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Staatsbesuch vor 50 Jahren
Richard Nixons Reise nach China - eine Art diplomatische Mondlandung

In der internationalen Politik bewirken Gesten oft mehr als Verträge. So zum Beispiel die Reise des strammen Antikommunisten Richard Nixon nach China im Februar 1972. Es war der erste Besuch eines US-Präsidenten in der Volksrepublik - eine diplomatische Sternstunde, die eine gewisse Annäherung brachte.

Von Bert-Oliver Manig | 21.02.2022
Mao Tse Tung (links) begrüßt am 21.Februar 1972 US-Präsident Richard Nixon. Der war der erste US-Präsident, der die Volksrepublik China besuchte. Damit begann eine neue Ãra zwischen den beiden Großmächten
Überraschender Empfang: Revolutionsführer Mao Zedong (l.) begrüßt US-Präsident Richard Nixon (picture-alliance / dpa)
Kaum ein außenpolitisches Ereignis hat in den USA solche Euphorie ausgelöst wie die China-Reise Richard Nixons im Februar 1972: Mao-Sticker waren ein Verkaufsschlager, Mao-Anzüge der letzte Schrei, und Warenhäuser schalteten Zeitungsanzeigen in chinesischer Schrift. Nach Ansicht von Beobachtern war das Medieninteresse größer als bei der Mondlandung drei Jahre zuvor. In einer kurzen Ansprache im Garten des Weißen Hauses, wo der laufende Motor des wartenden Helikopters ungeduldig die Tatkraft des Präsidenten anzufordern schien, rückte Nixon seine bevorstehende Reise selbst in höchste historische Sphären:
"Wenn es einen Nachsatz gibt, der, wie ich hoffe, nach dieser Reise geschrieben werden könnte, dann ist es der Satz auf der Gedenktafel, die unsere Astronauten bei ihrer ersten Landung auf dem Mond dort zurückgelassen haben: ‚Wir kamen in Frieden, für die gesamte Menschheit!‘"

Mit dem Koreakrieg war der diplomatische Faden gerissen

Tatsächlich brach Nixon zu einer Art diplomatischer Mondlandung auf: Die Volksrepublik China war eine terra incognita, ein Vierteljahrhundert lang hatte kaum ein Amerikaner das kommunistische Reich betreten. Seit dem Korea-Krieg Anfang der 1950er-Jahre existierten keine offiziellen Beziehungen mehr.
„Selbstverständlich geben wir uns nicht der Illusion hin, dass 20 Jahre Feindseligkeit zwischen der Volksrepublik China und den Vereinigten Staaten einfach in einer Woche vom Tisch gewischt werden können. Was wir tun müssen, ist einen Weg zu finden, der es uns gestattet, Differenzen zu haben, ohne zu Feinden zu werden.“

Nixons Ego-Show

Am 21. Februar 1972 landete die Air Force One auf dem Flughafen in Peking. Zur besten amerikanischen Sendezeit betrat Nixon als erster US-Präsident chinesischen Boden, wo ihn Ministerpräsident Zhou En-Lai betont, freundlich begrüßte. Seine Begleiter durften das Flugzeug auf Nixons Geheiß erst mit großem Abstand verlassen, so dass die Fernsehbilder allein dem Präsidenten gehörten. Sein Sicherheitsberater Henry Kissinger zahlte ihm diese Zurücksetzung später heim, als er die Bedeutung der Hauptakteure an der amerikanisch-chinesischen Verständigung herunterspielte:
"Für beide Seiten diktierte die Notwendigkeit eine Annäherung, egal wer in beiden Staaten an der Regierung war.“
Tatsächlich legte die Interessenlage beider Staaten eine Annäherung nahe: Der chinesischen Führung steckte ein Grenzkrieg mit der UdSSR in den Knochen, so dass sie sich nun der lange in Vergessenheit geratenen pro-chinesischen Tradition amerikanischer Außenpolitik vor 1945 entsann. Und auch den USA kam eine Aufwertung Pekings gelegen, sowohl im Verhältnis zur Sowjetunion wie gegenüber den Regionalmächten Nordvietnam und Indien.

Irgendwelcher Sympathien für Rotchina war Nixon unverdächtig

Doch Richard Nixon war mehr als ein Exekutor objektiver Interessen und Machtkalküle. Er hatte bereits vor seiner Präsidentschaft die Überzeugung gewonnen, dass die ideologisch begründete Isolierung eines Fünftels der Weltbevölkerung beendet werden müsste. 1967 hatte er geschrieben:„Auf lange Sicht können wir es uns schlicht nicht leisten, China im Abseits der Völkerfamilie zu belassen, wo es seine Wahnvorstellungen und Feindbilder pflegen und seine Nachbarn bedrohen kann."

Annäherung bei der heiklen Taiwan-Frage

Als profilierter Antikommunist war Nixon jeglicher Sympathien mit Rotchina unverdächtig. Doch sein anti-ideologisches Verständnis von Außenpolitik trug ihm international Respekt ein. Der überraschende Empfang durch den greisen Revolutionsführer Mao Zedong am ersten Tag seines Besuchs brachte Nixons Mission auf die Erfolgsspur. Die USA öffneten ihren Markt, auch an kulturellem Austausch sollte es künftig nicht fehlen. Zudem wurde ein Formelkompromiss in der heikelsten Frage gefunden: Washington erkannte grundsätzlich den Anspruch Pekings auf eine Wiedervereinigung Festland-Chinas mit Taiwan an, während die chinesische Seite sich mit dem vagen Versprechen eines allmählichen amerikanischen Militärabzugs von der Insel zufrieden gab.
Die Aufnahme formeller diplomatischer Beziehungen zwischen Washington und Peking verzögerte sich noch bis 1979. Doch schon zuvor hatte sich die Weltordnung durch die bilaterale Entspannung und die Aufnahme der Volksrepublik in die UNO grundlegend verändert. Richard Nixon betrachtete seine China-Reise zeitlebens als den größten Erfolg seiner Präsidentschaft. Ob sie den Weltfrieden sicherer gemacht hat, ist heute ungewisser denn je.