Mittwoch, 01. Mai 2024

Prozess wegen Volksverhetzung
AfD-Chef Höcke vor Gericht: Das könnten die Konsequenzen sein

Thüringens AfD-Chef Björn Höcke muss sich wegen Volksverhetzung erstmals persönlich vor Gericht verantworten. Als Konsequenz könnte Höcke sein passives Wahlrecht verlieren. Der Prozess könnte ihm und der AfD aber auch nützen.

18.04.2024
    Björn Höcke im Landgericht Halle.
    AfD-Politiker Björn Höcke am 18.4.2024 zum Prozessbeginn in Halle. Höcke soll verbotene SA-Parolen genutzt haben. (picture alliance / dpa / Reuters / Pool / Fabrizio Bensch)
    Seit 2019 darf der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, als „Faschist“ bezeichnet werden. Seine öffentlichen Reden rechtfertigen das, so die Begründung des Verwaltungsgerichts Meiningen. Seit Jahren testet Höcke, wie weit er gehen kann. Schon acht Mal hat der Rechtsausschuss im Thüringer Landtag Höckes Immunität aufgehoben. Bisher kam es aber nie zu einer Verurteilung.
    Nun muss sich der 52-Jährige erstmals persönlich vor Gericht verantworten, wegen Volksverhetzung. Eine Verurteilung könnte Folgen haben für Höcke selbst, die AfD und die anstehende Landtagswahl in Thüringen. 

    Inhalt

    Wofür ist Höcke angeklagt?

    Die Staatsanwaltschaft Halle wirft Höcke das Verwenden einer strafbaren SA-Parole vor. In zwei Reden soll er eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP, verwendet haben. 
    Ausgangspunkt ist ein Vorfall, der drei Jahre zurückliegt. Im sachsen-anhaltischen Landtagswahlkampf in Merseburg soll Höcke 2021 den Dreiklang „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ benutzt haben. Nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuches ist das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen strafbar. 
    Der damalige sachsen-anhaltische Grünen-Chef Sebastian Striegel erstattete Anzeige. Im vergangenen Jahr erhob die Staatsanwaltschaft Halle Anklage. Sie wirft Höcke vor, von der Herkunft und der Bedeutung der Losung gewusst zu haben. Nach damaligen Angaben der Staatsanwaltschaft hatten Höckes Anwälte die strafrechtliche Relevanz zurückgewiesen.
    Außerdem wird dem Politiker vorgeworfen, die Losung im vergangenen Dezember bei einer Veranstaltung der AfD im thüringischen Gera noch einmal verwendet zu haben. Höcke soll als Redner den ersten Teil „Alles für“ selbst gesprochen und das Publikum durch Gesten animiert haben, „Deutschland“ zu rufen. Auch das wird mit angeklagt. Der Thüringer AfD-Chef habe gewusst, dass bereits ein Strafverfahren wegen der SA-Parole gegen ihn läuft.
    Unklar ist, ob Höckes Dialog auf dem Kurznachrichtendienst X eine Rolle spielt. Dort hat er auf Englisch nach Unterstützung gesucht. Prompt antwortete der Chef des Netzwerks Elon Musk und fragte, warum die Aussage „Alles für Deutschland“ strafbar sei. 

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    Höcke selbst verteidigte seine Wortwahl in einem TV-Duell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt. Er habe die Parole in einer freien Wahlkampfrede genutzt und letztlich den Slogan „America First“ von Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen, sagte er eine Woche vor Prozessbeginn beim Sender Welt.
    Auf die Frage, ob er während der Rede nicht gewusst habe, dass „Alles für Deutschland“ eine SA-Parole sei, sagte der studierte Geschichtslehrer: „Nein, ich wusste es nicht.“ Es handele sich um einen Allerweltsspruch. Selbst die Telekom hätte damit schon Werbung gemacht. Die Telekom hat wegen dieser Behauptung rechtliche Schritte gegen ihn eingeleitet.

    Wie wahrscheinlich ist eine Verurteilung?

    Bei einer Verurteilung droht Höcke entweder nur eine Geldstrafe oder aber sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.
    Schon 2006 hat das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil festgestellt, dass die SA-Parole allgemein bekannt ist. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages zog in einem Gutachten den Schluss „Wer in einer Wahlkampfrede die Losung ‚Alles für Deutschland‘ benutze, bewege sich ohne Zweifel im strafbaren Bereich.“
    Extremismusforscher Professor Dierk Borstel von der FH Dortmund sagt: "Wir reden hier von einer der drei bekanntesten NS-Parolen, die in jedem Geschichtsbuch stehen." Dass Höcke, so Borstel weiter, "als Geschichtslehrer mit einem Schwerpunkt auf dem Nationalsozialismus" eine dieser drei Parolen nicht kennen wolle, sei aus seiner Sicht "nur begrenzt glaubwürdig.“ 
    Borstel sagt über Höcke, „im Endeffekt testet er die wehrhafte Demokratie aus. Also wo ist der Punkt erreicht, wo wir sagen, das ist jetzt etwas, was aufgrund der Geschichte, aufgrund des Holocaust, was wir einfach nicht mehr im öffentlichen Raum sagbar haben wollen“. 
    Im Kern gehe es um Holocaust-Relativierung und die Frage, ob der Nationalsozialismus etwas Negatives war. Die Grenzen dafür auszutesten, das zu normalisieren, aus dieser Strategie mache Höcke auch kein Geheimnis, sagt Borstel. Im Gegenteil, Höcke schreibe darüber auch in seinen Büchern.

    Was wären die Konsequenzen für Höcke und die AfD?

    Theoretisch könnte das Gericht entscheiden, dass Höcke sein aktives und auch sein passives Wahlrecht vorübergehend verliert. Das hätte Auswirkungen auf die Landtagswahlen in Thüringen und Höcke als AfD-Spitzenkandidat. Denn Höcke könnte dann nicht zur Wahl antreten. Voraussetzung ist aber, dass der Politiker zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird. Darüber hinaus steht im Parteiengesetz: „Personen, die infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht nicht besitzen, können nicht Mitglieder einer Partei sein.“
    Der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich sieht in Höckes Vorgehen eine "übliche Strategie", die die Strafkammer in Halle aber vor Herausforderungen stellen werde. Einerseits mit Andeutungen, die rechtsextreme Kernwählerschaft adressieren, andererseits dadurch, dass Höcke, den "normalen Politiker" spiele, der etwas merkwürdig formuliere.

    Experte: Gericht steht vor Dilemma

    Begrich sieht das Gericht vor dem Dilemma, diese Eindeutigkeit zu beweisen, "während Höcke eigentlich nur gewinnen kann". "Wird er freigesprochen", so sagt Begrich vorraus, "wird er das als Freispruch erster Klasse interpretieren.“ Würde das Verfahren eingestellt, "wird er das auch als eine Art Freispruch interpretieren.“ Und sollte Höcke verurteilt werden, mutmaßlich zu einer Geldstrafe, dann wird er sagen, so befürchtet Begrich, "Seht her, man kann in Deutschland eine Allerweltsformel, wie er das nennt, nicht mehr verwenden. Man kann nicht mehr frei seine Meinung sagen.“ 
    Extremismusforscher Dierk Borstel sieht mittlerweile einen Wandel in der Gesellschaft: „Sie können mittlerweile rechtsextreme, nationalsozialistische Parolen und dieses Spiel der Grenzerweiterung machen und die Leute finden es gut. Da ist ein Tabu gefallen.“
    Borstel erwartet, dass Höcke den Prozess für sich als eine Art „Opfermythos“ nutzen wird. „Schaut her, ich bin so gefährlich, der Staat kann nur noch mit seinem schärfsten Schwert, einem Gerichtsverfahren, etwas gegen mich ausrichten und will mir in meiner Meinungsfreiheit Grenzen setzen.“
    mfied

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