Großbritannien
Wie die Premier League unter staatliche Aufsicht gerät

Die britische Regierung wird zukünftig den englischen Profifußball überwachen und will damit mögliche finanzielle Exzesse verhindern. Doch dahinter steckt auch Wahlkalkül. Die Poltiker glauben, mit Fußball Wählerstimmen gewinnen zu können.

Von Constantin Eckner | 24.03.2024
Der britische Premierminister Rishi Sunak winkt während des Premier League-Spiels im St. Marys Stadium in Southampton von der Tribüne.
Die meisten englischen Vereine befinden sich in der Hand von ausländischen Unternehmern und Investoren. Um Exzesse und finanzielle Trubulenzen zu verhindert, will die Politik den englischen Fußball künftig von einer unabhängigen Stelle überwachen lassen. (IMAGO / Adam Davy)
Die englische Premier League verkörpert wie keine andere Liga in der Welt den fußballerischen Turbokapitalismus. Höher, weiter, kostspieliger, lautet seit vielen Jahren das Credo. Die Top-Klubs kommen ohne finanzstarke Geldgeber nicht aus. Allerdings ist die wirtschaftliche Lage in den drei Profiligen unterhalb der Premier League alles andere als rosig.
Eigentlich sollten sich die Premier League und die English Football League (EFL), der Dachverband der zweiten bis vierten Liga, auf ein finanzielles Abkommen einigen. Dadurch hätte die EFL jedes Jahr Unterstützungszahlungen erhalten. Dazu kam es nicht. Stattdessen tritt nun die britische Regierung des Konservativen Prime Ministers Rishi Sunak auf den Plan.

Holt man mit Toren Wählerstimmen?

"Es gab viel negative Publicity rund um kleinere Klubs, die wegen finanzieller Probleme in die Insolvenz gehen mussten oder sogar liquidiert wurden", sagt Martyn Ziegler, Chefreporter der Tageszeitung "The Times". "Ich glaube, viele Leute argumentieren, dass die Eigentümer dieser Klubs nicht die geeigneten Personen sind, denen man es nicht erlauben darf, Klubs zu besitzen, Geld aus diesen Klubs herauszuziehen und diese in die Insolvenz zu führen. Ich denke, es gab mehrere Entwicklungen, die dazu geführt haben, dass sich die Regierung nun dazu entschied, einzuschreiten. Sie glaubt, in gewissen Wahlbezirken, gewissen Regionen Englands, kann man damit Stimmen gewinnen."
Ein einschneidender Moment war die de-facto-Liquidierung des Traditionsclubs Bury FC nach der Saison 2018/19. Dieser Klub existierte seit 1885, übernahm sich aber finanziell und spielt aktuell unter neuem Namen in der 9. Liga. Die britische Regierung wird nun einen sogenannten "Independent Regulator" einsetzen. Der kann als staatliche Einrichtung den englischen Profiligen Regularien auferlegen und ein Lizensierungsverfahren einführen.

Die European Super League wird mit dem Gesetz blockiert

In einer offiziellen Erklärung vom Montag heißt es: "Der Regulator wird die finanzielle Nachhaltigkeit fördern und die Möglichkeit besitzen, Klubs mit Strafen in Höhe von bis zu zehn Prozent des Umsatzes für Nicht-Einhaltung der Regeln zu belegen. Geschlossene Wettbewerbe wie die European Super League werden unter der neuen Gesetzgebung blockiert."
Wenngleich das Szenario einer unabhängigen Super League, der sich einige englische Top-Klubs anschließen, aktuell äußerst unrealistisch scheint, hat der einstige Versuch im Jahr 2021, eine solche ins Leben zu rufen, im englischen Fußball doch Spuren hinterlassen. "Der zweite Vorgang war eine Analyse des Zustands des englischen Fußballs durch die frühere Sportministerin Tracey Crouch. Fangruppen wie die Football Supporters' Association waren involviert. Die wichtigsten Ergebnisse wurden vor ein paar Jahren veröffentlicht. Die Regierung reagierte darauf und sah, wie erfolgreich man war, die European Super League zu verhindern. Deshalb wurde entschieden, die Idee des Regulators weiter voranzutreiben", sagt Martyn Ziegler.

In Deutschland schon einen guten Schritt weiter

In den deutschen Profiligen existiert bereits ein Lizenzierungsverfahren. Die Klubs müssen Bilanzen und Kalkulationen vorlegen und viele Standards erfüllen, um die Genehmigung der Deutsche Fußball Liga beziehungsweise des Deutschen Fußball-Bundes zur Teilnahme am Spielbetrieb zu erhalten.
Eine Einmischung der Bundesregierung in den Fußball wie von der britischen Regierung geplant, ist jedoch nahezu undenkbar, sagt der Sportrechtsexperte Martin Stopper: "Insbesondere mit Bezug auf Deutschland muss man klar sehen, dass hier die Autonomie des Sports im Vordergrund steht. Und die Autonomie des Sports sorgt natürlich auch dafür als Idee, dass man sich selbst reguliert und sich seine eigenen Regeln gibt. Und auch da gibt es wiederum Grenzen. Das müssen wir auch tagtäglich erfahren in unserem juristischen Berufsleben, im Sport, dass das Kartellrecht nicht alles zulässt. Also man kann sich nicht seinen Kuchen so backen, wie man möchte und sagen: 'Du bist ein guter Investor, du bist ein schlechter Investor, so viel Schulden darfst du machen und so viel Geld darfst du hier und da leihen.' Das hat alles seine Grenzen."

Fußball als Kulturerbe? Die Entwicklung der letzten Jahre sieht anders aus

Stopper interpretiert den Vorstoß der britischen Regierung so: "Der Fußball wird hier von den englischen Politikern in eine Heiligkeit gehoben, die ihresgleichen sucht und auch zum Schmunzeln anregt, weil man den Eindruck hat, dass der Fußball den gleichen Schutz bedarf wie jede Art von öffentlicher Grundversorgung, auf die ein Bürger Anspruch haben sollte, wie fließend Wasser, Strom, Heizung oder vielleicht noch eine Autobahn."
In Großbritannien ist häufig die Rede von "Heritage", also von Fußball als Kulturerbe. Doch die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, in denen sich Großinvestoren aus Russland und der Golfregion zusehends in der Premier League breitmachten, läuft der Kulturpflege zuwider. Althergebrachte Traditionsclubs wie Preston North End oder West Bromwich Albion müssen sich deshalb ebenfalls in die Hände von Investoren begeben, ohne dass stets auf finanzielle Nachhaltigkeit geachtet wird.
So spektakulär die Premier League auch sein mag, ein "höher, weiter, schneller" zieht auch negative Konsequenzen nach sich. Eine davon ist nun der Verlust der Autonomie des englischen Profifußballs.