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Wo Kulturschaffende als Parasiten gelten

Satt wird man ohnehin nicht von Kultur, da kann man an ihr ruhig sparen. So sieht es der italienische Finanzminister und setzt den Rotstift an, etwa bei der Accademia die Santa Cecilia und bei der archäologischen Zone in Pompeji.

Von Thomas Migge |
    Das Orchester und der Chor der Accademia di Santa Cecilia in Rom spielen und singen unter freiem Himmel im Innenhof des römischen Auditorium. Kein heiteres Konzert zur Freude der Abonnenten, sondern eine Protestveranstaltung. Mit Musik von Giuseppe Verdi wird protestiert: gegen die neuen Kürzungen im Kulturbereich.
    Vor dem römischen Opernhaus trauern Orchestermusiker und Mitglieder des Chores vor einem Sarg, auf dem "Cultura musicale" geschrieben steht, Musikkultur.

    Protestiert wird auch in Mailand an der Scala, in Venedig, in Florenz und in anderen Städten, die über Opernhäuser oder Konzerthallen verfügen, die vom Staat mitfinanziert werden. Vom Staat, der bereits im letzten Jahr bei der als "Reform" bezeichneten Sparwelle die Ausgaben für die Musiktheater um bis zu 35 Prozent beschnitt. Nach zahllosen Protestmärschen, -konzerten und Streiks im letzten Herbst versprach Kulturminister Sandro Bondi, dass es mit einem Nachtragshaushalt für 2011 mehr Geld geben werde. Soviel, dass keines der Musiktheater Schulden machen muss.

    Dieses Zusatzgesetz, das auch andere Kulturbereiche betrifft, wurde jetzt verabschiedet. Doch die Musiktheater erhalten immer noch zu wenig Finanzmittel, um keine neuen Schulden machen zu müssen, klagt Roman Vlad, künstlerischer Direktor der römischen Staatsoper - auch sie weiß jetzt nicht mehr, wie sie dieses Jahr finanziell über die Runden kommen soll:

    "Die Oper ist eine sehr teure Form Theater zu machen. Ohne staatliche finanzielle Hilfe müssen wir dichtmachen. Außerdem ist es doch auch die Aufgabe des Staates in die Musikkultur zu investieren. Wir haben unsere Saison immer weiter zusammengestrichen. Mehr geht nicht. Mann kann Oper nicht mit den Einnahmen aus Eintrittskarten finanzieren."

    Genau das aber wollen einige Minister der Regierung. Zum Beispiel Renato Brunetta, Verwaltungsminister. Er bezeichnete Opernschaffende als Parasiten. Finanzminister Giulio Tremonti meinte sogar, dass man von Kultur nicht satt werde könne, weshalb man in diesem Bereich ruhig sparen könne.

    Bruno Caglio, Direktor der Accademia di Santa Cecilia, will, wenn nicht ein finanzielles Wunder geschieht, zu Beginn dieses Sommers seinen Konzertbetrieb einstellen. Erst kürzte man der Accademia im letzten Jahr vier Millionen von insgesamt 34 Millionen Euro. Jetzt noch einmal drei Millionen. Mit den verbleibenden Finanzmitteln, erklärt er, könne er keine musikalische Qualität wie in der Vergangenheit bieten. Dazu muss man wissen, dass Caglios Accademia eine der weltweit aktivsten Konzerthäuser ist.

    Das magere Nachtragshaushalt enttäuscht auch Italiens Archäologen. Nachdem im vergangenen November in Pompeji das so genannte "Haus der Gladiatoren" einstürzte, wegen nicht durchgeführter statischer Arbeiten, versprach der Kulturminister 900.000 Euro. Auch diese Summe wurde jetzt vom Finanzminister kurzerhand gestrichen. Giovanni Guzzo, ehemaliger Direktor der archäologischen Zone in Pompeji ist außer sich:

    "Die Unterlagen liegen doch vor. Man weiß genau, was getan werden muss, um diese einmaligen Ruinen zu erhalten, doch diese Regierung will dafür kein Geld bereitstellen. Es ist unbegreiflich warum das Kulturministerium nicht daran interessiert ist, diese antike Stadt zu erhalten."

    In der Nachbarstadt von Pompeji, in Neapel, wird auch gespart, Allerdings ist hier nicht das Kulturministerium der Buhmann. Die seit einigen Monaten rechte Regionalregierung hatte sämtliche Finanzmittel für das "NapoliTeatroFestival" gestrichen. Eine Veranstaltungsreihe, die neueste Theatertendenzen aus Italien und Europa vorstellt - in ihrer Bedeutung ohne Weiteres mit dem Festival in Avignon zu vergleichen. Ohne die regionalen Gelder wird das Festival im Juni nicht stattfinden. Der Grund für diese Kürzung? Man will keine Kulturinitiative finanzieren, die die verhassten linken Vorgänger ins Leben riefen. Dass dank dieses Festivals das gar nicht gute Image Neapels verbessert wird, scheint die Regionalpolitiker nicht zu interessieren.