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Vor 550 Jahren gestorben
Leon Battista Alberti - der Universal-Humanist

Tagsüber schrieb er Abhandlungen über Mathematik, Literatur und Kunst, nachts Satiren und zwischendurch trieb er Sport: Leon Battista Alberti war der Inbegriff eines Universalgenies der Renaissance. Am 25. April 1472 starb er in Rom.

Von Christoph Schmitz-Scholemann |
Die Klosterkirche Santa Maria Novella in Florenz: ist ein einzigartiges Beispiel gotischer Baukunst in Italien. Die schwarz-weisse Marmorfassade der Basilika wurde Mitte des 15 Jahrhunderts von Leon Battista Alberti geschaffen.
Klosterkirche Santa Maria Novella in Florenz - die für Leon Battista Albertis Baukunst charakteristische Balance zwischen Anmut und geometrischer Strenge (picture alliance / Johanna Hoelzl)
Besonders sympathisch scheint der Renaissance-Architekt Leon Battista Alberti nicht gewesen zu sein. Stolz war er und immer darauf aus, sich und seine Fähigkeiten anzupreisen:
„Oft habe ich den ganzen Tag nichts gegessen, nur um auf den Augenblick zu warten, wo ich mich einflussreichen Menschen zeigen konnte. Immer war ich bestrebt, mich durch etwas Neues bei ihnen beliebt zu machen.“

Ein krankhaft fleißiger Schüler

Dass wir den 1404 in Genua geborenen Alberti trotz seiner charakterlichen Mängel auch heute noch kennen und verehren, liegt daran, dass er, im Unterschied zu den meisten Blendern, tatsächlich allerhand auf dem Kasten hatte. Begonnen hatte seine Laufbahn mit einer qualvollen Zeit als nahezu krankhaft fleißiger Schüler.
„Manchmal kam es mir so vor, als würden sich die Buchstaben vor meinen Augen in Skorpione verwandeln und miteinander verhakeln … In meinen Ohren war ein einziges Prasseln und Pfeifen.“
Für den ungewöhnlichen Fleiß des jungen Mannes gab es einen tieferen Grund: Alberti war der unehelich geborene Spross einer begüterten Kaufmannsfamilie. Als er 17 Jahre alt war, starb sein Vater. Danach schloss die Familie Alberti, den illegitimen Sohn, von allen finanziellen und gesellschaftlichen Privilegien aus. Alberti beschloss, sich seinen Ruhm auf eigene Faust zu erwerben und begann bald, Bücher zu schreiben. Eines, über das er lange nachdachte, hieß „Della famiglia – Über die Familie“. Ein Ratgeberbuch für Familien, in dem die Väter eine für damalige Verhältnisse überraschend emotionale Rolle spielen.
„Ich glaube nicht, dass irgendeine Liebe stärker, beständiger, ungeteilter und größer sein kann als die des Vaters zu seinen Kindern.“

Albertis Forderung nach einem ganzheitlichen Bauen

Mit Mitte 40 entdeckte Alberti die Architektur für sich. Das passte gut in eine Zeit, in der viel und anspruchsvoll gebaut wurde. Für sein Buch „Über die Baukunst“ griff Alberti auf den antiken römischen Architekten Vitruv zurück und behandelte alle architektonischen Fragen von der Materialkunde über die Statik bis zu dem auch heute wichtigen Problem, wie man das Innere des Hauses vor schädlichem Wasser schützt. Vom Architekten verlangt Alberti allerdings mehr als nur Ingenieursverstand: Gebäude und öffentlicher Raum sollen die Menschen ansprechen wie eine wohlkomponierte Rede oder ein Musikstück den Zuhörer für sich gewinnt, nämlich durch ein gutes Verhältnis der Teile zum Ganzen:
„Schönheit ist ein Konsens der zugehörigen Teile in Bezug auf eine bestimmte Anzahl, Beziehung und Anordnung, so wie es die Harmonie, das vollkommene und ursprüngliche Naturgesetz, verlangt.“

 Wer je vor der grün-weißen Marmor-Fassade von Santa Maria Novella in Florenz stand, dem wird sich die für Albertis Baukunst so charakteristische Balance zwischen Anmut und geometrischer Strenge eingeprägt haben. Aber Alberti war nicht nur Baumeister. Nebenbei stand er als promovierter Kirchenjurist in den Diensten der päpstlichen Kurie, schrieb Bücher über Pferdezucht und Landwirtschaft, eine Grammatik der toskanischen Sprache, ein populäres Buch mit mathematischen Rätseln, Anleitungen zur Textverschlüsselung und Stadtvermessung, und sogar herzerweichende Liebesgedichte brachte der Gelehrte zu Papier.
„Weine mit mir,
ach, weine,
du traurige Leier,
singe und weine,
ach, sei so gut,
hilf meiner Herzenswut.“

Traktat über "Das Lob der Fliege" und Reue "über das ewige Lesen"

Als Leon Battista Alberti am 25. April 1472 in Rom starb, war er ein berühmter Mann. Bis heute entdeckt die Wissenschaft immer neue Facetten in seinem literarischen Schaffen. Besonders die kleinen philosophischen Satiren, die er in seinen Mußestunden mit leichter Hand niederschrieb, haben es in sich. Zum Beispiel das Lob der Fliege, die Trauerrede auf seinen Hund oder die Klage eines verstorbenen Gelehrten, der nach seinem Tod sehen muss, wie seine ehemaligen Freunde über ihn lästern und seine Bibliothek verwüsten, woraufhin der Verstorbene sich mit Selbstvorwürfen quält:
"Ach! Über das ewige Lesen habe ich mein häusliches Glück, das Gespräch mit meinen Freunden und alle Freuden des Lebens versäumt."