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Herrmann (CSU) zum Asylstreit
"Ich hoffe, dass die Kanzlerin erfolgreich ist"

Im Unions-Streit um die Asylpolitik hat sich der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hinter Horst Seehofer gestellt - und bestätigt, dass es nach Ablauf der vereinbarten Frist zur Zurückweisung von EU-registrierten Asylsuchenden an der Grenze kommen könnte. Auf diesem Weg werde geltendes deutsches und europäisches Recht vollzogen.

Joachim Herrmann im Gespräch mit Silvia Engels | 20.06.2018
    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, CSU, spricht vor einem Landeswappen
    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, CSU (dpa/Peter Kneffel)
    Silvia Engels: Gestern traf sich ja Bundeskanzlerin Merkel mit dem französischen Präsidenten Macron. Der Termin für den deutsch-französischen Ministerrat war lange angesetzt und sollte sich eigentlich um die Finanzpolitik drehen. Doch nach dem Unions-Streit rückte auch der Umgang mit Asylbewerbern auf die Agenda. Nach Aussage Macrons kann die Kanzlerin bei ihrem Ziel, Flüchtlinge per bilateralem Abkommen zurückzuführen, auf Frankreich zählen. Wir haben es gerade gehört.
    Über den Stand in der Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU ist uns nun Joachim Herrmann zugeschaltet. Er ist Innenminister von Bayern und gehört der CSU an. Guten Morgen, Herr Herrmann!
    Joachim Herrmann: Hallo! Guten Morgen und grüß Gott.
    Engels: Grüß Gott! Wir haben es gerade gehört: Präsident Macron hat ja zugesichert, man werde einem bilateralen Abkommen zur Flüchtlingsrücknahme positiv gegenüberstehen. Ist das das, was Theo Geers vermutete, das, was die CSU so verärgert, dass sie jetzt auf anderer Ebene Zustimmung verlangt?
    Herrmann: Dass Macron in Aussicht gestellt hat, dass Frankreich bereit ist, Flüchtlinge entsprechend zurückzunehmen, wie das ja auch dem geltenden europäischen Recht entspricht, wenn jemand in einem anderen Land schon registriert worden ist, das ist richtig. Man muss allerdings auch klar dazu sagen: Das muss man verstehen vor dem Hintergrund, dass nach den aktuell vorliegenden Berichten ja Frankreich allein im vergangenen Jahr an der italienischen Grenze schon rund 70.000 Flüchtlinge zurückgewiesen hat.
    Wenn man also die Situation von Frankreich und Deutschland vergleicht, dann muss man sehen: In der Tat sind in Frankreich gar nicht so viele Flüchtlinge angekommen, weil Frankreich genau das, worüber wir reden, schon praktiziert, nämlich an der italienisch-französischen Grenze eine große Zahl von Flüchtlingen unmittelbar, weil sie in Italien bereits aufgenommen worden sind, nicht nach Frankreich einreisen lässt.
    Genau darum geht es und deshalb: Wenn wir dazu kämen, dass Deutschland sich genauso konsequent verhält, wie Frankreich das offensichtlich schon im vergangenen Jahr getan hat, dann wären wir schon einen ganzen Schritt weiter.
    "Die Inaussichtstellung durch Macron alleine reicht noch nicht"
    Engels: Das heißt, sie haben die Erwartungen, mit Frankreich mag es gehen. Mit Italien und mit Griechenland wird es dagegen sehr viel schwieriger, ergänzt vielleicht auch darum, dass uns die frühere stellvertretende bulgarische Außenministerin vor einer halben Stunde gesagt hat, auch mit Bulgarien wäre ein solches bilaterales Flüchtlingsabkommen wahrscheinlich nicht einfach zu treffen. Das heißt, Sie sehen für dieses Projekt bei anderen Ländern weniger Chancen?
    Herrmann: Insgesamt bin ich hoffnungsvoll. Ich hoffe, dass es der Kanzlerin gelingt, Vereinbarungen zu erreichen. Bei Italien geht es auch darum, dass die italienische Regierung sich ja insgesamt zum Ziel gesetzt hat, möglichst diese Schleuserbanden, die die Menschen von Afrika über das Mittelmeer zum Teil in halsbrecherischen Aktionen nach Europa bringen, insbesondere nach Sizilien und Süditalien, dass man gerade denen das Handwerk legt.
    Wir müssen eine aktive Politik betreiben, damit die Leute in Afrika bleiben. Wir müssen dort die Lage stabilisieren. Das ist ja auch ein wesentliches Element in Horst Seehofers Konzept. Daran muss überall gearbeitet werden. Ich hoffe, dass die Kanzlerin erfolgreich ist, aber das Zugeständnis, die Inaussichtstellung durch Macron alleine reicht noch nicht. Es ist aber auf jeden Fall erfreulich, dass Macron sich, wie das dem europäischen Recht entspricht, bereit erklärt hat, auch in Zukunft Flüchtlinge, die schon in Frankreich angekommen waren, auch weiter zurückzunehmen.
    Angela Merkel, Joachim Herrmann und Horst Seehofer singen die Nationalhymne. 
    Angespanntes Verhältnis - Angela Merkel, Joachim Herrmann (l.) und Horst Seehofer (r.). (imago)
    Engels: Die Kanzlerin sagt ja, wenn sie in zwei Wochen keine belastbaren Abkommen über Flüchtlingsrückführungen hat, gäbe es keinen Automatismus der Zurückweisung von EU-registrierten Asylsuchenden an der Grenze. Der bayerische Ministerpräsident Söder sagt: "Doch, den Automatismus gäbe es dann." Was sagen Sie?
    Herrmann: Nun, Bundesinnenminister Horst Seehofer hat klar erklärt, dass er nun die Möglichkeit entsprechender Abkommen mit anderen Ländern abwarten will, dass aber in der Tat die Vorbereitungen dafür getroffen werden, dass die Bundespolizei ab der ersten Juliwoche entsprechend solche Zurückweisungen vornehmen kann, und dass dieses auch beabsichtigt ist, dieses zu machen. Denn es ist auch einfach notwendig. Wir können hier diesem großen Flüchtlingstourismus quer durch Europa nicht länger zusehen. Er entspricht auch nicht geltendem europäischen Recht.
    Das EU-Recht sieht ausdrücklich nicht vor, dass man sich raussuchen kann, in welchem europäischen Land man jetzt gerne beliebig weitere Asylanträge stellt, sondern es sieht klar vor: In dem Land, wo man zuerst ankommt in Europa, dort ist das Verfahren durchzuführen, dort hat man den Antrag zu stellen und dort wird entschieden, ob jemand in Europa bleiben darf oder nicht. Das ist geltendes europäisches Recht und das wollen wir konsequent durchsetzen, und da brauchen wir natürlich eine vernünftige Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern. Hier muss aber Deutschland auch einfach klare Ansagen machen.
    So war das übrigens letztendlich vor 25 Jahren auch, als der Deutsche Bundestag und der Bundesrat das Grundgesetz geändert haben und entschieden haben, dass an der Grenze zurückgewiesen werden kann. Daraufhin haben damals die entsprechenden europäischen Nachbarländer auch ihre Entscheidungen getroffen und haben schon im Vorfeld entsprechend den Flüchtlingszustrom massiv reduziert, so dass es dann letztendlich an den unmittelbaren deutschen Grenzen keine Probleme mehr gab.
    Deshalb werden wir heute auch mit der österreichischen Regierung sicherlich klar darüber reden, wie in Zukunft die Handhabung in Deutschland sein wird, auch in der Hoffnung, dass Österreich dann natürlich auch gleichzeitig zu seinen Entscheidungen an den Südgrenzen Österreichs kommt.
    "Es geht um geltendes Recht"
    Engels: … kommen wir gleich hin. Aber den Punkt noch nachvollzogen: Sie sehen durchaus diesen Automatismus und den damit vollzogenen Verstoß gegen die Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin, die das ja nicht will, diesen Druck aufzubauen. Den nimmt die CSU dann in Kauf - bis hin zum Bruch der Koalition?
    Herrmann: Es geht um geltendes Recht und wenn der Bundesinnenminister ankündigt, dass er beabsichtigt, ab der ersten Juliwoche im Rahmen seiner Ressortzuständigkeit das geltende deutsche und europäische Recht zu vollziehen, dann kann ich mir im Moment nicht recht vorstellen, dass ernsthaft jemand ihn daran hindern will, geltendes deutsches Recht und europäisches Recht zu vollziehen.
    Ich glaube, das ist die vornehmste Aufgabe eines Innenministers. Jedenfalls sehe ich in Bayern meine Aufgabe auch so. Gerade der Innenminister muss sich doch sicherlich darum kümmern, dass geltendes Recht richtig angewandt wird.
    Ich denke, wir sollten jetzt wirklich schnell konkrete Lösungen finden. Aber klar ist auch, dass wir die Situation nicht so dahintreiben lassen dürfen, und deshalb ist es wichtig - und das hat der CSU-Parteivorstand ja am Montag deutlich gemacht -, dass wir hier voll hinter der Linie von Horst Seehofer stehen.
    Engels: Herr Herrmann, noch kurz zum Treffen heute mit dem österreichischen Kabinett, das Sie schon angedeutet haben. Gestern wurde ja bekannt, dass Horst Seehofer die Bundespolizei bereits angewiesen hat, abgelehnte Asylbewerber, die ein Einreiseverbot haben, an den Grenzen zurückzuweisen. Ist das auch ein Thema für Österreich und Bayern, weil es praktische Auswirkungen hat?
    Herrmann: Wir werden natürlich heute mit der österreichischen Regierung über die ganze Situation an der Grenze sprechen. Bekanntermaßen ist es ja das erklärte Ziel auch der neuen österreichischen Regierung, insgesamt das Unwesen der Schleuser quer durch Europa entsprechend einzudämmen und in der Tat zu einer klaren Begrenzung der Flüchtlingszahlen zu kommen.
    Hier werden wir sehen, was wir gemeinsam hier anpacken können. Wir wollen jedenfalls mit der österreichischen Regierung sehr eng zusammenarbeiten und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir heute da auch gemeinsame Ergebnisse und eine gemeinsame politische Linie zwischen Österreich und Bayern darstellen können.
    Engels: Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister von der CSU. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Herrmann: Ich danke Ihnen auch. Einen schönen Tag!
    Engels: Ebenso. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.