Donnerstag, 28. März 2024

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US-Einreiseverbot gegen viele Muslime
"Das ist eine Verschlechterung der Sicherheitslage - auch für uns"

Der Grünen-Politiker Omid Nouripour hält das Einreiseverbot der USA gegen viele Muslime aus Angst vor Terrorismus für kontraproduktiv. Der Erlass sei Wasser auf die Mühlen des IS, der behaupte, der Westen wolle die Muslime nicht, sagte Nouripour im DLF. Mit dem Erlass spiele US-Präsident Donald Trump genau deren Spiel.

Omid Nouripour im Gespräch mit Doris Simon | 30.01.2017
    Der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) spricht am 26.11.2016 in Gießen (Hessen) auf der Landesmitgliederversammlung der Grünen.
    Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour (picture alliance / dpa / Andreas Arnold)
    Das wichtigste Instrument im Kampf gegen den Dschihadismus sei es klarzumachen, dass der Graben nicht zwischen Muslimen und Christen verlaufe, sondern zwischen Demokraten und Feinden der Demokraten, sagte Nouripour. "Diese Regel wird gerade massiv von Trump verletzt." Der Erlass sei hart, grausam und sinnlos.
    Wenn Trump es ernst meinen würde, würde er Staaten auswählen, aus den auch die Terroristen der Anschläge des 11. Septembers kämen, nämlich Saudi-Arabien. Es könnte aber sein, dass ausgerechnet diese Länder nicht betroffen seien, weil Trump dort gute Geschäftsbeziehungen habe.
    Trump hatte einen 90-tägigen Einreisestopp für Menschen aus den mehrheitlich muslimischen Ländern Syrien, Iran, Irak, Sudan, Somalia, Libyen und Jemen verfügt. Flüchtlinge aus aller Welt sind für 120 Tage ausgesperrt, jene aus Syrien sogar auf unbestimmte Zeit. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour ist als Deutsch-Iraner ebenfalls betroffen. Trump will die Verbote erst dann wieder aufheben, wenn "angemessene" Überprüfungsmechanismen sicherstellten, dass keine "radikalen islamischen Terroristen" in die USA gelangten.

    Das Interview in voller Länge:
    Doris Simon: Omid Nouripour ist außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und Vizevorsitzender der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe. Guten Morgen.
    Omid Nouripour: Schönen guten Morgen.
    Simon: Herr Nouripour, das Einreiseverbot gilt auch für Doppelstaatler. Sie sind in Teheran geboren, haben deshalb auch einen iranischen Pass. Fährt die deutsch-amerikanische Parlamentariergruppe demnächst ohne Sie in die USA?
    Nouripour: Es ist gut möglich, dass ich tatsächlich nicht mehr einreisen kann. Aber ich würde denen trotzdem dringend raten zu fahren, und zwar deswegen, weil man natürlich ein Grundgefühl kriegen muss für das, was die Administration jetzt da tut, natürlich auch, weil man da sehr klar auch die Grenzen dessen, was man bereit ist zu ertragen, formulieren muss.
    Aber vor allem auch, weil es ja - und das sieht man ja zurzeit - so unglaublich viele Wertepartner gibt, die nicht nur auf den Straßen, sondern gerade in diesen Stunden an den Flughäfen sind, um den Leuten zu helfen, und das Gespräch mit diesen Leuten müssen wir natürlich auch führen. Das heißt, es gibt Kollegen, die jetzt sagen, aus Solidarität mit Dir würde ich nicht fahren. Das ist sehr nett gemeint, ich bin sehr froh über diese Solidarität. Aber Leute, fahrt einfach!
    "Es ist hart, grausam und sinnlos"
    Simon: Herr Nouripour, Sie sind gewählter Vertreter des Volkes. Sie werden anlasslos wie viele Tausende andere aus den USA ausgesperrt. Erwarten Sie, dass die Bundesregierung Druck macht, damit auch Sie wieder reisen können?
    !Nouripour: Ich bin sehr dankbar für das, was Kollege Hardt gesagt hat. Dss klang gestern noch beim Regierungssprecher ein bisschen anders. Es ist sicher so, dass die Bundesregierung sich für die über 100.000 deutschen Staatsbürger, mindestens für diese einsetzen muss, damit diese willkürlichen Regelungen sie nicht betreffen und ihre Reisefreiheiten nicht beschränken.
    Wir reden ja mittlerweile über Familien, die zerrissen werden. Ich habe gerade einen Fall bekommen von einem zwölfjährigen Mädchen aus dem Jemen, das gerade in Djibouti festsitzt. Die Eltern sind amerikanische Staatsbürger. Und wenn sie auch nur amerikanischen Boden berühren würde, wäre sie das dann auch. Das ist eine komplizierte rechtliche Angelegenheit. Aber auch an diesem Beispiel sieht man, wie hart, grausam und sinnlos das ist.
    Simon: Das Dekret hat ja ursprünglich das Ziel, die Einreise von Terroristen zu verhindern. Tatsächlich wirkt es wie ein Generalverdacht, vor allem gegen Muslime. Es ist Wasser auf die Mühlen von US-Hassern und Radikalen. Wie gefährlich ist das auch für uns?
    Nouripour: John McCain hat das ja richtig gesagt. Ich war selten John McCain Fan, aber er sagt seit ein paar Tagen viele kluge Sachen und ist quasi die letzte Instanz des Anstandes innerhalb der Republikanischen Partei im Kongress, zumindest bisher. John McCain hat ja klar gesagt, das ist Wasser auf die Mühlen der Geschichte, die ISIS und andere erzählen, nämlich liebe Muslime, der Westen will euch nicht. Und Trump spielt genau deren Spiel und deshalb ist das eine Verschlechterung der Sicherheitslage nicht nur der USA, sondern auch für uns, und auch deswegen muss man dagegen protestieren und alles daran setzen, damit eine solche Regelung nicht durchkommt.
    Ich bin sehr froh, dass es auch andere gibt wie zum Beispiel den kanadischen Premierminister, die das Gegenteil tatsächlich jetzt versuchen auszustrahlen. Das ist gut und wichtig. Aber wenn er es mit Sicherheit ernst meinen würde, Trump, dann würde er sich auch die Staaten anschauen, aus denen beispielsweise die Attentäter von 9/11 kommen. Das ist Saudi-Arabien und andere Staaten. Ich bin nicht dafür, dass diese Staaten mit einem Einreiseverbot versehen werden, um Gottes willen, aber das wäre quasi in derselben Logik auch tatsächlich verständlich gewesen. Ich fürchte, das kann auch daran liegen, dass diese Länder nicht betroffen sind, weil die Firma des neuen Präsidenten noch einige Geschäftsbeziehungen in diese Länder hat.
    "Wir müssen sehr klar und laut sagen, dass wir das falsch finden"
    Simon: Herr Nouripour, jenseits protestieren in den USA, was können wir noch tun, um die Auswirkungen, vielleicht die gefährlichen Auswirkungen dieses Dekrets, die Sie angesprochen haben, etwas zu mildern, auch was die Effekte auf uns angeht?
    Nouripour: Wir müssen sehr klar und laut sagen, dass wir uns das nicht zu eigen machen, dass wir das falsch finden und dass wir auch bereit sind, dagegen zu protestieren.
    Simon: Das geht in Richtung USA. Und darüber hinaus?
    Nouripour: Das ist schon mal ein richtiges Signal, weil es ja wahrgenommen wird, und das wichtigste Instrument im Kampf gegen den Dschihadismus ist klarzumachen, dass der Graben nicht verläuft zwischen Muslimen und Christen, sondern zwischen demokratischen Kräften auf der einen Seite und den Feinden der Demokratie auf der anderen Seite. Diese Regel wird gerade massiv von Trump verletzt; genau diese müssen wir aber hochhalten.
    Simon: Omid Nouripour sagt das, der außenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und der Vizevorsitzende der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe. Er selber kann wegen des derzeit geltenden Einreiseverbots als Doppelstaatler nicht in die USA einreisen. Herr Nouripour, danke für das Gespräch.
    Nouripour: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.