Modest Mussorgskis visionärer Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ kann ganz verschieden klingen. So sprach der Komponist über sich selbst:
„Nach seinem künstlerischen Glaubensbekenntnis ist die Kunst ein Mittel, mit den Menschen zu sprechen! - nicht Ziel an sich. Diese Überzeugung bestimmt seine ganze schöpferische Tätigkeit.“
Modest Mussorgskis eigene Worte künstlerischer Vergewisserung. Der russische Komponist, geboren 1839, hat sie einer Selbstbiografie anvertraut, die er am Ende seines kurzen Lebens verfasste. Die Kunst soll mit den Menschen sprechen.
Modest Mussorgskis eigene Worte künstlerischer Vergewisserung. Der russische Komponist, geboren 1839, hat sie einer Selbstbiografie anvertraut, die er am Ende seines kurzen Lebens verfasste. Die Kunst soll mit den Menschen sprechen.
So führte Ravel von Bild zu Bild
Mussorgskis Betrachter der „Bilder einer Ausstellung“ - das ist hier und jetzt der Musikhörer, der sich in die Bilder hineinversetzt. Die Musik will das ausdrücken. Variierte Zwischenspiele, sogenannte Promenaden, führen von Bild zu Bild.
Modest Mussorgski komponierte die „Bilder einer Ausstellung“ 1874, zwei Jahre nach seiner großen Volks- und Zarentragödie „Boris Godunow“. Die zehn Teile des Klavierzyklus beschreiben Bilder und Aquarelle des Malers und Architekten Viktor Hartmann – von Mussorgskis gestorbenem Freund, den man mit einer Ausstellung ehrte. Den harten Klavierton Mussorgskis haben Bearbeiter orchestral zu verfeinern gesucht, doch keiner hat die Klangfiguren des Stücks so genial erweitert und gedeutet wie der Franzose Maurice Ravel. Sergej Kussewitzky, der nach der russischen Revolution nach Paris emigrierte Dirigent, hatte Ravel den Auftrag dazu erteilt. Am 19. Oktober 1922 erklangen die jetzt verwandelten, farbintensiven Klangbilder unter Kussewitzkys Leitung in der Pariser Oper zum ersten Mal.
Bydlo, der klobige Ochsenkarren, rollt dahin auf riesigen Rädern – und reiht sich düster ein in Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“. Der schlichte Volksliedcharakter, hier in der dunklen Bass-Lage, macht die Echtheit, die emotionale Wucht der Erfindung Mussorgskis fühlbar. Ihn trieb der Wunsch, eine nationalrussische, von allen westlichen Einflüssen unabhängige Kunst zu schaffen. Mussorgskis unbedingte Wahrhaftigkeit des Ausdrucks beeindruckte später den jüngeren Kollegen aus Frankreich, den großen Claude Debussy:
„Niemand hat so zart und tief das Beste in uns angerührt. Seine absichtslose, von verknöcherten Formeln freie Kunst ist einzigartig und wird es bleiben. Nie hat eine so verfeinerte Sensibilität sich so einfach auszudrücken vermocht.“
Das drolligste Bild in Mussorgskis musikalischer Ausstellung nennt sich „Ballett der Küken in ihren Eierschalen“. Andere Bilder folgen – so das Palaver zweier polnischer Juden, der eine reich, der andere arm. Dem wiederum folgt der turbulente Marktplatz in Limoges, folgt die Dämonie der Katakomben in Paris. Das „Große Tor von Kiew“ bestreitet mit grandezza das Finale.
Mehr als der Prototyp moderner Programmmusik
Der Effekt der Mussorgski-Bilder ist bis heute überwältigend, man hörte in ihnen das Muster einst moderner Programmmusik. Falsch! Die Musik beschreibt keineswegs „die gemalten Bildchen“, so Wassily Kandinsky. Er hat das erkannt, als er 1928 am Theater Dessau Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ mit Hilfe seiner Bilder vorführte. Er hörte nur Mussorgskis Erlebnisse mit den Bildern. Maurice Ravel hat sie vom Klavier in die höchste Orchesterkunst überführt.