Dienstag, 30. April 2024

Meinung
Durchmarsch der populistischen Talkshow-Clowns

Männer wie Donald Trump, Javier Milei oder Boris Johnson gelangen auch deshalb an die Macht, weil sie unterhaltsam sind, meint Marina Weisband. Und warnt: Das deutsche mediale System hätte keinerlei Immunschutz gegen Rechtspopulisten mit Charisma.

Eine Kolumne von Marina Weisband | 10.04.2024
Ein Motivwagen zum Thema Holzköpfe Chinas Präsident Xi Jinping, GroÃbritanniens Premierminister Boris Johnson, Russlands Präsident Vladimir Putin, US-Präsident Donald Trump sowie der nordkoreanische Staatsführer Kim Jong Un steht beim Richtfest des Kölner Rosenmontagszug 2020 in der Wagenhalle. hier werden die Motivwagen / Persiflagewagen zum ersten Mal gezeigt, die am Rosenmontag durch die Kölner StraÃen fahren.
Trump und Johnson - als "Clowns" waren sie bereits im Kölner Rosenmontagszug 2020 unterwegs (picture alliance / dpa / Horst Galuschka)
Welche Eigenschaft haben die gefährlichsten Männer der Welt? Sind sie herzlos? Getrieben? Intelligent? Meine These: Die gefährlichsten Männer der Welt sind unterhaltsam. Derzeit erleben wir im weltweiten Untergang von Demokratien den Durchmarsch des populistischen Talkshow-Clowns. Seien es Donald Trump, Javier Milei oder Boris Johnson – immer wieder kommen Männer an die Macht, von denen man sich fragt, wie so viele Menschen auf so jemand hereinfallen können. Doch fallen Menschen herein. Massenweise.
Ich werde aus dieser Analyse jetzt alles auslassen, was zu Aufstieg von Populismus insgesamt führt: Transformationsphasen, die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, enttäuschte Zukunftserwartungen und Ausbeutung, Vereinsamung und Unsicherheit. Mich interessiert der Anteil der Medien an diesem Phänomen: Warum sind alle diese Populisten so seltsam. Warum steht Trump so komisch? Was ist mit Johnsons Frisur los? Warum können diese Leute nicht normal sein? 

Trump: Wenn Medien Wahlkampfhelfer werden

Hier liegt auch schon die Antwort. Sie können nicht normal sein, weil sie unterhaltsam sind, wie sie sind. Nehmen wir das Beispiel Trump. Man kann ihn mit allen negativen Adjektiven belegen – nur nicht langweilig. Von seinem Aussehen, über seine Sprache, seine Verwendung irrer Spitznamen und Vergleiche, seine Geschäfte, und die ganze um ihn entstehende Mythologie: Kurios, schillernd. Es ist wie ein Autounfall, man kann nicht wegschauen.
Entsprechend schaut man auch hin: jeder Tweet, jedes Interview, jede Handbewegung Trumps wurde in seinem Wahlkampf 2016 in jeder Sendung und Publikation analysiert. Man wollte es verstehen. Und während man es verstehen wollte, hörte man seine Parolen. Wieder und wieder und wieder. Internationale Medien machten sich zu kostenlosen Wahlkampfhelfern des Kandidaten. Während die Welt darüber rätselte, ob er ein Toupet trägt oder warum er so Orange ist, griff er die Demokratie frontal an und machte die USA aktiv unsicherer für Immigranten, queere Menschen und Frauen. 

Er ist einfach so verdammt unterhaltsam

Nach der Wahl von Biden schien man die Lektion gelernt zu haben. Medienmagazine arbeiteten diesen Hype auf und zogen Schlüsse. Der Late-Night-Moderator Stephen Colbert beschloss zum Beispiel, den Namen Trump in seiner Sendung gar nicht mehr zu nennen. Man wollte den Typen einfach in Vergessenheit belassen. Und fast hätte es ihn tatsächlich Einfluss in der Republikanischen Partei gekostet. Fast. Bloß: Er ist einfach so verdammt unterhaltsam.  
Inzwischen gibt es weder bei Stephen Colbert noch in irgendeiner anderen Late-Night- oder Nachrichten-Sendung eine einzige Folge ohne das Ausrollen der neuesten Eskapaden des Expräsidenten. Er verkauft jetzt Turnschuhe und Bibeln – hihi – er ist angeblich pleite – haha! – er vergleicht Immigranten mit Tieren – oh Gott! Und in den Umfragen liegt er wieder vor Biden.  

Und Deutschland? Nicht resilient gegen Figuren mit Größenwahn

Wissen Sie, warum mich das beschäftigt? Noch hat die AfD es nicht geschafft, aber stellen Sie sich vor, sie findet irgendwann zufällig jemanden mit einem Funken Charisma, der die gleiche Art von Talkshow-Clown spielen kann. Unser mediales System hat keinerlei Immunschutz dagegen. Wir wären aufgeschmissen.  
Die Einschätzung, was tatsächlich vervielfältigt werden sollte und was einfach nur gute Quote bringt – sofern diese Unterscheidung noch eine Rolle spielt – sollten wir aushandeln, bevor die Frage akut wird. Denn Deutschland hat sich historisch nicht resilient gezeigt gegen lächerliche Figuren mit Größenwahn, Hass und einem hohen Unterhaltungswert.
Marina Weisband, 1987 in der Ukraine geboren, ist Beteiligungspädagogin, Publizistin, Diplom-Psychologin, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und hat am Grundsatzprogramm der Partei mitgewirkt. Sie schreibt zu Themen wie Medien und politischer Partizipation und leitet seit 2014 das Schülerbeteiligungsprojekt aula.