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Sagen & Meinen
Kindesmissbrauch: Treffender Begriff?

Beim Begriff „Kindesmissbrauch“ habe einige Hörerinnen und Hörer das Gefühl, dass daran etwas nicht stimmt. Wenn es möglich ist, Kinder zu missbrauchen – müsste es dann nicht auch möglich sein, sie zu gebrauchen? Eine verständliche Schlussfolgerung. Das sehen aber nicht alle so.

Von Stefan Fries | 29.07.2020
Die Polizei hat die Gartenlaube in der Kleingartenanlage in Münster mit Flatterband abgesperrt. In der Gartenlaube in Münster sollen Ende April vier Männer zwei Jungen missbraucht haben.
Wenn es Fälle wie den in Münster gibt, nutzen Medien den Begriff "Kindesmissbrauch", was für Kritik sorgt. (picture alliance / David Inderlied/Kirchner-Media)
Trotzdem verzichten auch diejenigen kaum auf den Begriff, die sich für die Rechte der Kinder einsetzen. Vor allem aus zwei Gründen: Erstens ist der Begriff so eingeführt, dass jeder weiß, was gemeint ist – das ist etwa der Hilfsorganisation "Innocence in Danger" wichtig.
Mögliche Alternativen seien vielleicht präziser, aber oft auch umständlicher. Wenn etwa von "sexueller" oder "sexualisierter Gewalt gegen Kinder" gesprochen wird, denke man oft an körperliche Gewalt, die werde aber nicht zwangsläufig angewendet.
Sagen & Meinen: Der Sprachcheck
Viel zu oft setzen sich fragwürdige Begriffe und Euphemismen in Medien fest, zum Beispiel das "Gute-Kita-Gesetz", das "Familiendrama" oder der "Lockdown". Solche Formulierungen hinterfragen wir in der Reihe "Sagen & Meinen – der Sprachcheck".
Wichtiger als die Diskussion sind Taten dagegen
Auch der Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, der den Begriff bereits im Titel trägt, sieht das ähnlich. Der Kinderschutzbund dagegen spricht, wo immer das möglich sei, von "sexualisierter Gewalt gegen Kinder".
Eine Formulierung, der sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht anschließen und den Begriff des Kindesmissbrauchs aus dem Strafgesetz streichen will. Viel wichtiger als eine Diskussion um den Begriff ist allen aber, dass etwas gegen die Taten unternommen wird.