Sonntag, 28. April 2024

GDL-Streik
Wie der Bahnstreik die deutsche Wirtschaft belastet

Der Bahnstreik macht zahlreichen Unternehmen zu schaffen. Der Schaden für die deutsche Wirtschaft liege bei fast einer Milliarde Euro, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln errechnet. Welche Branchen sind besonders betroffen?

26.01.2024
    Eine Signalanlage der Bahn steht auf rot.
    Fast alles auf den Schienen steht still: Die Lokführer der GDL setzen die Deutsche Bahn mit immer massiveren Streikwellen unter Druck. (picture-alliance / dpa / Oliver Berg)
    Insgesamt sechs Tage bestreikt die Lokführergewerkschaft GDL die Deutsche Bahn - so lange wie noch nie. Der Arbeitskampf soll bis kommenden Montag, den 29. Januar, um 18 Uhr dauern.
    Der Bahnstreik trifft auch die deutsche und europäische Wirtschaft. Manche Branchen profitieren aber auch vom Arbeitskampf.

    Inhalt

    Wie hoch beziffern Ökonomen die finanziellen Schäden durch den Bahnstreik?

    Ein Tag bundesweiter Warnstreik kostet, alle Effekte zusammengenommen, schätzungsweise etwa 100 Millionen Euro. Das hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln ausgerechnet. Bei mehreren Streiktagen hintereinander überlagern und verstärken sich die negativen Effekte für die Wirtschaft sogar noch, sodass der ökonomische Schaden sich teilweise multipliziert. Bei dem sechstägigen Streik nehmen die Wirtschaftswissenschaftler des IW deswegen an, dass der Schaden für die deutsche Wirtschaft bei fast einer Milliarde Euro liegen könnte.
    Die Gefahr liegt darin, dass in einer arbeitsteilig hochorganisierten Industrie die Lieferketten gestört werden oder abbrechen. „Wir haben uns nach der Coronapandemie und den Lieferkettenproblemen angewöhnt, wieder ein bisschen mehr Lager vorzuhalten. Aber das reicht bei vielen Unternehmen bei Weitem nicht, um so einen Verkehrsstreik zu kompensieren“, sagt Chris-Oliver Schickentanz von der Capitell AG. „Es kann bei den einen oder anderen Unternehmen durchaus zu Problemen in der Produktion kommen.“
    Durch einen Streiktag dürfte daher die Wertschöpfung im Transportsektor nach Schätzungen etwa um 30 Millionen Euro sinken. Das entspricht etwa 0,3 Prozent des täglichen Bruttoinlandproduktes.
    Die aktuelle Lage in Bezug auf die Lieferketten ist so oder so schon angespannt, weil sich die Probleme im Containerverkehr auch in der deutschen Wirtschaft immer mehr niederschlagen. Die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer haben viele Reedereien zu einem Umlenken des Containerverkehrs auf die viel längere Strecke um das Kap der Guten Hoffnung veranlasst. Die Folge: Die Container kommen nicht zeitgerecht an.

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    Der Güterverkehr ist eine wichtige Transportader für die deutsche Wirtschaft. Jeder fünfte Transport wurde nach letzten Daten der Bundesnetzagentur über die Schiene abgewickelt. Allerdings hat DB Cargo – also das Gütertransportunternehmen der Deutschen Bahn – nur einen Marktanteil von rund 40 Prozent. „60 Prozent des Schienengüterverkehrs rollen wie üblich und kommen wegen eines entleerten Netzes sogar häufig besser ans Ziel“, sagt der Geschäftsführer des Verbands „Die Güterbahnen“, Peter Westenberger.

    Welche Wirtschaftsbranchen sind besonders vom Bahnstreik betroffen?

    Zuallererst leiden die Industriezweige, die große Volumina transportieren müssen - das geht oft nicht per Lkw. Beispielsweise, wenn viel Kohle als Energieträger benötigt wird: bei deutschen Großkraftwerken und den Hochöfen der Stahlproduzenten.
    Ebenfalls betroffen: der Maschinenbau und die Autoindustrie. Denn die Autobauer lassen normalerweise Neuwagen zum Export über die Schiene zu den Seehäfen transportieren. Auch für die Chemieindustrie ist der Streik eine große Herausforderung, wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) mitteilte.
    Doch nicht nur die deutsche Wirtschaft bekommt die Folgen des Streiks zu spüren. Auch Unternehmen in den europäischen Nachbarländern sind betroffen. Denn die wichtigen europäischen Güterverkehrskorridore laufen mehrheitlich durch Deutschland.

    Welche Branchen profitieren vom Bahnstreik der GDL?

    Wenn die Züge nicht fahren, steigen die Passagiere auf Flugzeug, Auto oder Bus um. Entsprechend profitieren Airlines, Autovermieter und Busunternehmen vom Bahnstreik. "Eurowings verzeichnet in diesen Tagen die höchsten Buchungseingänge seit mehr als vier Jahren", sagte ein Sprecher der Lufthansa-Tochter der Nachrichtenagentur Reuters. Auch das Transportunternehmen FlixBus und der Autovermieter Sixt berichten von einer erhöhten Nachfrage.  

    Wie reagiert die Politik auf den Bahnstreik der GDL?

    Vor allem Politiker von FDP und CDU kritisieren den Streik der Lokführergewerkschaft GDL scharf. „Es ist inakzeptabel, weil man nicht miteinander spricht und stattdessen immer wieder die gleichen Forderungen wiederholt. Ich erwarte von der Gewerkschaft, dass sie Verantwortung übernimmt und an den Verhandlungstisch kommt“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).
    Ähnlich sieht es die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Gitta Connemann. „Hier sind tatsächlich Maß und Mitte verloren gegangen“, sagte die CDU-Politikerin mit Blick auf den sechstägigen Streik. „Wir haben es hier nicht einfach mit einer Auseinandersetzung zu tun, wo eine Belegschaft vor einem Betriebstor steht, sondern es geht darum, dass das tatsächlich eine Kampfansage gegen ein ganzes Land ist, übrigens auch in Europa, denn sechs der zehn europäischen Frachtkorridore verlaufen durch Deutschland. Das heißt, auch andere Länder werden in Mitleidenschaft gezogen.“
    Connemann fordert als Konsequenz gesetzliche Regelungen bei Unternehmen, die kritische Infrastruktur zur Verfügung stellen. Beispielsweise bei Energieversorgern, Rettungsdiensten, der Bahn oder Flughäfen. „Eine solche Regel wäre, dass vor einem Streik ein Schlichtungsverfahren abgeschlossen werden muss, dass ein Streikvorlauf sichergestellt werden muss, dass es einen Notdienst gibt – und auch, dass es keine Streiks im Umfeld von Feiertagen gibt. Wir brauchen in Deutschland ein gesetzliches Arbeitskampfrecht.“
    Einseitige Parteinahmen seien beim Bahnstreik unangebracht, kritisiert Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Beide Tarifparteien seien verantwortlich für die Lage. Beschneidungen des Streikrechts lehnt sie ab, die Koalition könne aber vermitteln.

    lkn