Donnerstag, 25. April 2024

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Reihe "Rundfunkpioniere"
Hans Ebert - Vorreiter der Hörspielmusik

Mit seinen Kompositionen für Hörspiele begeisterte Hans Ebert in den frühen Radiojahren. 70 Jahre nach seinem Tod ist das Ausnahmetalent so gut wie vergessen - zu Unrecht, denn mit seiner Arbeit setzte er wichtige Akzente in der Hörspielmusik.

Von Michael Kuhlmann | 04.04.2023
Zwei Männer und eine Frau sitzen in den 1920er Jahren in einem Wohnzimmer vor einem Radiogerät, dass einer der Männer gerade bedient.
In den 1920er Jahren war Radio DAS neue Medium. Seine Macherinnen und Macher leiteten gestaltlerische Pionierarbeit – wie Hans Ebert im Bereich Hörspielmusik. (Symbolbild) (imago images / imageBROKER / our-planet.berlin )
Am 25. Juli 1930 erlebten die Hörer im westlichen Deutschland erstmals ein Hörspiel, das zu den meistzitierten in der Radiogeschichte geworden ist: "Der Narr mit der Hacke". Der Dramatiker Eduard Reinacher verarbeitete darin die Geschichte eines japanischen Mönchs, der einen langen Stollen durch einen Berg treibt.
40 Jahre lang arbeitet er sich durch den Fels, um einen Mord, den er einst begangen hat, zu sühnen. "Der Narr mit der Hacke" wurde bei der WERGA, der Westdeutschen Rundfunk AG in Köln produziert, unter der Regie von Ernst Hardt und mit Musik von Hans Ebert.

Reihe "Rundfunkpioniere"

Vom Kapell- zum Tonmeister

Hans Ebert war, wie so viele, ein Seiteneinsteiger beim Radio. Lange Jahre war er aktiv gewesen als Theaterkapellmeister, als Komponist zeigte er sich höchst vielseitig. Er hatte beim gleichen Lehrer studiert wie Kurt Weill.
Im Ersten Weltkrieg arbeitete Ebert in Fronttheatern für Soldaten; danach verlegte er sich auf Instrumentalkompositionen, er schrieb für die Theater in Berlin und Düsseldorf, verdingte sich daneben als Liedbegleiter und Konzertpianist. Aber schon damals waren solche Verträge befristet. Und die Weltwirtschaftskrise traf ab 1929 auch die Kulturszene schwer, Ebert kam als Musiklehrer unter. 1930 kam der Karrieresprung: Hans Ebert wurde Tonmeister beim Radio.
Hans Ebert konnte sein Tätigkeitsfeld rasch ausdehnen. Bald schrieb er musikpädagogische Sendungen, und 1932 stieg er auf zum WERAG-Musikchef. Besonders in seinem Element war Ebert allerdings, wenn er Hörspielmusik komponierte. Dabei mag ihm gerade sein Können als Theaterkapellmeister zupassgekommen sein.

Das erste Arbeiter-Hörspiel

Das zeigte sich etwa bei der zweiten bahnbrechenden Hörspielproduktion, an der Ebert mitwirkte: "Toter Mann" war 1931 das erste Hörspiel, das von einem Arbeiter geschrieben wurde: von dem Fabrikschreiner Karl August Düppengießer. Und wie Düppengießer über fünfzig Jahre später erzählte, war er von Eberts Arbeit sofort begeistert: „Was ich da gehört hab – der macht ja keine Geräusche! Der macht musikalische Schmiedehämmer! Und musikalische Hämmer! Und schmiedet mit diesen Instrumenten. Lassen Sie ihn so weitermachen!“

Zweiteiliges Radiofeature zur Geschichte der Hörspieldramaturgie:

"Toter Mann" widmete sich der trostlosen Situation Arbeitsloser, die in der Weltwirtschaftskrise im Elend landeten. Die Profiteure dieses Elends, die Nationalsozialisten, machten nach ihrer Machtübernahme Hans Eberts Radiokarriere ein Ende.

Berufsverbot in der NS-Diktatur

Dass Ebert 1932 noch zum enormen Erfolg des Hörspiels "Faust II" beigetragen hatte, half ihm nichts mehr. Er verlor seine Stellung, seine Musik durfte nicht mehr aufgeführt werden. An Letzterem ließe sich vielleicht etwas machen, erfuhr er – sofern er sich von seiner jüdischen Ehefrau scheiden lasse. Davon aber wollte Hans Ebert nichts wissen.
Er schlug sich fortan durch, indem er für die Filmgesellschaft Ufa komponierte: Musik für Kulturdokumentationen, aber auch für die NS-Wochenschau und für die Olympia-Filme Leni Riefenstahls. Ebert Existenz war stets latent gefährdet. Persönliche Kontakte zur Familie Goebbels verhinderten möglicherweise Schlimmeres. 1944 bekam er dann doch Berufsverbot; aber die Ufa verschaffte ihrem geschätzten Komponisten noch einmal einen Job – und dort überlebte Ebert das Ende des Krieges und der Diktatur.

Keine Karriere nach Kriegsende

Bei Kriegsende war Hans Ebert erst 56 Jahre alt. Aber an seine früheren Erfolge konnte er nicht mehr anknüpfen. Kurze Zeit war er noch einmal Musikchef beim Nordwestdeutschen Rundfunk in Hamburg. Aber die NS-Diktatur hatte neben vielen anderen vielversprechenden Karrieren auch diejenige Hans Eberts zerstört.
Im Spätsommer 1952 starb dieser Pionier der Hörspielmusik an Lungenkrebs. 70 Jahre nach seinem Tod ist Hans Ebert – zu Unrecht – so gut wie vergessen.