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375. Todestag des Physikers
So erfand Evangelista Torricelli das Barometer

Hat Luft Gewicht, und wenn ja, wie viel? Diese Frage beschäftigte im 17. Jahrhundert die Wissenschaft. Beantwortet hat sie der italienische Physiker Evangelista Torricelli, indem er ein Messinstrument für Luftdruck erfand: das Quecksilber-Barometer.

Von Frank Grotelüschen | 25.10.2022
Florin Périer, Schwager von Blaise Pascal beim Experimentieren mit Evangelista Torricelli auf dem Gipfel des Puy de Dome am 19. September 1648.
Florin Périer, Schwager von Blaise Pascal beim Experimentieren mit Evangelista Torricelli auf dem Gipfel des Puy de Dome am 19. September 1648 (picture-alliance / Mary Evans Picture Library)
120 zu 80, ganz im grünen Bereich. Dass in der Medizin der Blutdruck in der Einheit Torr gemessen wird, hat seinen Ursprung im 17. Jahrhundert. Damals erfand der italienische Physiker und Mathematiker Evangelista Torricelli das Barometer, ein Instrument zur Druckmessung. Damit fachte er eine alte Debatte wieder an: Kann es in der Natur ein Vakuum geben, einen luftleeren Raum?

Assistent eines Vertrauten von Galileo Galilei

Torricelli, 1608 als Sohn armer Eltern geboren, wurde früh Waise. Um seine Ausbildung kümmerte sich sein Onkel, ein Mönch, er empfahl dem jungen Evangelista das Studium der Mathematik und Philosophie. Mit 18 Jahren trat Torricelli eine Assistentenstelle bei Benedetto Castelli an, einem Vertrauten von Galileo Galilei. 1641 zog Torricelli nach Florenz und wurde, drei Monate vor dessen Tod, Galileis Privatsekretär. Die beiden Gelehrten beschäftigte unter anderem Folgendes, sagt Joachim Ullrich, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft:
„Dort hat man versucht, Wasserspiele zu generieren für die dortigen Fürsten. Dazu hat man sogenannte Saugpumpen benutzt. Da hat man gemerkt, dass diese Saugpumpen nicht mehr funktionieren, wenn ich Höhen überwinden will von mehr als zehn Metern. Das hat Galileo überlegen lassen, dass es tatsächlich so was wie einen Luftdruck gibt, dass Luft Gewicht hat. Das war damals nicht klar.“

Torricelli wurde Nachfolger Galileis

Galileis Vermutung: Die Pumpen erzeugen ein Vakuum, und dieses Vakuum zieht das Wasser nach oben. Ab einer gewissen Höhe aber, einer Höhe von zehn Metern, kommen die Pumpen nicht mehr gegen den von oben pressenden Luftdruck an. Als Galileo im Januar 1642 starb, wurde Torricelli dessen Nachfolger als Hofmathematiker und führte die Arbeiten weiter. Um den Luftdruck nachzuweisen, ersann er ein raffiniertes Experiment
„Wir haben zahlreiche Glasgefäße mit Röhren von zwei Ellen Länge hergestellt. Diese wurden mit Quecksilber gefüllt, das offene Ende wurde mit dem Finger verschlossen, und die Röhren wurden dann in einem Gefäß umgedreht, in dem sich Quecksilber befand.“

Warum stockte das Quecksilber in der Röhre?

Als der Physiker den Finger von der Röhre nahm, floss ein Teil des Quecksilbers nach unten in das schalenförmige Gefäß. Doch dann stockte der Fluss und es verblieb eine 760 Millimeter hohe Quecksilber-Säule in der Röhre. Die Erklärung:
„Ich behaupte, dass die Kraft, die das Quecksilber am Fallen hindert, von außen kommt und dass die Kraft von außerhalb der Röhre stammt. Auf der Oberfläche des Quecksilbers, das sich in der Schale befindet, ruht das Gewicht einer Luftsäule von fünfzig Meilen.“

Instrument zur Messung des Luftdrucks

Damit hatte Torricelli gezeigt: Luft besitzt Gewicht, übt also einen Druck aus. Gleichzeitig hatte er ein Instrument zur Messung dieses Luftdrucks erfunden, das Barometer. Und er hatte ein stabiles Vakuum demonstriert: Es war beim Herunterfließen des Quecksilbers in dem oben geschlossenen Glasrohr entstanden.
„Wir sahen, dass sich ein leerer Raum bildete und dass in dem Gefäß, in dem sich dieser Raum bildete, nichts geschah.“

"Die Torricellische Leere"

Das, sagt Joachim Ullrich, „hat man dann die Torricellische Leere genannt. Da ist nichts, da ist Vakuum. Das war damals ein wissenschaftlich extrem umstrittener Begriff. Was ist denn da jetzt eigentlich?“  
Viele Gelehrte zweifelten Torricellis Erklärung an. Sie waren sich sicher: Die Natur hegt eine strikte Abneigung gegen die Leere, einen Horror Vacui, so  Joachim Ullrich:
„Es war Descartes, der daran nicht geglaubt hat. Und der auch mal gesagt hat: Das Vakuum ist aus meiner Sicht nur im Kopf vom Herrn Torricelli.“
Dass Torricelli richtig lag, sollte ein paar Jahre später ein weiteres Experiment zeigen, erzählt Joachim Ullrich:
„Wenn ich höher gehe, einen Berg hoch, sollte der Druck weniger werden. Da ist weniger Luftsäule über mir. Das hat damals Blaise Pascal gemacht. Der hat festgestellt, ja, der Luftdruck wird geringer, wenn ich hochgehe.“
Am 25. Oktober 1647, einige Jahre nach seiner Erfindung, starb Evangelista Torricelli an einer Infektion. Sein Quecksilber-Barometer kommt noch heute zum Einsatz, auch wenn der Verkauf seit 2009 EU-weit verboten ist, schließlich ist Quecksilber giftig. Nach Torricelli wurde auch eine Maßeinheit des Drucks benannt, das Torr. Dieses ist offiziell längst durch eine andere Einheit ersetzt, das Pascal. Ein Fachgebiet aber hält dem Torr die Treue – die Medizin, so  Joachim Ullrich:
„Man hat die Zahlen im Kopf. Alles was über 130, 135 oberer Wert ist, ist halt nicht mehr ganz so gesund. Die Zahlen sind so verfestigt in der Bevölkerung, bei den Ärzten, dass es sehr, sehr schwierig ist, davon wegzukommen. Ist jetzt aber auch eine sehr spezielle Anwendung. Und insofern ist das auch in Ordnung.“