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Vor 20 Jahren endete der Bürgerkrieg
So verheerend wütete der Kalte Krieg in Angola

Kaum hatten die Guerilla-Gruppen MPLA und UNITA die Unabhängigkeit Angolas erreicht, bekämpften sie einander. In dem 27-jährigen Bürgerkrieg wurden sie je unterstützt von der Sowjetunion oder den USA. Am Ende war eine halbe Million Menschen tot und das Land ruiniert.

Von Bettina Rühl | 04.04.2022
Ein auf eine Mine gefahrener Panzer dient den Kindern 2003 in dem Dörfchen Kunje nahe der völlig zerschossenen Provinzhauptstadt Kuito 2003 als Spielgerät
Ein auf eine Mine gefahrener Panzer dient den Kindern 2003 in dem Dörfchen Kunje nahe der völlig zerschossenen Provinzhauptstadt Kuito als Spielgerät (picture-alliance/ dpa)
„Wir wollen Frieden“ ruft die Menge, die sich in der angolanischen Hauptstadt Luanda versammelt hat. Endlich, nach 27 Jahren eines brutalen Bürgerkriegs, stehen die Chancen dafür gut: Am 4. April 2002 unterzeichnen die beiden verfeindeten Kriegsparteien einen Waffenstillstand - die kommunistische MPLA und die pro-westliche UNITA. Es ist der dritte Anlauf, den vorerst letzten Stellvertreterkrieg des Kalten Krieges in Afrika zu beenden.

Angola, ein Land voller Bodenschätze im südlichen Afrika, ist ruiniert: Eine halbe Million Menschen ist gestorben, über 100.000 sind vom Krieg versehrt, vier Millionen Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben - ein Drittel der Bevölkerung. Fernanda Fernandez, eine Angolanerin, die damals in der Hauptstadt Luanda lebte und dort Deutsch gelernt hat, glaubt am Tag des Waffenstillstands: "Es gibt fast keine Familie in Angola, die nicht jemand verloren hat wegen des Krieges.“

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Flüchtiger Friede nach der Unabhängigkeit

Die Kriegsparteien MPLA und UNITA, die nun endlich Frieden schließen, sind im Kampf für die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Portugal entstanden. Der Aufstand begann 1961, vierzehn Jahre später wurde Angola tatsächlich ein eigener Staat. Der Friede währte allerdings nicht lange: Drei Befreiungsbewegungen fingen an, um die Vorherrschaft zu kämpfen. Die wichtigsten Kontrahenten waren die ursprünglich marxistische „Volksbewegung zur Befreiung Angolas“, kurz MPLA, und die „Vereinigung für die völlige Unabhängigkeit von Angola“, UNITA. Beide Parteien wurden massiv vom Ausland unterstützt: die MPLA vom kommunistischen Kuba und der Sowjetunion, die UNITA von Südafrika und den USA.
Mit dem Ende des Kalten Kriegs 1991 wurde immer deutlicher, dass es in Angola nicht um Ideologien, sondern um Macht und Reichtum ging. Die MPLA stellte mittlerweile die Regierung und wurde von der UNITA bekämpft. Beide Seiten finanzierten den Krieg durch die Ausbeutung der Bodenschätze Angolas: Das Land ist reich an Erdöl und Diamanten. Der angolanische Journalist Rafael Marques stellte damals nüchtern fest:
"Es gibt keine gute und böse Seite im angolanischen Konflikt. Die Regierung kümmert sich nicht um das Volk. Sie tut, was ihr gefällt und wovon sie und einige internationale Unternehmen, die sie braucht, Gewinn haben. Die UNITA kämpft ebenso wenig für die Zukunft des Landes oder das angolanische Volk. Auch sie hat nur ihre eigenen Interessen im Sinn. Deshalb repräsentieren die MPLA und die UNITA schon längst nicht mehr die Hoffnungen des angolanischen Volkes. Sie haben ihre Legitimität verloren."

Beeindruckende wirtschaftliche Entwicklung nach dem Krieg

Der Krieg ließ ein völlig zerstörtes Land zurück. Nur noch ein paar hundert Kilometer Straße waren problemlos passierbar – dabei ist Angola drei Mal so groß wie Deutschland. Die übrigen Straßen waren zerstört, viele Lehmpisten und Felder vermint. Der Anbau von Lebensmitteln, der Gang zum Markt – alles war lebensgefährlich. Die Bevölkerung hungerte, war auf Nothilfe angewiesen.

Seitdem hat Angola eine beeindruckende wirtschaftliche Entwicklung genommen, vor allem durch den Export von Erdöl. Die Wachstumsraten lagen zum Teil im zweistelligen Bereich. Die Bevölkerung allerdings profitiert davon kaum, kritisiert die Politikwissenschaftlerin Paula Cristina Roque.
"In den letzten Jahrzehnten blieb die Friedensdividende aus, auf die die Angolaner gehofft haben und die sie verdient hätten. Stattdessen hat die Armut zugenommen und es ist eine Armut auf vielen Ebenen. Angefangen damit, dass die Menschen keinen Zugang haben zu grundlegenden Dienstleistungen, bis dahin, dass sie keine Arbeit finden und viele unter der Armutsgrenze leben."

Der Bürgerkrieg prägt das Land bis heute. Die Elite an der Macht ist dieselbe geblieben, nur ein paar Köpfe wurden ausgetauscht. Ein Großteil der angolanischen Generäle spreche immer noch russisch, sagt Roque, weil sie vor vielen Jahren von der sowjetischen Armee ausgebildet wurden. Und die Korruption, die schon während des Krieges begann, hat höchstens noch zugenommen.