Auf einmal ging´s dann doch. Nach sechs Streiks, einem erfolglosen Moderatoren-Einsatz und einigen nutzlosen Interventionen vor Gericht haben Lokführer-Gewerkschaft GDL und Bahn nun doch zueinandergefunden und ein so unspektakuläres Verhandlungspaket geschnürt, dass man sich fragt: Warum die ganze Wallung? Das Getöse? Die Zumutungen für Bahn-Reisende und Kunden des Güterverkehrs?
Lohnerhöhung im Rahmen aller anderen Lohnrunden
Was nun vorliegt: eine Lohnerhöhung, durchaus üppig, aber völlig im Rahmen aller anderen, inflationsgeprägten Lohnrunden dieser Tage. Eine Inflationsprämie, die nicht einmal in der vollen Höhe auf die Löhne aufgeschlagen wird. Und der nunmehr vereinbarte Weg zur 35-Stunden-Woche? Jener neuralgische Konfliktpunkt, der der Lokführergewerkschaft so besonders wichtig war und den die Bahn als so völlig untragbar etikettiert hatte?
Bei der Verständigung auf eine 35-Stunden-Woche haben sich die Kontrahenten auf ein Modell geeinigt, das so naheliegend ist, dass man eigentlich nur drüber stolpern kann. Es wird eine Verkürzung der Arbeitszeiten geben, aber mit der Option, dass derjenige, der länger arbeiten will, das auch tun kann.
Arbeitszeitmodell der Konkurrenz-Gewerkschaft EVG
Auffällig am Modell von Bahn und GDL ist zwar, dass die Mehrarbeit enorm gut entlohnt wird. Aber erfunden hat dieses Modell des Tausches von Zeit gegen Geld ausgerechnet die ungeliebte Konkurrenz-Gewerkschaft bei der Bahn, die EVG, und das schon vor acht Jahren. Seitdem ist man in der Metall- und Elektroindustrie diesen Weg gegangen, in der Chemie, bei der Post, im Nahverkehr... Es ist das tarifpolitische Modell, das sich geradezu aufdrängt. So dass am Ende dieses heftigen Tarifkonflikts zwischen GDL und Bahn die Frage steht: Was war das jetzt? Viel Lärm um nichts?
Schön wär´s. In Wahrheit haben Lokführer und Bahn viel Porzellan zerschlagen. Sie haben mehr Zweifel an der Tragfähigkeit der Tarifpartnerschaft gesät, als dieses auf Akzeptanz, Konsensfähigkeit und Bereitwilligkeit aller Beteiligten gründende System eigentlich verträgt. Sie haben Forderungen nach einer Einhegung, wenn nicht Begrenzung der Streikfähigkeit der Gewerkschaften mehr Auftrieb gegeben, als das Arbeitnehmervertretern Recht sein kann. Angesichts dieser Schäden ist es schon fast ausgleichende Gerechtigkeit, dass diesen rüden Tarifkontrahenten im Binnenraum des Bahn-Konzerns wohl kein Friede beschert sein wird.
Die Lokführer-Gewerkschaft ist kein Stück größer geworden
Denn die Bahn will den neuen Tarifvertrag nur in den 18 von 300 Betrieben anwenden, in denen die GDL die Mehrheit der Beschäftigten vertritt. Um jede Ausweitung wird wohl vor Gericht gestritten werden. Die Lokführer-Gewerkschaft ist in dieser Tarifrunde also kein Stück größer geworden, als sie es vorher war.
Die Bahnreisenden muss das aber nicht kümmern. Bis Ende Februar 2026 herrscht Friedenspflicht zwischen Bahn und Lokführen. Und erst Ende März des kommenden Jahres endet die Friedenspflicht mit der anderen Bahn-Gewerkschaft, der EVG. Erst einmal herrscht also Friede über den Gleisen – wenn man vom normalen Bahn-Chaos aus Verspätungen, Ausfällen, Umbuchungen mal absieht.