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Verstopft, dreckig oder nicht vorhanden

Besonders in den Townships Südafrikas leben viele Menschen ganz ohne Toiletten. Andere müssen sich das WC mit mehreren Nachbarn teilen. Südafrikas Präsident Jacob Zuma hat die Toiletten-Frage mittlerweile zur Chefsache erklärt. Denn der Unmut in der Bevölkerung ist groß.

Von Jörg Poppendieck | 13.10.2012
    Öffentliche Toiletten stehen im Township Khayelitsha am Rande von Kapstadt.
    Öffentliche Toiletten stehen im Township Khayelitsha am Rande von Kapstadt. (Jörg Poppendieck)
    Die jungen Männer haben die Kreuzung besetzt und Autoreifen angezündet. Dunkle Rauchschwaden steigen auf in den blauen, wolkenlosen Himmel von Kapstadt. Die rund 100 Demonstranten singen und tanzen. In Sichtweite stehen Polizisten, neben Nyalas - das sind schwer gepanzerte Fahrzeuge. Nur 200 Meter von der Kreuzung entfernt, verkaufen Straßenhändler gegrillten Mais, waschen Frauen in Eimern Wäsche. Protestalltag in Südafrika. Allein in diesem Jahr gab es bereits mehr als 10-Tausend solcher Demonstrationen - nicht immer so friedlich, aber immer aus dem gleichen Grund: Die Menschen fordern von ihrer Regierung Toiletten.

    "Die Umstände in denen wir leben sind furchtbar. Ich lebe mit meiner Familie in einer Hütte. Wir haben kein Bad, geschweige denn eine eigene Toilette. Wir sind gezwungen, eine öffentlich Toilette zu nutzen, wie du sie dahinten siehst."

    Zakumzi Langin ist 34 Jahre alt. Zusammen mit seiner Frau und seinen drei Kindern wohnt er in einer kleinen aus Blech zusammengeschraubten Hütte in Khayelitsha, einem Township am Rande von Kapstadt. Auf engstem Raum leben hier wahrscheinlich mehr als 400.000 Menschen. Keiner weiß das so genau, weil ständig Menschen hinzuziehen. Südafrikaner die vom Land kommen in der Hoffnung in Kapstadt Arbeit zu finden oder Flüchtlinge aus Simbabwe und dem Kongo.

    Zakumzi Langin arbeitet als Wachmann für eine Bank in der Stadt, dort kann er auch eine saubere Toilette nutzen. Ein Luxus, den seine Frau und seine drei Kinder nicht haben. Sie müssen sich eine öffentliche Toilette mit ihren Nachbarn teilen. Eine Toilette für 25 Personen.

    "Es gibt vor allem hygienische Probleme. Sehr viele hier sind gezwungen eine einzige Toilette zu nutzen. Aber nicht jeder hinterlässt die Toilette auch wieder in einem sauberen Zustand. Das ist eklig und auf diese Weise verbreiten sich auch Krankheiten sehr schnell. Die Hygiene ist wirklich ein großes Problem."

    Die Lebensumstände von Zakumzi sind erbärmlich. Und doch gehört er zu den Privilegierten. In Südafrika gibt es Menschen, die noch schlechter dran sind. Fast 1,5 Millionen Südafrikaner leben ganz ohne eine Toilette, berichtet Gavin Silber von der Koalition für soziale Gerechtigkeit. Ihnen bleiben nur die Büsche in der näheren Umgebung - am Tag und in der Nacht.

    "Die Frage der Toilettenversorgung ist zu einem Symbol geworden für das Versagen der Regierung, wenn es darum geht, die Bevölkerung mit dem Notwendigsten zu versorgen. Das ist mittlerweile ein großes Thema. Wir als NGO sind der Meinung, dass die derzeitige Lage nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Die Regierung hat die Aufgabe, sich zuerst um die Menschen zu kümmern, die am schlechtesten dran sind. Die politische Herangehensweise muss sich da ändern. Wir sitzen auf einer tickenden Zeitbombe."

    Wie realistisch diese Einschätzung ist, haben die Proteste in Marikana gezeigt. Bei Demonstrationen frustrierter Minenarbeiter für höhere Löhne sind dort vor wenigen Wochen 42 Menschen ums Leben gekommen. Gavin Silber von der Kapstädter NGO "Koalition für soziale Gerechtigkeit" will nicht ausschließen, dass sich vergleichbare Unruhen auch wegen der Toiletten entwickeln könnten. Südafrikas Präsident Jacob Zuma hat die Toiletten-Frage deshalb zur Chefsache erklärt. Er will verhindern, dass die Toilettenversorgung 2014 zum Wahlkampfthema wird. Doch mit politischen Lösungen tut sich der regierende ANC schwer - seit Monaten ist die Partei vor allem mit sich selbst und Personalpolitik beschäftigt. Der stellvertretende ANC-Vorsitzende in der Provinz Westkap, Abraham Bekeer, sieht denn auch andere in der Verantwortung:

    "Für uns als Regierung ist das Ganze nicht zu akzeptieren. Wir werden deshalb jetzt mehr Druck auf die Kommunalverwaltungen ausüben. Wir haben Bürgermeister, stellvertretende Bürgermeister und Manager, die ihren Job nicht machen. Wenn jemand offensichtlich mit den Anforderungen überfordert ist, dann muss er ersetzt werden. Es kann doch nicht sein, dass es Menschen gibt, die dringend einen Wasseranschluss und eine Toiletten brauchen, aber die Verwaltung ist nicht in der Lage, das zur Verfügung zu stellen."

    Zakumzi Langin hat diese Ankündigungen schon mehrfach gehört. Vom ANC, aber auch von der Demokratischen Allianz, der Partei die in Kapstadt regiert. Geändert hat sich für ihn und seine Familie dadurch nichts. Und er befürchtet, dass sie auch in den kommenden Jahren keine eigene Toiletten bekommen werden. Also müssen die Eltern weiter ihre Kinder auf den fast 100 Meter langen Weg zur Toilette begleiten. Sie haben Angst um sie, weil immer wieder Frauen vergewaltigt und ermordet wurden, wenn sie nachts allein auf die Toilette gegangen sind.

    "Wenn ich die Chance hätte mit unserem Präsidenten Jacob Zuma zu sprechen, dann würde ich ihn anflehen, mehr Druck auf die Minister auszuüben. Die Versorgung mit Toiletten muss sich verbessern, vor allem in den Townships. Die derzeitige Lage ist nicht akzeptabel. Wenn jede Familie hier eine eigene Toilette hätte, würde sich so vieles ändern."
    Öffentliche Toiletten stehen im Township Khayelitsha am Rande von Kapstadt
    Auf engsten Raum leben in Khayelitsha wahrscheinlich mehr als 400.000 Menschen. (Jörg Poppendieck)