Samstag, 27. April 2024

Präsidentenwahl in Russland
Wladimir Putin: Zum Schein legitimiert

Die Scheinwahl in Russland hat das vom Kreml erwünschte Ergebnis gebracht: Wladimir Putin bleibt der Präsident des Landes. Die Opposition hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, die Wahl nicht anzuerkennen.

18.03.2024
    Der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Fernsehinterview Mitte März 2024, bei dem er den Westen vor dem Einsatz russischer Atomwaffen warnte.
    Der Westen als Erzfeind: Russlands Präsident Wladimir Putin kann dieses Narrativ nun nach erfolgreicher Scheinwahl sechs weitere Jahre pflegen, seine neue Amtszeit geht bis 2030. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Artem Priakhin)
    Wladimir Putin ist als Sieger aus der Präsidentenwahl in Russland hervorgegangen. Dass es so kommen würde, daran hatte es zuvor keine Zweifel gegeben. Es war eine Wahl, die an demokratischen Maßstäben gemessen keine ist.
    International wurde die Abstimmung scharf kritisiert. Die Opposition in Russland konnte Zeichen gegen die Scheinwahl setzen, aber sonst wenig ausrichten: Ihre Kandidaten waren nicht zur Abstimmung zugelassen worden.

    Wie ist das Ergebnis der Scheinwahl in Russland?

    Amtsinhaber Wladimir Putin hat bei der russischen Präsidentschaftswahl rund 87 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können. Das teilte die Zentrale Wahlkommission nach Auszählung fast aller Wahlkreise mit. Die Wahlbeteiligung lag den Angaben zufolge bei über 77 Prozent.
    2018 war Putin auf 76,7 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 67,5 Prozent gekommen. Die Zahl der Wahlberechtigten in Russland wird von der Wahlkommission mit 112 Millionen angegeben. Hinzu kommen fast zwei Millionen Russen im Ausland.
    Die Wahl fand auch in den ukrainischen Gebieten statt, die Russland seit 2022 besetzt hält und unterdrückt. Auch die russischen Soldaten in der Ukraine konnten ihre Stimme abgeben.

    War die Wahl fair?

    Nein, denn Kandidaten der Opposition waren gar nicht erst zugelassen worden - und die drei neben Putin aufgestellten Präsidentschaftsbewerber waren chancenlose Kandidaten systemtreuer Oppositionsparteien. Den Oppositionspolitiker und Kriegsgegner Boris Nadeschdin hatten die Behörden hingegen wegen angeblich fehlerhafter Unterlagen ausgeschlossen. Putins hartnäckigster Gegner Alexej Nawalny war kurz vor der Wahl in sibirischer Lagerhaft gestorben.
    Zahlreichen Berichten zufolge wurde staatlicherseits Druck auf Bürgerinnen und Bürger ausgeübt, an der Wahl teilzunehmen. Schon am zweiten Tag der Wahl – insgesamt ging sie über drei Tage - meldete die zentrale Wahlleitung, dass mehr als die Hälfte der etwa 114 Millionen Wahlberechtigten in Wahllokalen oder online abgestimmt habe. Aus vielen Regionen wurden noch höhere Prozentzahlen gemeldet, ohne dass dies überprüfbar war. Die unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation Golos hatte vor Manipulationen bei der Online-Abstimmung und den Wahlautomaten gewarnt.

    Genötigt, die Stimme abzugeben

    Schon vor der Wahl hatte Galina Timtschenko, Mitbegründerin des russischen Exil-Mediums Meduza, von einer gefälschten Abstimmung gesprochen. „Diese ganzen Zahlen, auch der Wahlbeteiligung, sie sind nicht real“, sagte sie dem Deutschlandfunk.
    Immer wieder lasse sich der Kreml etwas Neues einfallen, damit am Ende die Zahlen stimmten. In den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine wurden die Menschen genötigt, ihre Stimme abzugeben. Im ostukrainischen Gebiet Donezk behauptete die Wahlbehörde einen Tag vor Schließung der Wahllokale, dass die Beteiligung schon bei 86,75 Prozent liege.

    Wie hat sich die Opposition zur Wahl verhalten?

    Für Sonntagmittag – am dritten Tag der Wahl - hatten verschiedene oppositionelle Kräfte dazu aufgerufen, genau um 12.00 Uhr Ortszeit wählen zu gehen. Warteschlangen vor den Wahllokalen sollten zeigen, dass viele Menschen mit Putin und seiner Politik nicht einverstanden sind. Nach Angaben von Bürgerrechtlern kam es dabei zu Dutzenden von Festnahmen, vor allem in Kasan, Moskau und St. Petersburg. Das Team des kürzlich in Lagerhaft verstorbenen Regimekritikers Nawalny veröffentlichte Fotos und Videoaufnahmen von Menschen, die sich in verschiedenen Städten in der Nähe von Wahllokalen versammelt hatten.
    Zudem gab es mehrere Fälle, bei denen Menschen aus Protest Farbe in Wahlurnen kippten, um die Stimmzettel darin ungültig zu machen. In der Stadt Jekaterinburg am Ural wurde eine Professorin wegen eines solchen Versuchs verhaftet und zu 15 Tagen Arrest verurteilt. Auch mehrere versuchte Brandstiftungen in Wahllokalen wurden gemeldet. Die russische Opposition – darunter auch Julia Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny - hat das Ausland aufgefordert, die Wiederwahl Putins nicht anzuerkennen. Nawalnaja protestierte vor der russischen Botschaft in Berlin gegen die Scheinwahl.
    Julia Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny, steht in einer Warteschlange vor der russischen Botschaft in Berin, um ihre Stimme für die Präsidentschaftswahl abzugeben.
    Julia Nawalnaja in einer Warteschlange vor der russischen Botschaft in Berlin: Auch sie nahm an der Scheinwahl teil und schrieb aus Protest den Namen ihres verstorbenen Mannes Nawalny auf den Wahlzettel. (picture alliance / dpa / Monika Skolimowska)

    Wie hat das Ausland auf die Wahl reagiert?

    In westlichen Ländern ist die Wahl in Russland durchgehend kritisch bis ablehnend kommentiert worden. Aus dem Weißen Haus hieß es in einer ersten Reaktion, die Wahl sei offensichtlich weder frei noch fair gewesen. Putin habe seine Gegner ins Gefängnis werfen lassen und andere daran gehindert, gegen ihn anzutreten.

    Auswärtiges Amt spricht von "Pseudowahlen"

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, "der russische Diktator" habe "eine weitere Wahl simuliert". Das Auswärtige Amt in Berlin schrieb auf der Plattform X, es habe sich um "Pseudowahlen" gehandelt: "Putin herrscht autoritär, er setzt auf Zensur, Repression und Gewalt." Der britische Außenminister Cameron schrieb auf X: „Dies ist nicht, wie freie und faire Wahlen aussehen.“
    EU-Ratspräsident Charles Michel hatte Putin bereits zwei Tage vor Wahlende spöttisch zum Sieger ausgerufen. „Ich möchte Wladimir Putin zu seinem Erdrutschsieg bei den heute beginnenden Wahlen gratulieren“, schrieb Michel auf der Plattform X: „Keine Opposition. Keine Freiheit. Keine Wahl.“
    China gratulierte Putin hingegen zum Wahlsieg und betonte die "lang anhaltende Freundschaft" beider Länder. Ähnliche Reaktionen kamen aus Nordkorea, Honduras, Nicaragua, Venezuela, Tadschikistan und Usbekistan.

    Geht Putin aus der Wahl gestärkt hervor?

    Wladimir Putin ist in Russland bald seit einem Vierteljahrhundert an der Macht – nun hat er sich mit der Wahl eine weitere Amtszeit bis 20230 gesichert. Putin hatte die Wahl zu einer Abstimmung über „Russlands Zukunft“ erklärt. Eine hohe Zustimmung sollte ihn und seine zerstörerische Kriegspolitik legitimieren.
    Im Inland kann die Kremlpropaganda das Ergebnis der Wahl nun als Sieg Putins verkaufen. "Das Wichtigste ist das Bild einer geeinten mobilisierten Gesellschaft und einer Alternativlosigkeit zu Putin", sagte Gwendolyn Sasse, wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS), im Deutschlandfunk. Nach ihren Angaben haben auch unabhängige Meinungsforschungsinstitute hohe Zustimmungswerte für Putin ermittelt: Eine Mehrheit stelle das System nicht infrage.

    Für den Westen ändert sich vorerst nichts

    Für den Westen hat sich erst einmal nichts geändert: Putin betrachtet es als sein Lebenswerk, die Atommacht Russland nach dem Ende der Sowjetunion zu alter Stärke zurückzuführen und den globalen Einfluss der USA zurückzudrängen.
    Den Krieg gegen die Ukraine stellt er als einen schicksalhaften Kampf um die Souveränität Russlands dar, das gefährliche Feinde habe. In einer Rede sagte er kürzlich, der Westen wolle nicht nur die Entwicklung Russlands hemmen, sondern es zu einem „abhängigen, absterbenden Territorium“ machen.
    Doch gerade für den Krieg gegen die Ukraine braucht Putin Geld, Steuererhöhungen wurden schon angekündigt. Der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, setzt auf die Folgen der russischen Kriegswirtschaft, um das System Putin zu schwächen. Noch gebe es keinen breiten Unmut in der russischen Bevölkerung, sagte er im Deutschlandfunk. Doch wenn ein Staat fast 40 Prozent des Haushaltes für einen Krieg ausgebe, komme er irgendwann in eine Situation, in der für andere Zwecke nicht mehr genug Geld da sei. Die Kriegswirtschaft lasse sich nicht beliebig lange durchhalten.

    ahe