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Tiefflieger über Nauheim

Mit der vierten Landebahn und wachsenden Kapazitäten am Rhein-Main-Airport in Frankfurt ist es lauter geworden im nahe gelegenen Nauheim. Alle paar Minuten donnern startende Jets über den Ort. Im Verein "Lebenswertes Nauheim" kämpfen leidende Anwohner gegen den Lärm.

Von Anke Petermann |
    Das Nauheimer Wohngebiet "Im Teich" könnte ein ruhiges sein mit seinen kleinen Sträßchen und seiner Feldrandlage. Doch über die Einfamilienhäuser donnern alle paar Minuten startende Jets auf der sogenannten Südumfliegung. Flugzeuge gab es immer über Nauheim, aber nicht so tief, so oft, so laut, meint Petra Schlüter mit Blick aus dem Glasdach des Wintergartens.

    "Wir können den Piloten winken, und diese schweren Maschinen haben ein kräftiges Gewicht, die sind riesengroß, und die brauchen, bis sie hier über das Haus sind. Und das ist neu, das war vorher nicht so schlimm."

    Die Tür zum Garten stand offen. Tim, gerade aus der Schule gekommen, sprintet sofort hin und schließt sie. Im Freien zu toben, macht dem Siebenjährigen nicht mehr so recht Spaß:

    "Das ist ja auch richtig laut, das nervt, und wenn ich mit meinem Freund draußen spiele, denke ich immer, wenn ich ein Flugzeug höre, dass das abstürzt, und dann bekomme ich immer so Angst."

    Petra Schlüter macht sich Sorgen um Tim und seine beiden älteren Geschwister.

    "Wenn die Flieger über die Grundschule fliegen, über den Kindergarten, dann wachsen die Kinder hier mit nem enormen Lärmpegel auf, und das kann natürlich nicht gut sein für die Gesundheit, das ist ja logisch."

    Petra Schlüter erwartet das vierte Kind. Am Anfang der Schwangerschaft ging es ihr oft schlecht, doch Zuhause fand sie keine Erholung. Im Gegenteil.

    "So im Alltag, wenn man mal einkaufen ist, oder wenn ich vormittags auf der Arbeit bin in Darmstadt, da ist kein Fluglärm, da hat man dann nur den halben Tag, wo man drunter leidet, aber, wenn man da oben im Bett liegt, und hört einen Flieger nach dem anderen und fängt dann schon an, die Sekunden zu zählen und denkt sich, das darf doch nicht wahr sein, dann wird einem das sehr bewusst, und dann ist es sehr belastend."
    Friedhelm Bösken kennt das:

    "Hier kommt man eigentlich nicht zur Ruhe."

    Der Rentner wohnt an der Bahnlinie in Nauheim. Die Nachtruhe am Frankfurter Flughafen zwischen 23 und fünf Uhr früh ist für ihn keine:

    "Also ich könnte in der Nacht, wenn kein Flugzeug geht, die Fenster aufmachen, geht aber nicht, weil ich dann die ganzen Geräusche verstärkt von der Bahn habe, und die sind dann noch lauter als die Flugzeuge."

    Donnerstags nachts ist der Güterverkehr besonders rege und übertönt die Schallschutzwand, an die Böskens Garten grenzt. Vor ein paar Jahren hat er sein Haus auf eigene Rechnung lärmgedämmt. Auf Kosten der Fraport könnte er jetzt noch Belüftung beantragen. Aber als Vorstandsmitglied im Verein "Lebenswertes Nauheim" unterstützt er erst mal andere dabei, Anträge beim Regierungspräsidium zu stellen.

    "Heute Morgen habe ich noch mit einem gesprochen, der hat ein Fenster bekommen und einen Lüfter. Und da hat er gesagt, 'ich hab‘ aber viel mehr Kinder und Kinderzimmer, warum nur ein Fenster?' Und im anderen soll nur der Rollladenkasten gemacht werden, das begreifen die Leute einfach nicht. Die sagen, warum kriege ich nur ein Fenster? Und das müssen wir halt klären, und da macht der Anwalt jetzt für uns eine Stellungnahme."

    Der Flughafenbetreiber Fraport hat indes die Gebühren für laute Maschinen erhöht. Vom kommenden Jahr an sollen die Jets den Airport steiler und damit leiser anfliegen. Doch zunächst mal will Lufthansa von Juli an das Kerosin und Geld sparende Flachstartverfahren in Frankfurt einführen. Nicht weniger, sondern mehr Lärm - befürchten Flughafenanrainer, wenn startende Jets langsamer an Höhe gewinnen:

    "Von Fraport und Lufthansa wird gesagt, wir tun alles, um den Lärm zu bekämpfen, das ist aber nicht der der Fall."

    "Also, ich habe schon das Gefühl, dass einem regelrecht der Lebensraum zerstört wird, in dem man sich eigentlich wohlgefühlt hat."