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Totgesagte leben länger

Raumfahrt. - Um ihr Dilemma mit dem Ersatz für die altersschwachen Space Shuttle zu lösen, greift die Nasa auf bekannte Rezepte zurück. Die Nachfolger sollen entweder Personal oder Fracht transportieren, also kleiner als die Raumfähren werden. Ins All gelangen sie allerdings nach dem selben Prinzip, huckepack auf Feststoffraketen und einem gewaltigen Treibstofftank.

Von Guido Meyer | 26.08.2005
    Januar 2004, ein Jahr nach der Columbia-Katastrophe. US-Präsident George Bush erlegt der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa auf, bis Ende des Jahrzehnts die Space Shuttles auszumustern:

    "Nach fast dreißig Betriebsjahren werden wir die Space Shuttles 2010 in Rente schicken. Wir wollen ein neues Schiff entwickeln, das sogenannte Crew Exploration Vehicle. In erster Linie soll das CEV Astronauten zu anderen Welten jenseits des Erdorbits tragen."

    Im Frühjahr wollen zwei Raumfahrtkonzerne der Nasa ihre Vorschläge für das Crew Exploration Vehicle unterbreiten. Das CEV wird im wesentlichen auf eine Kapsel mit oder ohne kleinen Flügeln hinauslaufen. Ein halbes Jahrhundert nach den Apollo-Missionen zum Mond wollen die Amerikaner also mit einer fast unveränderten Technik dorthin zurückkehren. Fest steht dabei: Menschen werden künftig unabhängig von Lasten transportiert. Das gilt für den Mond genauso wie für Flüge zur Internationalen Raumstation (ISS). Douglas Stanley von der Raumfahrtfirma Orbital Science in Virginia:

    "Die Raumfähren tragen derzeit Nutzlasten und Mannschaften zusammen ins All. Jedesmal, wenn die Amerikaner also Experimente oder Nachschub zur ISS fliegen wollen, müssen Astronauten dabei sein, was natürlich unnötige Gefahren birgt. Wir wollen künftig Crew und Fracht trennen, indem Module separat in den Weltraum geschossen werden."

    Beides, Mannschaften und Lasten, sollen nach 2010 von den Shuttle-Trägern ins All geschossen werden, die dann bereits seit 30 Jahren im Gebrauch sind. Die Nasa will das Space-Shuttle-Konzept modifizieren und auf die Fähre selbst verzichten. Michael Kahn, der Vize-Präsident des Weltraumkonzerns ATK Thiokol in Utah, erklärt an einem Modell, wie die Startkonstruktion künftig aussieht:

    "Dies hier ist die Schwerlast-Variante des Shuttle-Konzepts. Die zwei Feststoffraketen und der Tank sind identisch mit denen der heutigen Shuttles. Statt des Orbiters sitzt aber auf dem Außentank ein großer, unbemannter Container, mit dem wir Fracht starten. Verlängert man die beiden Feststoffraketen um jeweils ein Segment, können wir noch mehr Schubkraft erzielen und damit mehr Nutzlast transportieren. Wir müssten also nicht eigens ein neues System erfinden."

    Um noch schwerere Fracht ins All zu schießen, ließe sich der Container auch in senkrechter Verlängerung des Tanks als Oberstufe aufsetzen. Dieser Tank wiederum würde mit den Heck-Triebwerken der Raumfähren ausgestattet. Und auch für den Transport von Astronauten wird die Nasa wohl auf Überbleibsel des Shuttle-Systems zurückgreifen:

    "Auch hier bedienen wir uns vorhandener Hardware. Auf eine der Feststoffraketen kommt eine mit flüssigem Treibstoff betriebene zweite Stufe. Ganz oben dann befindet sich das Crew Exploration Vehicle. Diese Mannschaftskapsel kann in der Umlaufbahn zuvor separat gestartete Nutzlast ankoppeln, zum Beispiel einer Mondfähre samt Antriebsmodul. Der gesamte Komplex fliegt dann zum Mond."

    Amerikas Rückkehr zum Mond also wird im wesentlichen eine Wiederholung der Apollo-Missionen sein; nur dass die Saturn-V-Raketen damals Fracht und Mannschaft zugleich zum Mond geschossen haben. Damit hätte die Nasa das einzige zuverlässige Bauteil, den Orbiter, eliminiert. Sie würde aber weiterhin auf die Feststoffraketen und den Außentank setzen, die das Challenger- und das Columbia-Unglück verursacht haben.