffen, und ich kann mir vorstellen, dass die dann ihren Einfluss auf Putin und das russische Regime stark machen werden.
    Klein: Ich habe darüber gerade mit Martin Schulz gesprochen, dem SPD-Politiker und Präsidenten des Europaparlaments, und genau auch ihn danach gefragt. Wir hören mal kurz in seine Antwort hinein.
    O-Ton Martin Schulz: “Da geht es um das Einfrieren von Konten, da geht es um die Energiewirtschaft, um den Import von Gas. Das hat auch Rückwirkungen auf uns selbst. Insofern wird man sehr vorsichtig sein, ob man diese dritte Stufe sofort verhängt.“
    Klein: Sehr vorsichtig sein wegen der Auswirkungen natürlich auch auf die deutschen Wirtschaftsinteressen. Das überzeugt Sie aber nicht?
    Fuchs: Nein! Ich bin der Meinung, dass wir klare Kante zeigen müssen. Es kann nicht sein, dass jetzt beispielsweise das, was Putin in der Krim getan hat, in der Ost-Ukraine weitergeht, oder auch gar noch in anderen Ländern, Transnistrien als Stichwort. Das darf nicht der Fall sein, denn Völkerrecht kann nicht weiter gebrochen werden. Das ist einmal und das war schon einmal zu viel.
    Klein: Schauen wir noch auf das Thema Rüstungsexporte. Da ist gestern vom Bundeswirtschaftsministerium signalisiert worden an die Firma Rheinmetall, ein hochmodernes Gefechtsübungszentrum sollte besser nicht an Russland geliefert werden im Augenblick. Stimmen Sie da zu?
    Fuchs: Ja, ich halte das für richtig. Wir sollten gerade in dieser Phase nicht Material, was im Prinzip militärischen Dingen dient, nach Russland liefern. Das ist jetzt nicht gerade der Zeitpunkt, an dem solche Exporte stattfinden dürfen. Ich halte das schon für richtig, dass das Bundeswirtschaftsministerium hier ein Stoppsignal gesetzt hat. Man muss mit Rheinmetall diskutieren, das ist ja ein bestehender Auftrag, wie die wirtschaftliche Situation von Rheinmetall sich darstellt. Da muss man unter Umständen auch helfen. Aber jetzt Kriegsmaterial an Russland zu liefern, das halte ich für verwegen.
    Klein: Sie sagen aber projektbezogen und nicht grundsätzlich einen Rüstungsexportstopp Richtung Russland verhängen?
    Fuchs: Ich bin der Meinung, momentan sollten wir keine Rüstungsgüter an Russland liefern, denn solange Russland sich in dieser schwierigen Situation mit uns befindet, glaube ich, dass das nicht gerade der richtige Zeitpunkt ist.
    Klein: Was sagen Sie dann aber zu dem Argument, das ja auch von Wirtschaftsverbänden, von Unternehmen kommt, nicht nur, aber eben auch von denen, wir müssen ganz im Gegenteil viel stärker in der Zukunft auf Dialog mit Russland setzen, wir müssen die Bedenken, die dort entstanden sind in den vergangenen Jahren, viel ernster nehmen und in Teilen trägt auch die Europäische Union, tragen auch die Regierungen hier eine gewisse Mitverantwortung an der Eskalation, die wir jetzt in der Ukraine gesehen haben?
    Fuchs: Prinzipiell bin ich grundsätzlich dafür, dass wir in die Diskussion mit Russland einsteigen, dass wir um Gottes Willen jetzt nicht Gesprächskontakte abbrechen etc. Das darf gar nicht der Fall sein, war aber auch eigentlich nicht der Fall, denn ich weiß, dass die Bundeskanzlerin in engem Kontakt mit Herrn Putin und auch der russischen Regierung steht, dass wir Regierungskonsultationen auf allen Ebenen permanent gehabt hatten. Der Bundeswirtschaftsminister war letzte Woche noch in Moskau gewesen. Wir müssen natürlich weiter diskutieren, aber auch klar machen, die Europäische Union steht für Freiheit, für Freiheit der Völker, die Völker müssen selbst bestimmen dürfen, in welche Richtung sie tendieren. Es kann nicht sein, dass irgendein Staat sich herausnimmt, einen anderen Staat auch nur in Teilen zu besetzen.
    Klein: Wenn ich die Entwicklung heute Morgen richtig interpretiere, dann gehen die Signale doch aber eher dahin zu sagen, wir müssen das, was jetzt auf der Krim ist, akzeptieren, die Krim gehört nun zu Russland, es wäre nicht so schön, wenn jetzt weitere Teile abgespaltet werden würden, aber im Prinzip scheinen, die Signale jetzt doch möglicherweise auch beim EU-Gipfel eher auf Dialog und auf Deeskalation von Seiten der Europäischen Union zu stehen. Ist das für Sie der richtige Schritt im Augenblick?
    Fuchs: Wenn dabei klargestellt ist, dass es nicht in irgendeiner Weise weitergehen kann, dann mag das ein Weg sein. Aber trotzdem ist das nicht akzeptabel, was die Russen gemacht haben, und ich halte es auch für richtig, dass man über Sanktionen der Gestalt nachdenkt, dass bestimmte Dinge nicht gemacht werden, Stichwort G8-Gipfel in Sotschi etc. Das sind Dinge, die müssen zurückhaltend betrachtet werden. Man kann auch über die Fußball-Weltmeisterschaft, die ja in vier Jahren in Russland sein soll, nachdenken, ob Russland in dem Fall, wenn es andere Staaten besetzt oder Teile von anderen Staaten besetzt, der richtige Partner ist.
    Klein: Der CDU-Politiker Michael Fuchs heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk über die möglichen und vielleicht wünschenswerten Reaktionen mit Blick auf die Ukraine. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Fuchs.
    Fuchs: Vielen Dank, Frau Klein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.