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Deutscher Frauen-Basketball
"Viel gesprochen, wenig umgesetzt"

Die Basketball-WM der Frauen findet 2026 in Deutschland statt. Für den Frauen-Basketball sei hierzulande in den vergangenen Jahren zu wenig getan worden, ist sich die Runde im Dlf-Sportgespräch einig. Neben den Vereinen sei auch der DBB in der Pflicht.

Lena Gohlisch, Ireti Amojo und Dirk Steidl im Gespräch mit Thomas Wheeler | 07.05.2023
Lena Gohlisch, Kapitänin von Alba Berlin beim Wurf.
Die Frauen von Alba Berlin, hier Kapitänin Lena Gohlisch beim Wurf, haben die Bundesliga-Saison als Aufsteiger auf Rang vier beendet. (IMAGO / camera4+ / IMAGO / Tilo Wiedensohler)
Seit rund 100 Jahren wird in Deutschland Basketball gespielt. Auch der Frauen-Basketball hat hierzulande eine lange Tradition. 1947 holte die TS Jahn München von 1887 den ersten deutschen Meistertitel. Aber: Eine Bundesliga gibt es erst seit 2001. Ex-Nationalspielerin Linda Fröhlich sagte deshalb im Deutschlandfunk, der Frauen-Basketball in Deutschland stecke noch in den Kinderschuhen. Der Sport müssen von den Verantwortlichen mehr gepusht werden. Aber auch der Frauen-Basketball selbst müsse selbstbewusster und lauter auftreten, meinte Fröhlich.
"Für mich war es als Jugendspielerin schwierig, selbstbewusster zu sein und selbstbewusste Ziele zu formulieren, weil man international total hinterhergehinkt hat", sagte Lena Gohlisch, Kapitänin von Bundesliga-Aufsteiger Alba Berlin im Deutschlandfunk-Sportgespräch.
In Sachen medialer Darstellung des Frauen-Basketballs sei in den vergangenen Jahren "viel zu wenig gemacht worden", so Ireti Amojo, strategische Koordinatorin für den Mädchen- und Frauenbereich bei Alba Berlin. Gerade Aushängeschilder wie WNBA-Spielerin Satou Sabally oder Leonie Fiebich, MVP in Spanien, "sehen wir in Deutschland nicht im regulären Spielbetrieb. Und da ist natürlich auch der Deutsche Basketball-Bund in der Verantwortung, diese Spielerinnen eng zu betreuen, sich um sie zu kümmern und natürlich auch zu pushen. Das ist in den letzten Jahren versäumt worden", sagte Amojo.
Ireti Amojo betritt 21 Länderspiele für den DBB. Heute koordiniert sie den Mädchen- und Frauenbereich bei Alba Berlin.
Ireti Amojo betritt 21 Länderspiele für den DBB. Heute koordiniert sie den Mädchen- und Frauenbereich bei Alba Berlin. (imago / Camera 4 / imago sportfotodienst)
"Wenn man etwas pushen will, muss man investieren", sagte Dirk Steidl, Geschäftsführer des FC Nöttingen, bei dem die Basketball-Abteilung des deutschen Meisters Rutronik Stars Keltern angedockt ist. "So wie es im Moment strukturiert ist, wird es schwierig, zu pushen. Da braucht man Experten, man braucht Leader, die das Projekt vorantreiben. Da gilt es anzusetzen und da ist für mich in erster Linie der Deutsche Basketball-Bund gefordert."

Steidl: "Es hat sich überhaupt nichts verändert"

Tatsächlich gibt es seit 2020 es eine Kooperation zwischen der Frauen-Bundesliga DBBL und dem DBB und ein Programm mit dem Titel "Agenda 2030 - Damen-Basketball in Deutschland", das den Frauen-Basketball nach vorne bringen soll. Gohlisch sagte jedoch: "Jetzt müssen wir ganz ehrlich sagen, dass wir davon noch nicht so viel gemerkt haben."
Steidl geht noch einen Schritt weiter: "Es hat sich überhaupt nichts verändert", sagte er. "Man will den Damen mehr Aufmerksamkeit schenken, aber es passiert nicht viel. Zum Beispiel wäre es schön gewesen, wenn auch nur ein Vertreter des DBB Keltern zur deutschen Meisterschaft gratuliert hätte. Dann ist es schon ein bisschen bedenklich für mich, ob diese Dinge dann nur auf dem Papier stehen, oder auch gelebt werden."

Amojo: "Hoffe, dass wir mehr ans Umsetzen kommen"

Das sei auch eine Frage der Wertschätzung, sagte Amojo. "Es wurde bisher viel gesprochen, viel diskutiert und noch wenig umgesetzt. Und ich hoffe einfach, dass wir dann in den nächsten Jahren mehr ans Umsetzen kommen. Aber es gibt viele tolle Ideen." Dabei müsse an allen Fronten angesetzt werden, sagte Amojo. "Beim DBB gibt es viele Baustellen und bei uns in den Vereinen, im Nachwuchsbereich und im Spielbetrieb auch. Und da ist jetzt einfach die Frage: Wer übernimmt Verantwortung, wer treibt diese Themen weiter voran? Und wer sind dann die Vereine, die auch wirklich mitziehen und dieses Projekt weiter mit angehen?"
Steidl habe versucht, beim FC Nöttingen das Projekt Frauen-Basketball voranzutreiben, sei aber "schon nach wenigen Wochen an meine Grenzen gestoßen. Es ist ein ganz schwerer Prozess und auch ein Kampf gegen Windmühlen, weil es sehr schwer ist, hier etwas nachhaltig zu bewegen."
Das liege auch daran, dass die Vereine in Deutschland nicht gefördert würden. Das sei im Ausland anders, sagte Steidl. "In Frankreich beginnen die Vereine mit 600.000 Euro am ersten Tag des Jahres, weil das Land Frankreich, die Region und die Kommunen ungefähr 600.000 bis 700.000 Euro jedem Verein zur Verfügung stellen. Von diesem Geld werden dann Trainer bezahlt, die Jugendarbeit machen und es werden Jugend-Internate gefördert. Das ist in Frankreich so, das ist in Spanien so, das ist in Ungarn so. Bei uns gibt es keinen Euro." Deshalb fehle das Geld für qualifizierte Trainer. "Und daran scheitern viele Vereine."
Die Damen-Basketball-Bundesliga mache aktuell aber einen guten Schritt, sagte Steidl: "Die Liga hat begonnen, Gespräche mit allen Bundesligisten zu führen und blickt jetzt erstmals seit Jahrzehnten auf jeden Verein einzeln. Dass man untersucht, was kann der einzelne Verein, was kann Keltern beitragen, um stärker zu werden? Wie kann man jeden Standort individuell weiterentwickeln?"

Europameisterschaft als Chance

Eine große Chance sei nun auch die Europameisterschaft, die im Juni in Israel und Slowenien ausgetragen wird. Erstmals seit 2011 ist auch ein deutsches Team dabei. Für die Spielerinnen werde das ein toller Moment werden, sagte Amojo. "Für den DBB wird es natürlich auch total spannend sein, zu gucken wie das funktioniert, wie auch die Aufmerksamkeitsgenerierung für dieses Event stattfindet, wie die Öffentlichkeitsarbeit stattfindet. Gerade das ist noch ein Punkt, wo wir viel Aufholbedarf haben, weil wir lange nicht in solch einer Situation waren, so ein Event zu promoten."
Lena Gohlisch spielt seit vier Jahren für Alba Berlin und ist promovierte Ärztin.
Lena Gohlisch spielt seit vier Jahren für Alba Berlin und ist promovierte Ärztin. (IMAGO / Nordphoto / IMAGO / nordphoto GmbH / Engler)
Das wird sich 2026 ändern, denn dann findet die Weltmeisterschaft der Frauen in Berlin statt. "Wir hoffen, dass vor allem die Aufmerksamkeit für den Frauen-Basketball in Deutschland dadurch gesteigert werden kann", so Amojo. "Das heißt aber, dass wir dann im Nachgang hoffentlich ganz viele begeisterte Mädchen überall in Deutschland haben werden, die Basketball spielen wollen. Was gegeben sein muss ist, dass wir die aufnehmen können, dass wir denen einen Platz bieten können. Darauf müssen wir vorbereitet sein."

WM als "einmalige Chance für den Damen-Basketball"

"Aus Sicht der Spielerinnen ist es ein wichtiges Signal vom Deutschen Basketball-Bund, dass solch ein Turnier in Deutschland ausgetragen wird und dass sich überhaupt mal mit dem Frauen-Basketball auseinandergesetzt wird", ergänzt Gohlisch. "Erst in den letzten Jahren hat man als Spielerin mehr das Gefühl, dass überhaupt ein Interesse vom Verband da ist, auch den Frauen-Basketball zu verbessern." Die WM könne da nun noch einmal einen Push geben.
Für Steidl ist die WM in Deutschland "eine einmalige Chance für den Damen-Basketball. Ich denke, dass der DBB darauf großen Wert legen wird, dass man nun schon zwei, drei Jahre zuvor beginnt, um die Faszination Mädchen- und Damen-Basketball mit verschiedenen Aktionen zu unterstützen. Und dann kann man das als Startschuss nehmen, um dieses Projekt in der Zukunft erfolgreich zu platzieren."