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Schutzzone in Nordsyrien
Schmidt (CSU) begrüßt Forderung Kramp-Karrenbauers

CSU-Politiker Christian Schmidt unterstützt den Vorschlag von Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), eine internationale Schutzzone in Nordsyrien einzurichten. Man müsste sich nun international über das weitere Vorgehen abstimmen, sagte er im Dlf. In welcher Form sich Deutschland beteilige stehe noch nicht fest.

Christian Schmidt im Gespräch mit Christiane Kaess | 22.10.2019
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) gibt am 03.08.2017 in Berlin eine Pressekonferenz zu den mit Fipronil belasteten Eiern.
Christian Schmidt ist froh, dass die deutsche Bundesverteidigungsministerin "die politischen Balkonplätze der Kommentatoren verlassen hat", sagte er im Dlf (dpa / Jörg Carstensen)
Christiane Kaess: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will eine europäische Initiative starten. Der Vorschlag: Eine internationale Schutzzone in Nordsyrien. Ich kann darüber jetzt sprechen mit Christian Schmidt von der CSU. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und ehemals Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Guten Tag, Herr Schmidt.
Christian Schmidt: Guten Tag, Frau Kaess.
Kaess: Die Passivität der Europäer bei Konflikten in ihrer Umgebung und vor allem die militärische Zurückhaltung der Deutschen, die ist ja immer viel kritisiert worden von ihren Verbündeten. Ist das jetzt ein Sinneswandel?
Schmidt: Ich bin sehr froh, dass die deutsche Bundesverteidigungsministerin einen Stein ins Wasser geworfen hat, dass sie die politischen Balkonplätze der Kommentatoren verlassen hat und dass wir damit deutlich machen, dass Europa hier im Mittelpunkt der Nachbarschaft steht, dass wir mit "IS" und mit den krisenhaften Entwicklungen in der Region unmittelbar betroffen sind und sein werden.
Lassen Sie mich sagen: Ich kenne ja nun Verteidigungsministerräte und Außenministerräte der Europäischen Union. Abern ist, dass der sehr geschätzte luxemburgische Außenminister mit bunten und folgenlosen Worten das dann kommentiert. Wenn die NATO sich und die EU sich ernst nimmt, dann muss sie in dem Punkt in der Tat Vorschläge machen.
Das Foto zeigt CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf der Tagung "Werkstattgespräch Klimaschutz" in Berlin.
Syrien: Kramp-Karrenbauer für international kontrollierte Sicherheitszone Die Bundesverteidigungsministerin hat eine international kontrollierte Sicherheitszone in Nordsyrien gefordert. Die Türkei und Russland müssten in das Projekt einbezogen werden, sagte die CDU-Vorsitzende in Interviews.
Kaess: Sie plädieren für ein Ende der Zurückhaltung? Und dann nehme ich an, wenn das Ganze ins Parlament gehen sollte, dann würden Sie auch einem Bundeswehreinsatz zustimmen?
Schmidt: Der Beginn einer klugen Orientierung und das Ende einer Zurückhaltung heißt natürlich nicht, dass man mit Hurra in alle Dinge hineingeht, dass man aber auch nicht die Zurückhaltung zum Prinzip und zur Ideologie insoweit erhebt, als dass wir nicht mehr handlungsfähig wären. Hier ist seit acht Jahren ein Bürgerkrieg. Zwischenzeitlich sind alle unmittelbar Beteiligten, wenn ich mal die USA jetzt wegnehme, die rausgegangen ist, Russland, die Türkei, die syrischen Kräfte um Assad herum ja nun nicht gerade verdächtig, dass sie den Friedensnobelpreis kriegen. Es wäre schon gut, wenn wir mit unseren Positionen dort auch uns einbringen können, und natürlich muss das international abgestimmt werden. Gegen und ohne die Türkei und Russland wird so was nicht funktionieren.
"Natürlich muss das international abgestimmt werden"
Kaess: Wie weit würden Sie da gehen, Herr Schmidt? Noch mal immer vorausgesetzt, das Ganze geht überhaupt weiter. Es gibt eine Diskussion darüber, das Ganze wird konkreter, denn das wissen wir ja noch alles nicht, und es käme zu einer Abstimmung im Bundestag, dass die Bundeswehr in Nordsyrien eingesetzt wird. Das kann ja eventuell auch ein Kampfeinsatz sein. Da würden Sie als Parlamentarier zustimmen?
Schmidt: Na ja. Grundsätzlich: Moment mal, halb lang! Nun wollen wir mal sehen, was notwendig ist, und um das wird sicherlich intensiv gesprochen werden, auch mit dem Koalitionspartner. Ich verstehe, dass die Verteidigungsministerin – auch deswegen, weil diese Woche noch NATO-Verteidigungsministertreffen ist, dort mit Themen hingehen will und dass über diese Fragen gesprochen werden kann. Das ist wichtig zur Vorbereitung. Dann müssen natürlich Staats- und Regierungschefs sprechen. Ich darf darauf hinweisen: Die Waffenstillstandsregelung läuft heute aus und keiner weiß, welche humanitären Katastrophen wir in der nächsten Zeit dort zu erwarten haben. Deswegen meine ich, es muss ein humanitäres Mandat sein. Es muss aber auch sich der Frage widmen, wie gehen Kurden und Türken zukünftig miteinander um und wo haben Kurden ihren Platz.
Kaess: Aber, Herr Schmidt, jetzt weichen Sie meiner Frage ein bisschen aus. Kann denn Deutschland so einen Vorschlag machen, ohne dann nicht auch in aller Konsequenz die Bundeswehr daran zu beteiligen?
Schmidt: Diejenigen, die der Welt immer erklären, wie die Welt sein müsste, und selber aber sagen, ich schaue da mal lieber zu, die sind nicht die Beliebtesten, und zu Recht. Natürlich heißt das, wenn es eine EU-Mission, eine internationale Mission gibt, dass wir darüber nachdenken müssen, welche Beteiligung wir da geben. Das ist übrigens ja nicht zum ersten Mal. Wir sind ein wichtiges Land und wer immer nur den anderen erklärt, was sie zu tun haben, der wird nicht mehr gehört. Das ist gegen unsere Interessen. Sie wollen mich jetzt auf Kampfeinsätze oder sonst was festlegen, was natürlich munter klingt. Das ist doch überhaupt das Thema heute noch nicht.
"Jetzt geht es darum, dass man eine Initiative ergreift"
Kaess: Nein, Herr Schmidt. Aber nachdenken heißt natürlich immer noch nicht zustimmen, und mich würde schon interessieren, ob es Konsens in der Unions-Fraktion ist, dass Deutschland sich stärker beteiligen muss und dann eventuell auch mit einem Einsatz der Bundeswehr, in welcher Form auch immer.
Schmidt: Im allgemeinen Grundsätzlichen ja; im Detail haben wir das überhaupt noch nicht diskutiert. Da wird man natürlich intensiv reden müssen. Aber klare Botschaft ist von meiner Seite: Ich erwarte, dass das, was die Verteidigungsministerin gesagt hat, ganz wichtig gesagt hat, wenn sich das international weiter entwickelt, dass wir von deutscher Seite, auch von deutscher parlamentarischer Seite das dann entsprechend unterstützen.
Kaess: Der Koalitionspartner, die SPD, der war offenbar am wenigsten eingebunden in diesen Vorschlag. Ist das Vorgehen der Verteidigungsministerin da konstruktiv?
Schmidt: Ich gehe davon aus, dass man das nicht nur nachholt, sondern dass sich in den nächsten Tagen das vertieft. Sie gestatten: Ich bin zu lange jetzt in diesen Zusammenhängen erfahren, als dass ich sagen würde, daran wird so etwas scheitern. Nein. Der Kollege Felgentreu, den ich heute Früh in Ihrem Sender gehört habe, hat ja sehr gut differenziert zwischen den sachlichen Fragestellungen, die man diskutieren darf, und dann, wie man in der Koalition miteinander mit diesem Thema das entwickelt. Ich bin da sehr zuversichtlich, dass wir das ruhig und sachlich tun können.
Fritz Felgentreu (SPD) spricht am 28.06.2019 im Bundestag. 
Forderung nach Schutzzone in Syrien: "Das war mit der SPD nicht abgestimmt"
Bei ihrer Forderung nach einer international kontrollierten Schutzzone in Syrien habe sich Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nicht mit der SPD abgesprochen, sagte der SPD-Politiker Fritz Felgentreu. Viele Fragen seien offen – etwa woher die benötigten Soldaten kommen sollten.
Kaess: Aber Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich damit ja diese Kritik eingefahren, das sei jetzt ein halbgarer Vorschlag. Warum hat sie sich denn davor nicht besser abgestimmt und auch Zusagen eingeholt, inwieweit dieser Vorschlag überhaupt umgesetzt werden kann?
Schmidt: Minister müssen sich ab und zu auch Kritik einfangen und müssen dazu stehen. Wenn sie einen durchgegarten Vorschlag vorgelegt hätte, dann wäre das schon hin- und hergeredet und vor- und zurückgewendet gewesen. Aber jetzt geht es darum, dass man eine Initiative ergreift, und deswegen ist das völlig richtig, was sie getan hat. Sie wird es aushalten.
Kaess: Jetzt hat die Verteidigungsministerin selbst schon gesagt, wir bräuchten dazu eine international tragfähige Grundlage. Sie haben gerade von einem humanitären Einsatz gesprochen. Welche Grundlage müsste das sein?
Schmidt: Wir kritisieren ja nun gerade bei dem türkischen Einmarsch in Teilen Nordsyriens die Völkerrechtswidrigkeit. Das beantwortet natürlich auch unsere Position. Natürlich muss solch ein Einsatz einer Sicherheitszone völkerrechtlich abgesichert sein. Der Platz dafür ist der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und wir haben da fünf Vetomächte, wie wir wissen, und deswegen muss natürlich mit all diesen Mächten vorher gesprochen sein. Ich gehe aber trotzdem davon aus, dass auch die Russische Föderation - und gerade heute findet ja in Sotschi entsprechend ein Treffen statt mit Herrn Erdogan -, dass durchaus ein gemeinsames Interesse entsteht und besteht, Nordsyrien nicht zu einem Pulverfass werden zu lassen. Deswegen bin ich da recht optimistisch. Aber die völkerrechtliche Grundlage muss natürlich da sein.
"Die völkerrechtliche Grundlage muss natürlich da sein"
Kaess: Das würde aber auch heißen, abgesehen vom UN-Sicherheitsrat, in dem ja Russland sitzt, müsste auch die Türkei zustimmen. Das heißt, Russland und die Türkei müssten auch von dem Plan abgebracht werden, in Syrien die Macht unter sich aufzuteilen. Das halten Sie für realistisch?
Schmidt: Ich halte es für sehr notwendig, dass wir auch mit der Türkei im Gespräch bleiben. Die Türkei ist NATO-Partner und ich möchte vor allem, dass deswegen kein Pulverfass entsteht: Man stelle sich vor, es gibt weitere Entwicklungen, die dann auch Übergriffe auf türkisches Gebiet, was bisher überhaupt nicht der Fall war, auch nur theoretisch zu denken, es wäre, und die NATO dann betroffen wäre. Ich denke, wir müssen sehr klarmachen, das, was die Türkei da gemacht hat, hat mit dem Verständnis von NATO und gemeinsamer Verteidigung nichts zu tun. Wir sollten aber nicht eskalieren. Der kluge Mann überlegt und die kluge Frau, um bei Frau Kramp-Karrenbauer zu bleiben: Was können wir tun und was müssen wir tun, damit die Nachbarn deeskalieren. Das betrifft natürlich in der Tat, wie Sie sagen, auch die Türkei.
Kaess: Noch kurz zum Schluss die Frage. Man müsste auch mit Syriens Machthaber Assad dann sprechen?
Schmidt: Das fällt nun sehr schwer, denn wenn es einen gibt, menschenrechtlich gesehen und humanitär, an dessen Händen Blut klebt, dann ist es Assad. Nach wie vor wäre es besser, wenn Assad da nicht mehr dabei wäre. Aber das ist auch eine Angelegenheit – Sie haben den Verfassungskonvent angesprochen, der ja gegenwärtig diskutiert wird, der dann zumindest die Strukturen für demokratische Kontrolle einigermaßen aufrecht erhält. Ein Freund von Herrn Assad muss man nicht werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.