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Trumps Ausstieg aus dem Klimaschutz
"Ich kann dem durchaus Gutes abgewinnen"

Ihm sei nicht bange, wenn US-Präsident Donald Trump tatsächlich den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen verkünden sollte, sagte Michael Braungart vom Hamburger Umweltinstitut im DLF. Der Klimaschutz sei längst in der Gesellschaft angekommen. Es sei klar, "dass wir unsere Zukunft nicht an die Politik delegieren können", so Braungart.

Michael Braungart im Gespräch mit Martin Zagatta | 01.06.2017
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    Der Chemiker Michael Braungart (Golden Ratio)
    Martin Zagatta: Der Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ist beschlossene Sache. So jedenfalls berichten das schon Medien in den Vereinigten Staaten. Und Präsident Donald Trump hat per Twitter in der Nacht angekündigt, seine Entscheidung um 21 Uhr deutscher Zeit ganz offiziell zu verkünden.
    Mitgehört hat Michael Braungart, der wissenschaftliche Leiter des Hamburger Umweltinstituts. Guten Tag, Herr Braungart!
    Michael Braungart: Guten Tag, Herr Zagatta.
    Zagatta: Herr Braungart, in dem Bericht eben klang die Einschätzung ja schon an. Wenn die USA "nur" aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen, dann wäre das halb so schlimm. Viel schlimmer wäre eine Aufkündigung der UN-Klimarahmenkonvention. Ist das tatsächlich so?
    "Mir ist nicht bange"
    Braungart: Nun ja, mir ist da nicht zu bange, weil inzwischen ist ja das in der Gesellschaft angekommen. Selbst Städte wie Chicago machen eine aktive Klimapolitik. Das heißt, es ist doch ganz schön, wenn die Leute lernen, es ist nicht mehr so sehr wichtig, auf die Regierung zu warten, denn wir haben gesehen in den USA zu Clintons, Gore-Zeiten, auch zu Obama, dass sich alle zurückgelehnt haben und gesagt haben, die Regierung wird schon was tun. Aber das ist nicht so. Wir müssen das selbst umsetzen. Wir setzen bei uns in unserer Landwirtschaft zehn Kalorien Energie ein, um eine Kalorie Ernährung rauszukriegen. Das steht noch nicht mal in dem Klimaschutzabkommen drin. Wir brauchen eine völlig andere Landwirtschaft, die den Boden erhält. Der Boden ist der Kohlenstoffträger. Und was machen wir? Wir machen Maisanbau, wo wir zwischen elf und 30 Tonnen an Boden verlieren pro Hektar und Jahr und dafür 21 Prozent unserer Fläche Europas opfern, wo der Boden der Kohlenstoffträger Nummer eins ist, viel mehr als Öl und Kohle, und das ist überhaupt nicht richtig gehandelt. Also ich finde, das hat durchaus viele positive Aspekte, denn wir warten nicht mehr auf die Regierung, wir müssen selber etwas tun.
    Zagatta: Sie setzen darauf, wie das in dem Bericht eben anklang. Bundesstaaten wie Kalifornien und Unternehmen in den USA sind dann ja vielleicht auch längst dabei, auf mehr Umweltschutz zu setzen. Und das, was Trump da von oben vorgeben kann, wenn wir uns jetzt auf die USA erst mal beschränken, hat dann so große Auswirkungen auch nicht mehr?
    "Die Kohle wird sich selber erledigen"
    Braungart: Es gibt eine offizielle Untersuchung in Australien selbst, wo die Kohle direkt an der Oberfläche liegt, dass es inzwischen viel günstiger ist, auf Wind und Solar zu setzen, selbst im Kohleland, ohne irgendwelche Umweltkosten daraus. Darum: Die Kohle wird sich selber erledigen, egal wie sehr er dort im Rust Belt in Pennsylvania etc. noch die Kohleförderung antreiben will. Das ist vorbei. Da ist mir eigentlich gar nicht bange. Allerdings müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Wir haben ja dem Donald Trump praktisch den Weg bereitet mit uns als Wissenschaftler. Wenn ich an der Universität bin, ich kriege immer nur für Probleme Geld. Solange ich ein Problem darstelle, gibt es Geld. Der Treibhauseffekt war wissenschaftlich erwiesen spätestens 1986, also vor über 30 Jahren. Aber man hat noch tolle Forschung gemacht, ob das CO2 auch dorthin sich anreichert oder woanders, oder wie es sich in der Atmosphäre verteilt. Das heißt, wir werden an der Universität immer nur für Probleme bezahlt, und darum haben wir diese Probleme künstlich am Laufen gehalten und damit einfach solchen Leuten wie Donald Trump direkt Vorschub geleistet.
    Zagatta: Ist denn das Klima in der Welt überhaupt sonderlich abhängig jetzt vom Verhalten der USA? China gilt doch als der weit größere Umweltverschmutzer.
    Braungart: Im Moment sind sie etwa gleich. China hat mit einer dreifach, vierfach höheren Bevölkerung etwa gleich viel CO2 wie die Vereinigten Staaten. Dabei ist wie gesagt der Boden gar nicht betrachtet, weil wir haben die Fläche Chinas und der Vereinigten Staaten in den letzten 200 Jahren als landwirtschaftliche Fläche eingebüßt. Das ist überhaupt nicht bisher drin. Was auch nicht betrachtet ist, ist vor allem die Versauerung der Weltmeere, die natürlich durch das Kohlendioxid auch zustande kommt. Was wir jetzt eigentlich machen sollten, ist, lieber nach vorne schauen. Ich arbeite zum Beispiel mit Kollegen an künstlichen Bäumen. Die holen das Kohlendioxid aus der Atmosphäre zurück. Wir sollten sagen, bis zum Ende des Jahrtausends wollen wir auf dem normalen Gehalt wieder zurück sein. Warum denn auf den Mars fliegen oder sonst etwas. Wir können das Kohlendioxid als Batterie wieder aus der Atmosphäre zurückholen. Wir können es mit Sonnenlicht und Wasser umsetzen zu Methanol, können die Treibstoffe selber erzeugen.
    Zagatta: Sind Sie denn überzeugt, dass das passiert? Wenn wir jetzt im Rahmen von Abkommen reden, was die UNO da auf den Weg bringt, und auch das Pariser Klimaschutzabkommen, dieser Optimismus, der da verbreitet wurde. Sind Sie denn überzeugt, dass das etwas bringt, dass dieses Ziel eingehalten werden kann?
    "Wir können unsere Zukunft nicht an die Politik delegieren"
    Braungart: Ja, wir schwächen unsere jungen Leute. Für junge Leute ist die Anerkennung im sozialen Netzwerk inzwischen wichtiger als Geld. Wenn die Europäische Union es nicht schafft, wenn wir es nicht schaffen, die drei Millionen Tonnen Palmöl für Biodiesel zu stoppen, die wir in Europa verwenden, wo jeder rechnen kann, dass ein Hektar Regenwald 7.000 Tonnen Kohlenstoff hat und ein Hektar Palmölplantage 60 Tonnen, dann sollen wir uns über Donald Trump nicht beklagen, weil wir machen die gleichen Fake News dabei. Wir tun so als ob, eine Art Ökologismus. Das heißt, ich bin eigentlich gar nicht bange darüber, weil die jungen Leute wollen einfach stolz auf sich sein, und da kommt jetzt eine Selfie-Generation hinterher, die einfach sagt, bei solchen Schweinereien mache ich nicht mit – nicht mehr aus Moralgründen, sondern allein, weil man auf sich stolz sein will. Darum, glaube ich, werden wir das schon schaffen.
    Und der Ausstieg jetzt – die Regierungen sind letztlich immer nur für das Mindeste zuständig. Die Langsamsten sind dabei. Durch Donald Trump wird noch zusätzlich klar, dass man so blöde wirklich nicht sein will. Ich kann dem durchaus Gutes abgewinnen dabei, weil die Leute verstehen, wir können unsere Zukunft nicht an die Politik delegieren, wir sind selber dafür verantwortlich.
    Zagatta: Sie klingen dann doch relativ optimistisch, wenn man auf junge Leute setzt, auf dieses Umdenken. Brauchen wir so was wie diese Politik mit ihren Klimaabkommen, diese großen Konferenzen, die wir erlebt haben und die uns ja als Maßnahme gelten, um das Weltklima zu retten, viele Staaten zu retten, die sonst untergehen, so heißt es da immer, brauchen wir das dann überhaupt noch?
    "Wenn wir nicht zusammenhalten, dann zerstört sich das System selber"
    Braungart: Ja, wir brauchen die natürlich, damit wir verstehen, dass wir ein kleiner Planet sind, dass wir überhaupt ein Gefühl bekommen, dass wir zusammengehören. Das ist schon sehr, sehr wichtig. Diese Konferenzen werden vor allem wichtig durch persönliche Begegnungen, dass Menschen begriffen haben, dieser Planet ist so lächerlich klein, und wenn wir da nicht zusammenhalten, dann zerstört sich das System selber. Verstehen Sie? Denn an bestimmten Punkten – und darum ist dieses Zwei-Grad-Ziel so wichtig – zerstört sich der Planet dann selber, denn je wärmer es wird, desto wärmer wird es dann werden, desto mehr Wasserdampf kommt in die Atmosphäre, desto mehr wird Boden zerstört und abgewaschen durch Unwetter, die dann umso höher auftreten. Das heißt, wir müssen jetzt positive Ziele setzen, und die heißen durchaus, dass wir auch Boden zurückgewinnen. Verstehen Sie? Es ist schon ein grundlegendes Denken. Wir denken, wir würden die Umwelt schützen, wenn wir ein bisschen weniger Schweinereien machen. Schütz die Umwelt, fahr weniger Auto, schütz die Umwelt, mach weniger Müll. Das ist alles kein Schutz, das ist nur weniger Zerstörung. Das wäre so, wie wenn ich sagen würde, Herr Zagatta, schützen Sie Ihr Kind, schlagen Sie es nur fünfmal anstatt zehnmal.
    Zagatta: Und die deutsche Umweltpolitik, die so auf Autos fixiert ist, wo wir ja auch Ärger bekommen in Brüssel, weil die Deutschen versuchen, Umweltstandards zu bremsen, heißt es ja immer wieder, ist dann im Prinzip auch gar nicht so wichtig.
    "Wir verbrennen Müll, das ist völlig absurd"
    Braungart: Nein, nicht nur. Wir sind im Moment schlimmer darin, weil wir weltweit überall Müllverbrennungsanlagen exportieren und das noch als Entwicklungshilfe machen. Selbst die Stadt Shanghai hat als deutsche Entwicklungshilfe eine Müllverbrennungsanlage bekommen. Wenn wir den Müll verbrennen, dann schaffen wir das Recycling ja nicht. Das heißt, bei der Neuproduktion entsteht das ganze Kohlendioxid wieder. Das heißt, wir verstehen es als Umweltschutz, wenn wir Müll verbrennen. Das ist völlig absurd, denn dann sind alle Dinge, die in den Kreislauf müssen, weg. Verstehen Sie? Es gibt Entwicklungshilfe für den Bau von Müllverbrennungsanlagen. Zum Beispiel in Mumbai steht eine Anlage, da waren früher 10.000 Leute beschäftigt mit Müll sortieren. Jetzt steht dort eine große Verbrennungsanlage und der Müll brennt gar nicht, man muss bis zu 80 Tonnen Heizöl am Tag dazugeben. Das heißt, die Autos sind nur der kleine Popanz dabei.
    Zagatta: Michael Braungart, der wissenschaftliche Leiter des Hamburger Umweltinstituts sagt, wir müssen diesen Abschied vom Pariser Klimaabkommen, den jetzt der US-Präsident Trump angekündigt hat, ganz relativiert sehen. Danke für das Gespräch.
    Braungart: Bitte schön, Herr Zagatta.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.