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Pro-russische Desinformation
Fake News erklären

Mit Fake Videos und erfundenen Nachrichtenseiten wird online Stimmung gegen die Russland-Sanktionen gemacht. Die deutsche Politik ist besorgt. Doch es gibt Möglichkeiten, der Desinformation etwas entgegenzusetzen - zum Beispiel indem deren Mechanismen erklärt werden.

Von Gesine Dornblüth | 05.09.2022
Ein Plakat mit der Aufschrift "Nein zu Fake News" hängt an einer Hauswand in einer Filmkulisse
Plakat "Nein zu Fake News" (dpa / Horst Galuschka)
Die Links verbreiten sich massenweise in den Sozialen Medien - per Whatsapp, Telegram oder Facebook - und sie führen vermeintlich auf Onlineseiten seriöser Medien. Auf einer Webseite, die der des Nachrichtenmagazins "Spiegel" täuschend ähnlich sieht, war zum Beispiel diese Schlagzeile zu lesen: "Eine Schule in Bremen explodierte, weil man versuchte, Gas zu sparen"
Im dazugehörenden Video heißt es unter anderem, dass die Explosion zu einem Großbrand geführt habe, der auf benachbarte Gebäude übergegriffen habe.
Die Geschichte ist frei erfunden und offenbar Teil einer umfangreichen Desinformationskampagne, für die etliche bekannte Medienmarken aus Deutschland und anderen europäischen Ländern missbraucht werden. Wie das Nachrichtenportal t-online berichtet, verbreiten sich die Links zu den erfundenen Nachrichten vor allem über pro-russische Fake Accounts.
Den Recherchen von t-online war eine Fake-News-Geschichte vorangegangen, von der das Nachrichtenportal selbst betroffen war: Ende Juli erschien ein Video auf einer Internet-Seite, die der des Nachrichtenportals bis ins Detail ähnelte. Zu sehen sind Bilder von Straßenblockaden mit Traktoren und LKWs sowie Demonstranten, die angeblich gegen "EU-Führer" protestieren.

Stimmung gegen die Unterstützung der Ukraine

Im Zentrum der gefälschten Nachrichten und Videos stehen immer wieder Debatten um die deutsche Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg gegen das Land. Häufig werden dabei die Auswirkungen der gegen Russland verhängten Sanktionen auf Deutschland und andere EU-Staaten massiv übertrieben.
Julia Smirnova, die sich bei der Denkfabrik "Institute for Strategic Dialogue" mit Desinformationskampagnen beschäftigt, erklärte, dass man mehr als 120 Facebook-Seiten gefunden habe, die Links zu diesen gefälschten Nachrichtenseiten gepostet haben.
Auch die Hashtags #Hochverrat und #BaerbockRuecktritt wurden einer Analyse von ARD-Faktenfinder zufolge massiv von pro-russischen Kanälen verbreitet. Vorausgegangen war die Verfälschung einer Aussage von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, mit der sie der Ukraine dauerhafte Unterstützung zugesagt hatte. Es wurde suggeriert, ihr sei egal, was Wähler denken.

"Russische Propaganda verstärken"

Die gefälschten Nachrichtenseiten, die zur Desinformation beitragen, haben inzwischen auch die Politik auf den Plan gerufen. Ein Sprecher von Bundesinnenministerin Faeser sagte der Deutschen Presse-Agentur, man habe die Kampagne mit Sorge zur Kenntnis genommen.
Mit den gefälschten Nachrichten und Videos werde das Ziel verfolgt, Vertrauen in Politik, Gesellschaft und staatliche Institutionen zu untergraben. „Die aktuelle Berichterstattung zeigt exemplarisch das Ausmaß pro-russischer Propaganda und Desinformation in Deutschland“, hieß es.
Inhaltlich gehe es bei den Kampagnen darum, russische Propaganda-Narrative zu verstärken, so Julia Smirnova vom "Institute for Strategic Dialogue".

Maßnahmen gegen die Desinformation

Doch es gibt auch eine Reihe von Maßnahmen, die im Kampf gegen Falschinformationen eingesetzt werden. Beispielsweise hat ein Team von Psychologinnen und Psychologen der Universität Cambridge getestet, ob mit Hilfe von rund eineinhalb-minütigen Erklärvideos Menschen dafür sensibilisiert werden können, nach welchen Mechanismen Desinformation funktioniert.
Erklärt wird etwa die Manipulationstechnik des falschen Dilemmas, die suggeriert, es gebe zu einer Streitfrage genau zwei bestimmte, zueinander entgegengesetzte Positionen. Allerdings könnte man ja auch ganz anderer Meinung oder unentschlossen sein.
Darüber hinaus geht es um manipulative Sprache oder persönliche Angriffe, die den Adressaten aus dem Konzept bringen sollen.

Erste positive Studienergebnisse

Bei ersten Onlinebefragungen erkannte die Mehrheit der Versuchspersonen die Manipulationstechniken in fiktiven Social Media Posts besser, nachdem sie die Erklärvideos gesehen hatte. Auf dem Videoportal YouTube wurde bei rund einer Million User ein Erklärvideo anstelle der üblicherweise vorgeschalteten Werbung ausgespielt.
Die Forschenden sprechen von einer Art "Impfung gegen Desinformationen".