Dienstag, 14. Mai 2024

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Wiederzulassung von Russland
Warum sich die Leichtathletik gegen das IOC stellt

Russische Leichtathleten dürfen nicht bei internationalen Wettkämpfen starten. Damit stellt sich der Weltverband gegen die Position des IOC. Solange Russland Krieg führe, sei ein Start undenkbar, sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing im Dlf.

Jürgen Kessing im Gespräch mit Maximilian Rieger | 25.03.2023
Sebastian Coe, Chef des Leichtathletik-Weltverbandes
Sebastian Coe, der Chef des Leichtathletik-Weltverbandes, positioniert sich in der Russland-Frage klar gegen das IOC. (dpa / picture alliance / Jean-Christophe Bott)
Russische und belarussische Leichtathleten dürfen - anders als etwa die Fechter - wegen des Krieges gegen die Ukraine "auf absehbare Zeit" nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Das hat Sebastian Coe, der Chef des Leichtathletik-Weltverbandes nach einer Councilsitzung des Weltverbandes World Athletics (WA) bekannt gegeben.
Damit könnte auch die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris passé sein - obwohl gleichzeitig der Doping-Bann gegen den russischen Verband RusAF nach mehr als sieben Jahren aufgehoben wurde. 

Solange Krieg herrscht, keine Teilnahme

Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, begrüßte die Entscheidung im Deutschlandfunk als "gut und richtig". Damit stellt sich der Leichtathletik-Verband gegen das Internationale Olympische Komitee.
IOC-Präsident Thomas Bach hatte unter der Woche bei einer Veranstaltung in Essen gesagt: „Wenn wir einen Ausschluss nach politischen Gesichtspunkten vornehmen, stehen wir vor einem Verfall des internationalen Sportsystems.“
Kessing sah das im Deutschlandfunk grundlegend anders: "Das ist seine Postion. Das kann man nicht Außen vor lassen, die Politik spielt immer in den Sport rein und der Sport hat auch Auswirkungen auf die Politik", sagte er.
Für ihn sei es undenkbar, dass russische und belarussische Athlen an internationalen Leichtathletik-Wettkämpfen teilnehmen. "Solange auch nur eine Kugel und eine Rakete Richtung Ukraine abgeschossen wird, möchte ich auch nicht mit russischen und belarussischen Sportlern an einem Tisch sitzen und mit Funktionären oder mit ihnen Sport treiben. In dem Moment, wo es wieder Frieden gibt, sind sie uns wieder herzlich willkommen."

Flickenteppich bei Olympia droht

Durch die unterschiedliche Gemengelage und den Umgang der Sportverbände mit dem Thema, sei es durchaus möglich, dass bei Olympia in Paris an den unterschiedlichen Wettbewerben mal russische Sportler zugelassen seien, sie bei der anderen Sportart dann aber nicht mitwirken. "Das ist bedauerlich, aber wahrscheinlich nicht zu verhindern."
Er glaube, dass es auch sehr wahrscheinlich sei, dass der Leichtathletik-Weltverband standhaft bleibe, falls das IOC einen Start von russischen und belarussischen Sportlern als neutrale Athleten zulasse. Es könne passieren, dass es auf die Sportart ankomme, ob russische Athleten in Paris teilnehmen dürfen oder nicht. Dieser Flickenteppich sei "bedauerlich, aber wahrscheinlich nicht zu verhindern."
Er vermute, dass einzig russische Athleten, die sich von ihrem Heimatland losgesagt hätten und auch im Ausland leben, bei den Olympia-Leichtathletik-Wettkämpfen starten könnten. "Bei allen anderen ist das schwer, dass man sich das vorstellen kann."
Gleichzeitig äußerte sich Kissing auch zur Aufhebung der siebenjährigen Doping-Sperre gegen Russland durch den Leichtathletik-Weltverband. Es sei nun an der Zeit, dem russischen Verband wieder ein Stück weit Vertrauen zu gewähren. "Ich kenne einzelne Personen, zu denen hätte ich schon Vertrauen. Insgesamt kenne ich das System nicht. Aber man muss in dem Fall vielleicht auch ein Stück Vertrauen vorschießen, in der Hoffnung, dass es nicht wieder missbraucht wird."