Donnerstag, 02. Mai 2024

Krise der Zeitungsverlage
"Würde mir stärkeren Innovationsgeist wünschen"

"Hamburger Morgenpost", "Süddeutsche Zeitung", "Kölner Stadt-Anzeiger" - viele Medien haben in den vergangenen Wochen harte Sparmaßnahmen und Einschnitte angekündigt. Für Christopher Buschow, Professor für Digitalen Journalismus, der falsche Weg.

Christopher Buschow im Gespräch mit Martin Krebbers | Beitrag von Christoph Sterz | 22.04.2024
Der Turm des Neven DuMont Hauses in Köln mit der Aufschrift "Kölner Stadt-Anzeiger".
Es rumort in der Belegschaft des "Kölner Stadt-Anzeigers". (IMAGO / Panama Pictures / Christoph Hardt)
Der Betriebsrat des "Kölner Stadt-Anzeigers" spricht in einem internen Schreiben von "Wut" und "Schockwellen in den Redaktionen": Der Verlag DuMont will alle zehn Journalistinnen und Journalisten entlassen, die bislang für das Ressort "Ratgeber, Magazin, Freizeit" beim "KStA" tätig sind.
Ein Ressort, das digital sehr erfolgreich und beliebt bei den Userinnen und Lesern sei, so der Betriebsrat - etwa mit Freizeittipps oder Restaurant-Kritiken. Die entsprechenden Inhalte sollen ab Juli von externen Dienstleistern außerhalb von Köln kommen.

DuMont entlässt 13 Mitarbeitende des "Kölner Stadt-Anzeigers"

Neben der Freizeit-Redaktion sollen auch noch drei weitere "KStA"-Mitarbeiter entlassen werden, die bisher Texte manuell korrigiert oder Bilder bearbeitet haben. Ihre Aufgaben sollen zum Teil durch Künstliche Intelligenz übernommen werden, so der Medienjournalist Christoph Sterz in @mediasres.
Einen Fragenkatalog ließ DuMont unbeantwortet und schickte stattdessen zwei offizielle Stellungnahmen. Darin ist die Rede von "Kosten- und Ressourcen-Effizienzen", dem "Fokus auf lokale und regionale Berichterstattung" und dem Plan, die eigene Online-Seite ksta.de "auch wirtschaftlich zum Erfolg zu führen". Dafür wird auch die Digital-Redaktion umgebaut: Die bekommt einen neuen Chef – und zwar keinen Journalisten, sondern einen Produktmanager.

Verlag lässt Fragenkatalog unbeantwortet

Das begründet Thomas Schultz-Homberg, CEO der Kölner Stadt-Anzeiger Medien, im Schreiben des Verlags so: "Aus dem bislang rein redaktionell betriebenen ksta.de wird somit ein noch stärker nach Business KPI ausgerichtetes Produkt, bei dem die 360-Grad-Monetarisierung der Nutzer:innen im Fokus steht. Gleichzeitig ist das Ziel, das Portal künftig vollumfänglich nach den Interessen der Leser:innen zu individualisieren."
Das Vorgehen bei DuMont in Köln wirke nervös und aktionistisch, meint Volkmar Kah, NRW-Geschäftsführer der Journalisten-Gewerkschaft DJV. Vor allem sende das ein verheerendes Signal an die ganze Zeitungsbranche:
"Nach dem Motto: Wir haben nichts gelernt, wir sparen am Personal, wir sparen am redaktionellen Personal. Und das zeigt glaube ich jedes gute journalistische Startup, das zeigen all die Projekte, die in den letzten Jahren funktionieren, dass man mit gutem Journalismus, und dafür braucht man gute Leute, ausreichend gute Leute, dass man da langfristig in die Monetarisierung auch kommt."

Forderung nach mehr Innovationsgeist und Investitionen

Eine Meinung, die Christopher Buschow teilt. Er ist Professor für Digitalen Journalismus an der Hamburg Media School. Für ihn sind Konsolidierung, Stellenabbau und Budgetkürzungen der falsche Weg.
"In dieser Transformationssituation gilt es zu investieren, Digitalisierungsoffensiven zu machen, umzustellen auf neue Produkte, neue Geschäftsmodelle und hier würde ich mir einen noch stärkeren Innovationsgeist wünschen."
Das Print-Geschäft sei im vergangenen Jahrhundert "eine Lizenz zum Gelddrucken" gewesen, so Buschow - das so in der digitalen Welt allerdings nicht wiederkommen werde. Das Anzeigengeschäft habe sich radikal gewandelt und dazu komme die noch sehr geringe Zahlungsbereitschaft für digitalen Journalismus in Deutschland.

Buschow prognostiziert bis 2030 Ende der Printzeitung

Die Transformation mache allerdings vor keinem Printmedium Halt, glaubt Buschow.
"Ich denke um 2030 herum ist die Frage, ob Printzeitungen überhaupt noch funktionieren können wegen der hohen Druckkosten, der hohen Zustellkosten, der fehlenden Zustellerinnen und Zusteller. Dann wird es notwendigerweise so sein müssen, dass man digitale Produkte in petto hat, die auch junge Menschen abholen."
Denn Regionaljournalismus sei auch für Menschen ab 30 Jahren interessant, die sesshaft werden oder eine Familie gründen, so Buschow. Diese Zielgruppe habe Informationsbedürfnisse, die es zu adressieren gelte - das zeigten erfolgreiche internationale Digitalprodukte wie "Mill" aus Manchester, "The Daily Maverick" aus Südafrika oder "Zetland" aus Dänemark.