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US-Repräsentantenhaus
Paul Ryan zwischen Tea-Party und gemäßigten Republikanern

Der Republikaner Paul Ryan soll der neue Sprecher des US-Repräsentantenhauses werden. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hatte sich lange bitten lassen, denn der Brückenschlag, der ihm in seiner eigenen Partei gelingen muss, scheint unmöglich.

Von Marcus Pindur | 29.10.2015
    Der Republikaner kandidiert als Sprecher des US-Repräsentantenhauses
    Der Republikaner kandidiert als Sprecher des US-Repräsentantenhauses (Imago)
    Paul Ryan, Vorsitzender des mächtigen Haushaltsausschusses im amerikanischen Repräsentantenhaus, hatte sich lange bitten lassen. Er wusste, dass die Aufgabe, die auf ihn zukommt, fast unmöglich ist: Eine Brücke zu bauen zwischen den gemäßigten Republikanern und den etwa 40 Mitgliedern des erzkonservativen Tea-Party-Kreises, des sogenannten "Freedom Caucus". Gestern wurde er von einer Mehrheit seiner Fraktion als Sprecher des Repräsentantenhauses nominiert, heute stellt sich Ryan der Abstimmung in der unteren Kammer des Kongresses.
    "Das Repräsentantenhaus wird besser aussehen als in der Vergangenheit. Wir werden vorwärtsgehen und uns vereinigen. Unsere Partei hat ihre Vision verloren, wir werden sie ihr wiedergeben."
    Völlig zerstritten
    Der gleichzeitig defensive und kämpferische Ton Ryans ist der Lage der Republikaner im Repräsentantenhaus angemessen. Sie stehen seit längerem trotz einer Mehrheit auf dem Papier völlig zerstritten da. Der Tea-Party-Flügel hatte Ryans Vorgänger John Boehner mehr oder weniger zum Rücktritt gezwungen.
    Boehner half noch mit, Ryan vor seiner Wahl ein Geschenk zu machen: Der Haushalt wurde gestern um zwei Jahre verlängert und die Schuldenobergrenze angehoben. Der Kompromiss, der unter anderem höhere Ausgaben für das Militär und Kürzungen bei Medicare, der Gesundheitsversicherung für Rentner vorsieht, wurde von den Hardlinern umgehend abgelehnt, aber mit Stimmen der Demokraten angenommen.
    Ryan hatte zur Bedingung für seine Kandidatur gemacht, dass auch die konservativen Extremisten unter den Republikanern mehrheitlich für ihn stimmen würden.
    "Ich habe meinen Kollegen gesagt, welche Bedingungen ich brauche, um erfolgreich arbeiten zu können, was es braucht, erfolgreich führen und die Fraktion zusammenhalten zu können."
    Seine Wahl ist wahrscheinlich, aber nicht sicher
    Eine Mehrheit der Teaparty-Abgeordneten soll ihm die Unterstützung zugesagt haben. Doch zu einer einheitlichen Nominierung konnten die 40 Abgeordneten des erzkonservativen Flügels sich nicht durchringen. Ryans Wahl ist deshalb zwar wahrscheinlich, aber letztlich nicht völlig sicher.
    Paul Ryan gilt als doktrinärer Konservativer mit pragmatischen Fähigkeiten und als leidenschaftlicher Haushaltspolitiker. Mit nur 28 Jahren zog er 1998 für seinen ländlichen Wahlkreis in Wisconsin ins Repräsentantenhaus ein. Dann begann ein steiler Aufstieg in Washington. 2012 kandidierte er an der Seite Mitt Romneys als Vizepräsident, das Duo verlor jedoch gegen Obama.
    Dass Ryan nicht direkt mit einer Haushaltskrise ins Amt starten muss, ist ein großer Vorteil für ihn. Doch der Loyalität der Tea Party kann er sich nicht sicher sein, der Ansicht sind auch viele der gemäßigten Republikaner.