Donnerstag, 25. April 2024

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Schlacht im Mittelmeer 1571
Seeschlacht von Lepanto wird bis heute politisch vereinnahmt

Am Morgen des 7. Oktober 1571 trafen auf dem Mittelmeer Galeeren-Verbände des Papstes und des Osmanischen Reichs aufeinander. Die Seeschlacht bei Lepanto endete mit dem Untergang der osmanischen Kriegsflotte - Grundlage für einen Mythos, der bis heute teils fatale Folgen zeitigt.

Von Christian Berndt | 07.10.2021
    Das Detail eines Ölgemäldes von Antonio de Brugada Vila zeigt die Seeschlacht zwischen den Armeen der Heiligen Liga und des Osmanischen Reichs
    Die Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571 im Ionischen Meer - Ölgemälde von Antonio de Brugada Vila (picture alliance / Heritage-Images | Pere Rotger )
    "Das große Toben der Schlacht dauerte knapp vier Stunden und war so blutig und entsetzlich, dass das Meer und das Feuer eins zu sein schienen. Und die Oberfläche des Meeres war rot vor Blut."
    So berichtete ein Chronist von der Seeschlacht bei Lepanto - der mit 140.000 Beteiligten wohl größten Galeerenschlacht der Geschichte. Die Kunde vom Ausgang der Schlacht mit dem Sieg der katholischen Liga über die mächtige Flotte des Osmanischen Reiches verbreitete sich 1571 in ganz Europa, so der Frühe-Neuzeit-Historiker an der Universität Manchester, Stefan Hanß:
    "Lepanto wurde europaweit gefeiert, monatelang. In Venedig, drei Tage und drei Nächte lang klangen sämtliche Kirchenglocken der Stadt ununterbrochen. Und ganz ähnlich fand das in Rom statt."

    Papst-Appell zur Verteidigung eines christlichen Europa

    Der Hintergrund des Konflikts lag im Ringen um die Vorherrschaft im Mittelmeer zwischen dem Osmanischen Reich und den spanischen Habsburgern. Die Situation eskalierte, als das venezianische Zypern von den Osmanen angegriffen wurde. In seiner Not regte Venedig die Wiederbelebung der Heiligen Liga an – einem früheren Bündnis, das unter Führung des Papstes gegen sogenannte Feinde der Kirche gekämpft hatte. Papst Pius V. war sofort begeistert. Er begann, Verbündete zu sammeln und rief zur Verteidigung des christlichen Europas auf. Ein Kampfbegriff, der Wirkung zeigte, sagt Stefan Hanß:
    "Die Wurzeln dafür liegen im 15. Jahrhundert, als es vor allem Humanisten waren, die an einem neuen Europabegriff feilten und Europa eigentlich genuin als christlich zu definieren versuchten. Diese Erzählweise fand dann auch durch den Buchdruck weithin Verbreitung, aber es handelte sich natürlich um eine Fiktion. Weder gab es ein genuin christliches Territorium Europa – Juden, Protestanten, Katholiken, Orthodoxe, Muslime lebten sowohl in Europa, als auch im Osmanischen Reich."

    Frankreich mit Osmanen gegen den deutschen Kaiser

    Und im folgenden Krieg kämpften auf jeweils beiden Seiten muslimische und christliche Soldaten. Außerdem gab es keine gemeinsamen christlichen Interessen: Frankreich hatte nicht gezögert, sich mit den Osmanen gegen den deutschen Kaiser zu verbünden, Spanien reagierte zurückhaltend, weil ihm an einer Schwächung Venedigs durch die Osmanen durchaus gelegen war. Trotzdem gelang es dem Papst, eine katholische Liga unter Führung Spaniens und Venedigs zu schmieden. Nach zähen Verhandlungen wurden die Flotten zur Rückeroberung Zyperns in Bewegung gesetzt. Doch es war bereits Oktober und für eine Seeschlacht aufgrund der Wetterverhältnisse eigentlich schon zu spät.

    Historiker: "Idee eines christlichen Europas war eine Fiktion"

    Aber schließlich fiel die Entscheidung zum Kampf. Die türkische Flotte, die vor der Festung Lepanto im Golf von Korinth lagerte, fuhr aus, und im Morgengrauen des 7. Oktober 1571 begegneten sich die Feinde. Kurz vor zwölf Uhr begann der Beschuss. 200 Galeeren der Liga standen fast 300 osmanischen Schiffen gegenüber, die riesigen Flotten gezielt einzusetzen, war kaum möglich. Nach vier Stunden chaotischem Kampf hatte die Liga die Osmanen vernichtend geschlagen. Der Ausgang der Schlacht wurde von Rom bis Brüssel als Sieg des christlichen Europas über die Muslime gefeiert. Doch von einem europäischen Sieg konnte keine Rede sein, so Stefan Hanß:
    "Der Umstand, dass weder Frankreich noch England noch das Heilige Römische Reich deutscher Nation dieser sogenannten Heiligen Liga, diesem christlichen Herrscherverbund, beigetreten sind, zeigt eigentlich auch nochmal, dass die Idee eines christlichen Europas eine Fiktion war."

    Hass auf Nichtchristen über Jahrhunderte befeuert

    Politische und militärische Folgen hatte die Schlacht nicht. Nach wenigen Monaten war die osmanische Flotte wiederaufgebaut. Aber überall in Europa kam es nun zu Pogromen und Ausweisungen von Muslimen und Juden. Der Mythos vom Sieg über die Feinde des christlichen Europas befeuerte den Hass auf Nichtchristen und hielt sich über Jahrhunderte. Lepanto wurde sowohl in Mussolinis Italien als auch in Francos Spanien glorifiziert - und wird bis heute von bestimmten Kreisen instrumentalisiert, sagt Hanß:
    "Politiker der Lega in Italien, auch AfD-Politiker in Deutschland, haben weitläufig über Lepanto publiziert und darüber geschrieben, Zitat, ‚wie die Christen schon einmal die Türken schlugen.‘"
    Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer auf der Auftaktkundgebung des "Marsch für das Leben" im September 2016.
    Islam und Christentum - Rosenkranz-Prozession zum Jahrestag der Lepanto-SchlachtRudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg, erhebt die Stimme im Namen besorgter Christen. Er bezweifelt, dass der Islam integrierbar ist. Manches klingt wie aus dem AfD-Programm.
    Auf Lepanto beriefen sich Rechtsextremisten wie der norwegische Attentäter von Utoya oder der australische Attentäter von Christchurch: Er schrieb die Jahreszahl der Seeschlacht auf seine Waffen.