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Schädliches Fett

Mehr als die Hälfte der Deutschen über 45 Jahren haben einen erhöhten Cholesterinspiegel. Speziell angereicherte Milch, Margarine oder Joghurts können die Werte senken helfen. Aber sind diese Produkte auch wirklich gesund? Wissenschaftler der Universität Leipzig bezweifeln das.

Von Ulf Walther |
    Über die tägliche Ernährung den Cholesterinspiegel in den Griff zu bekommen, mit dieser Aussicht werben manche Hersteller von Margarine oder Joghurt um Kunden. Doch die speziell angereicherten Produkte erreichen unter Umständen das Gegenteil, diesen Verdacht hegen Forscher aus Leipzig. Ein Übermaß an Cholesterin führt zu Ablagerungen in den Blutgefäßen, Herzkrankheiten bis zum Infarkt können die Folge sein. Die fettähnliche Substanz wird durch den Konsum tierischer Fette aufgenommen, außerdem stellt der Körper sie selbst her. Fettreiche Pflanzen enthalten Phytosterole, das sind Stoffe, die dem Cholesterin ähneln, aber ganz andere Wirkungen haben. Über pflanzliche Fette gelangen sie in den Körper und diesen Effekt machen sich Nahrungsmittelproduzenten zu Nutze, erklärt Joachim Thiery vom Institut für Laboratoriumsmedizin der Leipziger Uniklinik:

    "Wenn ich jetzt sehr viel Pflanzensterole im Darm dazu gebe zu dem Cholesterin in der Nahrung, dann wird das Cholesterin verdrängt. Es wird tatsächlich weniger aufgenommen, was gut ist."

    Nahrungsmittel mit Gesundheitsnutzen unterliegen einem Genehmigungsverfahren durch die EU. Sie müssen speziell gekennzeichnet sein und Warnhinweise geben, für welche Personen das Produkt nicht geeignet ist. Mit der Marke "Becel pro aktiv" war der Lebensmittelkonzern Unilever Vorreiter. Um bis zu 15 Prozent kann der Cholesterinspiegel gesenkt werden, wenn durch Phytosterole angereicherte Produkte konsumiert werden. Arne Kirchem von Unilever:

    "Ein geringerer Cholesterinspiegel bedeutet eindeutig auch ein verringertes Risiko für Herzkreislauferkrankungen und für einen Herzinfarkt. Das ist glaube ich in der medizinischen Forschung unumstritten. Mit unseren Produkten senken wir den Cholesterinspiegel. Also der Zusammenhang ist aus meiner Sicht ganz eindeutig und logisch."
    Für Joachim Thiery ist dieser Zusammenhang nicht eindeutig belegt. Denn auch zu viel Phytosterol im Blut könnte schaden, so seine Befürchtung. Für eine Studie der Uni Leipzig wurden 27.000 Blutproben untersucht. Und die Wissenschaftler haben herausgefunden:

    "Die Genvarianten, die höhere Pflanzensterolspiegel bestimmen, dass diese Varianten auch mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko verbunden sind. Und das ist letztendlich etwas, was ein bisschen gegen die Lehrmeinung ist."

    Zu einem höheren Phytosterolspiegel neigen Träger der Blutgruppen A, B und AB, also etwa 60 Prozent der Bevölkerung. Es könnte also sein, dass für diese Personen das Konsumieren von Phytosterol-angereicherten Produkten eher schädlich als gesund ist, so Joachim Thiery:

    "Was man ja am Ende haben möchte, ist, dass man auch durch die Supplementierung von Nahrungsmitteln vielleicht sogar den Herzinfarkt vermeiden möchte. Sodass ich es für geboten halte, eine größere klinische Untersuchung vorzunehmen, die eindeutig zeigt, dass eine Anreicherung von Lebensmitteln mit den Pflanzensterolen – das die auch tatsächlich den Herzinfarkt senken."

    Arne Kirchem von Unilever verweist darauf, dass die Forschungen noch in den Kinderschuhen stecken:

    "Da ist noch wirklich sehr viel Spekulation, da ist sehr viel im Anfang von diesen Studien. Wir haben uns das ganz genau angeguckt. Wir sehen überhaupt keinen Anlass zur Besorgnis. Nichtsdestotrotz gucken wir es uns weiter an und werden uns zusammensetzen und genau versuchen herauszufinden, wo wir uns vielleicht das noch einmal genauer ansehen müssen."

    Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung mahnt zur Vorsicht beim Genuss angereicherter Nahrungsmittel: Gemeinsam mit den Verbraucherzentralen wurde das Konsumverhalten untersucht, sagt Birgit Niemann vom Bundesinstitut für Risikobewertung:

    "Wir haben fest gestellt, dass die Hälfte der Personen, die diese Lebensmittel verzehren, die auch wirklich aus dem Grunde verzehren, weil sie ihren Cholesterinspiegel senken möchten und dass auch nur die Hälfte der Verbraucher ihren Cholesterinspiegel kennt."

    Obwohl die angereicherten Produkte deutlich teurer sind, als konventionelle, werden sie also offenbar auch von Personen verzehrt, für die sie gar nicht gedacht sind. Und: Der Hinweis, dass die Produkte nur für diejenigen geeignet sind, die einen erhöhten Cholesterinspiegel haben, findet sich erst auf der Packungsrückseite. Nach Ansicht der Verbraucherzentralen und des Bundesinstituts für Risikobewertung ist die Kennzeichnung deshalb nicht ausreichend. Für Arne Kirchem von Unilever hingegen schon:

    "Da liegt natürlich dieser Gedanke dahinter, dass es vielleicht irgendwie doch einem Medikament nahe kommt, wo man über Nebenwirkungen nachdenken muss. Für die ganz große Gruppe der Bevölkerung – 70 Prozent - ist das Produkt gesundheitsfördernd."

    Doch genau das stellen die Leipziger Forscher infrage.