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Vor 90 Jahren
Erika und Klaus Mann eröffnen das Kabarett „Die Pfeffermühle“

Die Familie Mann stand auf der schwarzen Liste der Nationalsozialisten. Dennoch riefen Erika und Klaus Mann am 1. Januar 1933 in München ein politisches Kabarett ins Leben, die „Pfeffermühle“. Das Ensemble wollte die Gefahr von rechts anprangern.

Von Regina Kusch | 01.01.2023
Erika und Klaus Mann um 1930 Mann, Erika Schriftstellerin, Muenchen 9.11.1905 - Kilchberg (bei Zuerich) 27.8.1969. - Erika Mann mit ihrem Bruder Klaus Mann. - Foto, um 1930.
Erika und Klaus Mann um 1930 (picture-alliance / akg-images)
Als Stimme gegen Adolf Hitler, eröffnete in München am 1. Januar 1933 ein neues Kabarett.
Lied
„Recht guten Abend, das wünscht Ihnen allen die Pfeffermühle!
Sie hat der Ziele unendlich viele.
Ihnen gefallen, das möchte vor allem die Pfeffermühle,
die Pfeffermühle!“
Originalaufnahmen dieser Eröffnungsnummer gibt es keine mehr, aber so wie von Sophie Rois und Katharina Thalbach in Heinrich Breloers Film „Die Manns – ein Jahrhundertroman“ vorgetragen, muss es geklungen haben.
Die Schriftstellerin Erika Mann hatte ihr politisches Kabarett zusammen mit ihrem Bruder Klaus, dem befreundeten Musiker Magnus Henning und der Schauspielerin Therese Giehse ins Leben gerufen. Thomas Mann hatte sich den Namen „Pfeffermühle“ ausgedacht. In der „Bonbonniere“, einem kleinen Theater neben dem Hofbräuhaus, wollte das Ensemble unterhaltsam die Gefahr von rechts anprangern. „Gepfefferter Charme“ hieß das gut besuchte erste Programm, für das Erika Mann die Texte geschrieben hatte.
„Also wir waren indirekt, wir haben alles gemacht mit Märchen, Parabeln, Gleichnissen aller Art, wir haben nie einen Namen genannt. Wir waren indirekt völlig eindeutig für unser Publikum, aber immer so, dass wir nachweisen konnten, wir haben politisch direkt nichts gesagt“, so Erika Mann.
„Ich glaube, dass es wirklich zu meinen größten Erinnerungen gehört, wo ich das Gefühl habe, ich habe etwas getan, was nicht nur in die Luft geblasen war“, so erinnerte sich Therese Giehse später.
Sie begeisterte das Publikum in Paraderollen wie der „Dummheit“, die über die Vernunft triumphiert, oder als selbstgefällige Bürgerin Frau X, die sich, in einen weich gepolsterten Sessel versunken, der Verantwortung für die Zukunft Deutschlands verschließt:
Lied „Frau X“
„Wenn wir‘s nicht hindern, sind wir schnell verloren.
Der Vogel Strauß macht große Politik.
Den Kopf im Sand. Bis über beide Ohren.
Zwitschert er dumpf: Ich bin nicht für den Krieg.“
Der Erfolg der „Pfeffermühle“ währte knappe zwei Monate, bis zum Reichstagsbrand im Februar 1933. Danach verfolgten die Nazis die verhassten Geschwister Mann, die mit dem Ensemble in die Schweiz flohen. Dort führten sie in knapp zwei Jahren drei Programme auf.
Lied „Der Prinz von Lügenland“
„Bei mir daheim im Lügenland
Darf keiner mehr die Wahrheit reden, –
Ein buntes Netz von Lügenfäden
Hält unser großes Reich umspannt.
Bei uns ists hübsch, wir habens gut,
Wir dürfen unsre Feinde morden.
Verleihn uns selbst die höchsten Orden
Voll Lügenglanz und Lügenmut.“
Als das dritte Exilprogramm im Oktober 1934 Krawalle von Schweizer Nationalsozialisten auslöste, musste das Ensemble unter Polizeischutz gestellt werden und beschloss, auf Europa-Tournee zu gehen. 1935 wurde Erika Mann die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, und auch im Ausland gestalteten sich Auftritte zunehmend unmöglich. Das Kabarett-Ensemble ging ins Exil nach Amerika. Thomas Mann verfasste einen Essay, in dem er dem amerikanischen Publikum die „Pfeffermühle“ als „Schwanengesang der deutschen Republik“ empfahl:
„Die Übertragung in eine fremde Sprache muss wohl manche intime Wirkung schädigen, den farbigen Staub ein wenig von den Flügeln dieses Schmetterlings wischen, aber getrost. … Erika hat Haupt und Herz … Und ich meine, nach Haupt und Herz müsste sie etwas sein für euch Amerikaner“, so Thomas Mann.
Doch der erhoffte Erfolg der „Peppermill“ in New York blieb aus. Im August 1936 trennte sich das verschuldete Ensemble. Erst nach dem Krieg hörte Erika Mann immer wieder, wie wichtig ihr Kabarett für viele Oppositionelle in Deutschland gewesen war:
„Diese Menschen haben mir gesagt, weil wir jedes Jahr und immer wieder in Ihrer Pfeffermühle waren, und weil keine Zeitung und kein Bericht es uns so lebendig, klar und deutlich gemacht hat, was es bedeutet, unter dem Naziregime leben zu müssen, deshalb sind wir geflohen und deshalb befinden wir uns hier in Sicherheit. Sie können sich vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe.“