
Seit mehr als drei Jahren wehrt sich die Ukraine gegen den blutigen Angriffskrieg Russlands. Und im Nahen Osten eskalierte die Lage zuletzt gefährlich. Die direkte Konfrontation zwischen Israel und Iran hat das Potenzial, einen Flächenbrand in der gesamten Region auszulösen.
Fragen des Völkerrechts – zum Beispiel über die Lage in Gaza – werden derzeit allerorten diskutiert. Die Vereinten Nationen als ihre Hüterin wirken jedoch blockiert und machtlos, auch nur einen der vielen bewaffneten Konflikte weltweit zu beenden.
Dabei wurden die Vereinten Nationen als Institution für Frieden gegründet. Mit der Unterzeichnung der UN-Charta am 26. Juni 1945 – während im Pazifik noch der Zweite Weltkrieg tobte – verpflichteten sich die zunächst 51 Mitgliedsländer dem Völkerrecht. So sollten Konflikte gelöst und der Frieden gesichert werden.
Doch wo gibt es noch wirksame Interventionen in den aktuellen Krisen, fragen sich viele. Müssen die Vereinten Nationen reformiert werden? Und wenn ja, wie?
Inhaltsübersicht:
Welche Ziele haben die Vereinten Nationen?
Die Gründung der Vereinten Nationen war eine Reaktion auf den Ersten und den Zweiten Weltkrieg mit Millionen von Toten weltweit.
Heute hat die UNO mit Hauptsitz in New York 193 Mitgliedsstaaten. Die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts und der Schutz der Menschenrechte gehören zu den zentralen Zielen, sie stehen deshalb auch im ersten Kapitel der UN-Charta.
Welche Mittel haben die Vereinten Nationen zur Verfügung?
Um gegen Konflikte anzugehen, haben die Vereinten Nationen verschiedene Instrumente, die sich zum Teil erst im Laufe der Zeit entwickelten. Noch vor einer Gewalt-Eskalation sind das Maßnahmen der "präventiven Diplomatie" wie Fact-Finding-Missions, eine Art Erkundungsmissionen, erklärt der Politologe Steve Biedermann. Das Zweite: die Friedensschaffung, das Peacemaking, also „einen Konflikt einzudämmen, wenn er bereits ausgebrochen ist“.

Dann die Friedenssicherung, das Peacekeeping – zur Unterstützung etwa bei der Umsetzung eines Friedensabkommens. Für dieses Konzept bekamen die Vereinten Nationen 2001 den Friedensnobelpreis.
Zentrales Beratungsgremium der Vereinten Nationen ist die UN-Vollversammlung. Ihre Aufgaben sind darüber hinaus die Genehmigung des UNO-Haushalts, die Ernennung des UN-Generalsekretärs und Besetzung zentraler Ämter.
Noch wichtiger aber ist der UN-Sicherheitsrat, wenn es um die Beilegung von Konflikten geht. Er wurde als einziges UNO-Organ mit rechtlich verbindlichen Sanktionsmechanismen ausgestattet, die es ihm im Falle eines Bruchs des Völkerrechts oder der Bedrohung des Weltfriedens erlauben, in die Souveränität von Staaten einzugreifen. Das können friedliche Mittel wie Wirtschaftssanktionen sein, aber auch militärische Mittel.

Voraussetzung für ein Eingreifen ist aber, dass kein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats sein Veto einlegt. Das sind: China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA.
Wo war die UNO erfolgreich?
Die Vereinten Nationen haben in vielen Kriegen erfolgreich vermittelt und Konflikte entschärft. Der Politologe Steve Biedermann nennt als Beispiel Namibia und die dortige Unterstützungseinheit der Vereinten Nationen für die Übergangszeit (United Nations Transition Assistance Group, UNTAG). Sie sollte den Unabhängigkeitsprozess Namibias von Südafrika in den 80er-Jahren begleiten. Es gelang, die dort herrschenden Kämpfe zu beenden und damit die Grundlage für einen demokratischen Weg und die Unabhängigkeit des Landes zu schaffen.
Als Erfolg gilt auch die Friedenssicherung in Osttimor. Zwischen 1999 und 2013 gab es insgesamt fünf UNO-Einsätze in dem früher von Indonesien annektierten Land. Die erste Mission sicherte dabei die Volksabstimmung zur Unabhängigkeit von Osttimor. Die letzten Blauhelme verließen 2013 das Land.
Auch die UN-Einsätze in Liberia, wo die UNO-Friedensmission UNMIL ab 2003 ein von Bürgerkriegen erschüttertes Land bis 2016 stabilisierte, oder die Mission UNAMSIL in Sierra Leone von 1999 bis 2005 gelten als Erfolge. Zudem war die UNO maßgeblich daran beteiligt, dass Konflikte wie etwa die Kubakrise nicht zum Krieg wurden.
Wo sind die Vereinten Nationen gescheitert?
Es gibt aber auch einige UNO-Missionen, die teils dramatisch gescheitert sind. Ein drastisches Beispiel ist der Völkermord an den Tutsi in Ruanda 1994 – bis heute ein Trauma der UNO. Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen (United Nations Assistance Mission for Rwanda, UNAMIR) sollte nach dem Abschluss eines Friedensvertrags zwischen Hutu und Tutsi 1993 bei der Stabilisierung des Landes helfen.
Doch die Gewalt breitete sich aus und die UN-Friedenssoldaten konnten sich aufgrund ihres Mandats selbst nur schwer schützen. Innerhalb kurzer Zeit starben in dem Völkermord an der Tutsi-Minderheit 800.000 Menschen.
Ein Jahr später, 1995, wurden beim Massaker von Srebrenica mindestens 7.000 muslimische Jungen und Männer getötet. Auch dort gab es eine UN-Friedenstruppe – die Schutztruppe der Vereinten Nationen (United Nations Protection Force, UNPROFOR) für Bosnien und Herzegowina. Sie war 1992 vom UNO-Sicherheitsrat angesichts der bewaffneten Konflikte in Kroatien und Bosnien-Herzegowina beschlossen worden.
Sie konnte jedoch das Massaker, das als das schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs gilt, nicht verhindern. Auch hier erlaubten Mandat und Ausrüstung nicht die erforderliche Gegenwehr.
Was hat die UNO für Frieden in der Ukraine und Nahost unternommen?
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen nach dem Massaker der Terrororganisation in Israel rufen vielfach Forderungen an die Vereinten Nationen hervor, Wege in Richtung Frieden zu eröffnen. Doch bislang erwiesen sich die UNO machtlos gegenüber der Gewalt und Zerstörung.
In Bezug auf den Krieg in der Ukraine kann Russland als Vetomacht alle entscheidenden Beschlüsse im Sicherheitsrat blockieren. Am 24. Februar 2022, dem Tag des Angriffs, stoppte Russland eine von den USA im Sicherheitsrat eingebrachte Resolution, in der die russische Invasion „bedauert“ wurde.
Im Februar 2025 verabschiedete der Sicherheitsrat auf Betreiben der Trump-Regierung dann eine moskaufreundliche Resolution, die ein Ende des Krieges anmahnt, jedoch ohne die russische Aggression zu erwähnen und einen Rückzug aus den besetzten Gebieten zu fordern. Alle fünf europäischen Länder im Sicherheitsrat enthielten sich ihrer Stimme, darunter die Vetomächte Großbritannien und Frankreich.
Im Nahen Osten bemühen sich die Vereinten Nationen schon seit 1948 um Frieden. Die United Nations Truce Supervision Organization (UNTSO) bemüht sich seit dem israelischen Unabhängigkeitskrieg oder auch Palästinakrieg bis heute um die Wahrung des damals vereinbarten Waffenstillstands zwischen Israel und den arabischen Kriegsparteien.
Die Mission erstreckt sich mittlerweile über Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon und Syrien. Zudem gibt es weitere UN-Missionen in der Region, etwa Unifil im Libanon und die Undof-Mission auf den Golan-Höhen zwischen Syrien und Israel.
Sicherheitsrat auf Distanz zu Israel
Israels Vorgehen in Gaza stößt auf viel Kritik. Auch im UN-Sicherheitsrat war die humanitäre Situation der Zivilbevölkerung schon mehrfach Thema. Sämtliche Resolutionsentwürfe wurden jedoch von den USA mit einem Veto geblockt.
Zuletzt am 4. Juni 2025: Ein Entwurf, der eine sofortige Waffenruhe, die Freilassung aller israelischen Geiseln sowie humanitäre Hilfe für die rund 2 Millionen Menschen in Gaza verlangt hatte, scheiterte am US-Veto. Wie isoliert die Amerikaner in dieser Frage sind, zeigt das Abstimmungsergebnis. Alle anderen 14 Mitglieder des Gremiums hatten dafür gestimmt.
Ungewöhnlich scharf fiel die Stellungnahme der USA aus: "Dies ist eine unseriöse Resolution – beschämend in einer Zeit, in der ernsthafte Fragen zum Nutzen der UN, ihrer Finanzierung und Ressourcennutzung aufgeworfen werden. Der Sicherheitsrat sollte sich selbst höhere Standards setzen."
Wie soll die UNO wieder handlungsfähiger werden?
Die UNO steckt in der Krise. Das beschönigt auch der Generalsekretär nicht. Der Frieden gerate immer weiter aus dem Blick und der Sicherheitsrat sei weitgehend blockiert, bedauerte António Guterres anlässlich des 80. Jubiläums der UN-Charta. Seit zehn Jahren haben die Vereinten Nationen keine Friedensmission mehr auf die Beine gestellt.
Daran konnte auch eine Reformagenda bisher nichts ändern, die die UN-Vollversammlung im Spätsommer 2024 verabschiedet hat. Entstanden war der Plan unter Federführung von Deutschland und Namibia. Der Zukunftspakt enthält Absichtserklärungen für eine Reform des UNO-Sicherheitsrats.
Darüber hinaus fordert er eine Anpassung des internationalen Finanzsystems zugunsten des sogenannten Globalen Südens. Auch ein erstes Fundament für die weltweite Regulierung von Künstlicher Intelligenz soll gelegt werden. Ebenso wendet sich der Text gegen ein Wettrüsten im Weltraum. Ein Maßnahmenkatalog, Zeitplan oder gar bindende Verpflichtungen sind im Papier nicht enthalten.
Dem entgegen steht die Geringschätzung, die Donald Trump und seine US-Regierung der UNO entgegenbringen und sie aktiv schwächen. Unter Trump sind die USA erneut aus dem Klimaabkommen ausgestiegen. Auch aus der Weltgesundheitsorganisation zieht sich seine Regierung zurück – und die Behörde USAID hat sie fast vollständig aufgelöst, den wichtigsten Träger für Welternährungsprogramme.
Holger Niemann vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg hat die Hoffnung dennoch nicht verloren: „Die UN haben eine echte Krise, aber am Ende gibt es immer noch viele Mitgliedsstaaten, die um die Wichtigkeit wissen.“
abr, gü, jk